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Zeitschrift
WISSENSCHAFTLICHE ZOOLOGIE
begründet
von
Carl Theodor v. Siebold und Albert v. Kölliker
herausgegeben von
Albert v. Kölliker und Ernst Ehlers
Professora.d. Universitätzu Würzburg Professor a.d. Universitätzu Göttingen. £ N Ne %g LINE 2 4 =, D Ups ınetON/ en
Bu» Aweiundvierzigster Band
- Mit 30 Tafeln, 5 Holzschnitten und einem Bildnis.
LEIPZIG Verlag von Wilhelm Engelmann
1885.
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Inhalt des zweiundvierzigsten Bandes.
Erstes Heft.
Ausgegeben den 24. Juli 1885, Seite
C. Th. E. v. Siebold. Eine biographische Skizze von E. Ehlers. Mit Bildnis I Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. Von
en 2 ee ee ee Untersuchungen über einige Flagellaten und verwandte Organismen. Von
MIETEN Ver ce eat ae ei 47 Beiträge zur Anatomie der Amphisbaeniden. Von C.Smalian. (Mit Taf. V
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Zweites Heft. Ausgegeben den 18. August 1885.
Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken und ihrer euro- päischen Verwandten. Von H.Simroth. (Mit Taf. VI—XL). . . . . 203
Drittes Heft. Ausgegeben den 27. Oktober 1885.
Die Bewegung des Fußes der Lamellibranchiaten Von A, Fleischmann.
eeloizschnitien: ie... le en ee seen Io Über die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. Von R. Greeff. N Da, SUTZRU NR) ER ee a Re
Beitrag zur Anatomie und Histologie des Priapulus caudatus (Lam.) und des
| Halicryptus spinulosus (v. Sieb... Von W. Apel, (Mit Taf. XV—XVIl.) 459
Beiträge zur Kenntnis der Mallophagen. Von F. Große. (Mit Taf. XVII.) 530
Über den Geschlechtsapparat von Nematois metallicus Pod. Von N. Cho- ne RIES TEN EI DE ee A ee
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Viertes Heft.
Ausgegeben den 24. November 1885. Seite
Die Anatomie der Psylliden. VonE. Witlaczil. (Mit Taf. XX—XXI.). . 569 Entstehung neuer Arten durch Verfall und Schwund älterer Merkmale. Von B=-Schmidt:, [Mib-Tal.- RXIL) = 2 2.22 Be Vergleichend embryologische Studien. Von E.Metschnikoff. (Mit Taf. XXIV —XXVL) 4. Über die Gastrulation und Mesodermbildung der Ctenophoren. . . . 648 5. Über die Bildung der Wanderzellen bei Asterien und Echiniden . . 656 Das Geschmacksorgan der Insekten. Von F. Will. (Mit Taf. XXVIL). . . 674
Über einen neuen Entwicklungsmodus bei den Nematoden Von v. Linstow. (IMSL-TARRKVHIE) 2... 2 1 HEIM Br Taenia lineata Goeze, eine Tänie mit flächenständigen Geschlechtsöffnungen.
Ein Beitrag zur Kenntnis der Bandwürmer. Von O0. Hamann. (Mit BENKIXNKN A 2000 e
Verlagsaust. Bruckmann repr.
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Verlag von W., Engelmann, Leipzig.
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CARL THEODOR ERNST VON SIEBÖLD.
EINE BIOGRAPHISCHE SKIZZE VON
E. EHLERS.
Am 7. April 1885 starb zu München: hochbetagt C. Tn. E. VON SIEBOLD, der allverehrte Nestor der deutschen Zoologen, der Mitbegründer und erfolgreichste Förderer dieser Zeitschrift.
Mit ihm erlischt im Mannesstamme ein Zweig der Asklepiaden-
Familie der SIEBOLDE, wie: sie OREN einst mit Recht genannt hatte; denn unseres SIEBOLD Urgroßvater war ein Stadtehirurg und Senator in der jülich’schen Stadt Nideggen, dessen Sohn aber, CARL CAsPpAR SIEBOLD, der berühmte Chirurg, Professor der Anatomie und Chirurgie und Reformator der seit ihm blühenden medicin. Fakultät zu Würz- burg, Chirurgus inter Germanos princeps, wie er auf einem Kupfer- stiche genannt wird, der im Jahre 1801 in Anerkennung seiner Ver- dienste vom Kaiser geadelt wurde. Von dessen vier, alle dem ärztlichen Stande angehörenden Söhnen war der jüngste ADAM ELIAS voN SIE- BOLD, der im Jahre 1816 als Professor der Geburtshilfe von Würzburg nach Berlin berufen ward und dort 1828 starb. Ihm wurden aus seiner Ehe mit der ältesten Tochter des fürstl. Thurn- und Taxis’schen Leib- arztes Dr. JAC. CHRIST. GOTTL. SCHÄFFER in Regensburg außer drei Töchtern zwei Söhne geboren, beide anfänglich nach dem Wunsche des Vaters für den ärztlichen Stand bestimmt. Dem ist der ältere, Ep. Casp. JAc. VON SIEBOLD (geb. 19. März 1801 zu Würzburg) treu geblieben, bis er, ein hochverdienter und geschätzter Forscher und
Lehrer, als Professor der medicinischen Fakultät für das Fach der
Geburtshilfe in Göttingen (27. Oktober 1861) starb. Der jüngere Sohn aber, unser CARL TH. ERNST VoN SIEBOLD (geb. 16. Februar 1804)
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fügte sich zwar anfänglich auch dem Wunsche des Vaters; wir begrüßen aber heute froh die Wendung, welche es ihm gestattete auf jenem Ge- biete der Wissenschaft große Verdienste zu ernten, auf welchem der Großonkel seiner Mutter, der Prediger JAK. CHRIST. SCHÄFFER (geb. 30. Mai 1718 in Querfurt, + 5. Januar 1790) in Regensburg, und dessen Großneffe, der Vetter unseres SIEBOLD, GOTTL. AuG. WILH. HERRICH SCHÄFFER (geb. 1790, + 1874) der gelehrten Welt rühmlichst bekannt geworden sind.
In vox SIEBOLD’s zu Würzburg verlebten Kinderjahren hat es nicht an Anregungen zu dem gefehlt, was des Mannes Lebensaufgabe wurde und was seine Mußestunden verschönte. Für den ersten Unter- richt sorgten in den von Krieg und Kriegslärm bewegten Zeiten theils tüchtige Hauslehrer, theils der Besuch der lateinischen Schule der Vaterstadt. Aber hier schon lenkte sich des Knaben Sinn auf die Be- trachtung der Thierwelt; in Würzburgs Umgegend wurden zusammen mit dem älteren Bruder entomologische Streifzüge gemacht; Ferien- reisen zu dem Großvater SCHÄFFER nach Regensburg, von welcher bei einem Besuche in Erlangen mir VON SIEBOLD in froher Jugend- erinnerung erzählte, mögen die vielleicht von der Mutter eingepflanzte Neigung gepflegt haben; und wir wissen aus seinem Munde, dass es tiefen Eindruck auf ihn machte, als er in dieser Zeit einst im Hause DÖLLINGER’s, des bahnbrechenden Anatomen und Vaters seines Jugend- freundes IGnAZ DÖLLINGER, des jetzigen bekannten Stiftpropstes in München, die im anatomischen Präparat aus einander gelegten Ein- geweide einer Fliege sah. — Gleichzeitig wurde, wie jetzt so später, im elterlichen Hause des Knaben Sinn für Musik geweckt; dass unser SIEBOLD wie sein älterer Bruder auch Unterricht auf der Trommel zur Ausbildung der Handgelenke genossen habe, ist mir nicht bekannt; aber die Freude und die Fähigkeit, Musik zu genießen und auszuüben, ist ein wohl schon auf die Würzburger Jugendzeit zurückzuführender Erwerb, mit dessen Besitz von SIEBOLD während seines Lebens, wo immer er seine Stätte aufschlug, sein Haus zu verschönern, einen Kreis gleichgestimmter Freunde zu vereinigen und zu erfreuen verstand. Nach des Tages Arbeit brachte ihm die Musik die beste Erholung, und sie mit Erfolg zu pflegen, scheute er keine Mühe; in der ange- strengten Thätigkeit, welche ihm später der Eintritt in die Professur in Erlangen im Lehren und Forschen brachte, fand er Muße und Aus- dauer, als Dirigent mit einem Kreise von Dilettanten und Musikfreun- den Oratorien zur Aufführung zu bfingen, und er gedachte später mit
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Heiterkeit der Sorgen, welche ihm Studenten, Hauptträger einzelner Partien, dureh ein Ausbleiben von den Proben oder der Aufführung bis zum letzten Augenblick gemacht hatten.
Des Vaters Berufung an die Universität Berlin, wo die Familie am 18. Oktober 1816 eintraf, ist für die anfängliche Lebenswendung VON SIEBOLD’s von weittragender Bedeutung geworden. Zunächst war der Eingang in diese Berliner Zeit ein trüber: wenige Wochen nach der Übersiedelung starb von SIEBOLD’s Mutter, und dem Vater wollte es längere Zeit nicht gelingen, in den neuen Verhältnissen eine volle Befriedigung zu finden. Für den 12jährigen Knaben aber war es wohl ein Gewinn, dass er, als Quartaner, in das Gymnasium zum grauen Kloster aufgenommen wurde, dessen Vorzüge gegenüber den Würz- burger Schulanstalten der ältere Bruder später besonders hervorge- hoben hat. von SIEBOLD verließ diese Schule, zum Besuche der Uni- versität reit, Michaelis 1823; die Neigung zu naturwissenschaftlichen Studien hatte im Sammeln von Insekten und Pflanzen sich befestigt; an den Exkursionen des Botanikers LINK hatte VON SIEBOLD schon als Gymnasiast sich betheiligen können. Beim Übergang zum Universitäts- studium entschied der Wille des Vaters wie bei dem älteren Bruder, der seiner Neigung folgend sich der Philologie zugewendet hätte, so auch bei dem jüngeren, dass als Fachstudium Mediein betrieben werden solle. Ihm mag der Entschluss dazu nicht schwer gefallen sein, denn die dieses Studium einleitenden Wissenschaften führten ja zum Theil in eindringlichster Weise zu der Behandlung der Naturobjekte, mit denen der Knabe und Jüngling sich gern sammelnd und beobachtend beschäftigt hatte.
VON SIEBOLD’s akademische Studienjahre sind in Berlin (1823/24), Göttingen (1824/27) und wieder Berlin verbracht. Dass in hervorragen- der Weise einer seiner akademischen Lehrer auf seinen späteren Ent- wicklungsgang Einfluss gehabt habe, kann wohl kaum behauptet wer- den. In Berlin hatte ihn der Botaniker Link persönlich angezogen; LICHTENSTEIN und RUDOLPHI vertraten die Fächer, in welchen er selbst später lehren sollte; in Göttingen hatte er an HAUSMANN’s geo- logischen Vorlesungen und Exkursionen gern Theil genommen, und dass er BEUMENBACH Anregung verdanke, sprach er in seiner Disser- tation aus, welche er in Göttingen zu bearbeiten begonnen hatte, und die er später, als er nach Berlin zurückgekehrt war, BLUMENBACH »praeceptori suo honoratissimo« widmete. — In Berlin hatte nach dem dreijährigen Studium in Göttingen VON SIEBOLD den praktischen
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Studien der Mediein obgelegen, war auch bei seinem Vater, der ihn dem Fache der Geburtshilfe zuzuführen wünschte, Assistent gewesen, bevor er mit seiner am 28. April 1828 erfolgten Promotion einen äußerlichen Abschluss seines Universitätsstudiums kennzeichnete.
Kurz darauf (12. Juli) starb rasch und unerwartet der Vater. Die Nothwendigkeit, eine gesicherte Lebensstellung zu erreichen, ließ VON SIEBOLD (1829) die ärztlichen Staatsprüfungen ablegen, und seine Studien zur Erlangung einer Physikatsstelle fortführen. Zoologische Studien gingen nebenher; es war die Zeit, in welcher RUDOLPHT'Ss Einfluss das Studium der Helminihen förderte; EHRENBERG’S um- fassendste Untersuchungen die Welt des Kleinsten erschlossen und kennen lehrten ; in welcher ein Kreis gleichstrebender junger Männer, WIEGMANN, BURMEISTER, D’ALTON, ESCHRICHT, NORDMANN in Berlin weilte. — Von ihnen schied VON SIEBOLD, Anregungen mannigfaltiger Art mit sich nehmend, um nach bestandenem Physikatsexamen (1830) die Stelle eines Kreisphysikus in Heilsberg (Ostpreußen) zu über- nehmen. In das Haus, welches er in selbständiger Stellung gründen wollte, führte er die Schwester eines Schulfreundes, WILH. NÖLDECHEN, des späteren Konsistorialpräsidenten in Magdeburg, FAnNY, die ihm länger schon verlobt war, als Gattin ein. Sie ist es gewesen, welche, an VON SIEBOLD’s Interessen den lebhaftesten Antheil nehmend, wohl in manchen Lagen des Lebens mitrathend dem Manne zur Seite ge- standen, den Entschluss zu mancher entscheidenden Wendung mit her- beigeführt hat. Aus der Ehe wurde in Heilsberg eine Tochter, ANTONIE, das einzige Kind voN SIEBOLD’s, geboren.
Aber es war kein dauerndes Heim, welches er in Heilsberg be- zogen; VON SIEBOLD trat nach den akademischen Lehrjahren in die Wanderjahre, und vom Norden zum Süden Deutschlands übersiedelnd hat er an keinem Orte länger als sechs Jahre gelebt, bis München dem Meister dauernd eine bald lieb werdende Stätte bot. In dem äußeren Wechsel jedoch blieb ununterbrochen gleich die Liebe zur zoologischen Forschung, die Lust das Erkannte mitzutheilen ; zu mancher Frucht, welche später zeitigte, wurde der Ansatz in den Studien gewonnen, welche der junge Forscher während einer mehr oder minder verein- samten Stellung in den Städten Ostpreußens anzustellen Muße fand. Einer Familie entstammend, welche den Universitätskreisen längere Zeit mit allseitiger Anerkennung angehört hatte, mochte ihm der Wunsch rege bleiben, in akademischer Thätigkeit seine Kräfte ent- falten zu können.
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Bald aber sollte sich ihm derselbe nicht erfüllen. Von Heilsberg aus war er mit K. E. v. BAER, welcher damals in Königsberg wirkte, in Verbindung getreten, und hatte sich vielfacher Unterstützung und Anregung bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu erfreuen gehabt. So musste es ihm willkommen sein, durch eine Versetzung im Frühjahr 1834 aus dem kleinen Heilsberg nach Königsberg geführt zu werden ; allein sein Wunsch, hier als Privatdocent sich zu habilitiren, scheiterte an konfessionellen Bedenken; VON SIEBOLD war Katholik und das Statut der alten Albertina verwehrte damals die Zulassung eines nicht prote- stantischen Gelehrten zu irgend einem Lehrfache an ihr. Da war in Danzig das Direktorium der Hebammenschule vakant, und VON SIEBOLD, durch seine frühere Stellung als Assistent zur Seite seines Vaters da- für wohl vorbereitet und als wissenschaftlich arbeitender Mann an maßgebender Stelle bestens empfohlen, erhielt diese Stellung, welche eine gesicherte Einnahme und neben den Amtsgeschäften genügend freie Zeit für wissenschaftliche Thätigkeit verbürgte. Statt in Königs- berg Privatdocent zu werden, siedelte VON SIEBOLD im Herbst 1834 nach Danzig über und begann von hier aus, bis er im December 1840 die Stadt verließ, in vielseitiger ausgedehnter Weise, vorwiegend je- doch zoologischen Studien zugewendet, litterarisch sich zu bethätigen. Hier entstehen die »Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens«, so wie »die Beiträge zur Naturgeschichte der wirbellosen Thiere« ; auf Exkursionen in Danzigs reizvolle Umgebungen und an den Strand der Ostsee wird das Material dazu mit größtem Eifer eingesammelt, und zweierlei prägtsich aus, was für SIEBOLD’s Arbeiten charakteristisch wird. Eine ausgesprochene Neigung zum Sammeln, und ein großes Geschick, das Gesammelte wohlgeordnet zu bewahren und nutzbar zu machen. Hat diese Neigung und Fähigkeit den Anlass gegeben, für faunistische Studien oder systematische Untersuchungen das Material zu beschaffen, so hat sie auch auf anderen Gebieten sich bewährt, und die ausge- dehnte Beherrschung der Litteratur, wie sie VON SIEBOLD’s Schriften kennzeichnet, beruht zum Theil auf dieser Eigenart. VON SIEBOLD hatte, ehe er diese seine Begabung als Konservator der Sammlungen des baierischen Staates zu bethätigen hatte, ausgedehnte Sammlungen von Insekten und besonders Helminthen zusammengebracht, die letzteren sind später Eigenthum der kaiserlichen Gesellschaft der Naturforscher in Moskau geworden. Es kennzeichnet diese Sammellust voN SIEBOLD’S wohl, wenn ich erwähne, dass er Anzeigen von Familienereignissen, welche ihm aus dem ausgedehnten Kreise seiner Bekanntschaft zu-
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gingen, sorgsam geordnet aufbewahrte, so dass er im Stande war, so- fort über ein derartiges Familienereignis durch Vorlage gleichsam eines Dokumentes den Ausweis zu bringen.
Aber nicht das Eintragen der Thiere, das Anhäufen entomo- logischer oder helminthologischer Schätze stand für VON SIEBOLD bei diesen seinen Bestrebungen in erster Linie. Das lebendige Thier, sein Werden und seine Verrichtungen zu beobachten, die anatomische Zer- gliederung für die Erkenntnis der Lebensvorgänge wirbelloser Thiere heranzuziehen , und dabei ausgiebigen Gebrauch des Mikroskops zu machen — ein Instrument von PLössL wurde dafür verwendet — das war es, was die Danziger Studien kennzeichnet, aber auch für die Folge die Signatur der wissenschaftlichen Arbeit von SIEBoLD’s bildet. Eine Fülle von Einzelbeobachtungen wird in dieser Zeit in verschiedenen Zeitschriften der Öffentlichkeit übergeben; und ein Überblick über dieselbe (II, 6—52) erinnert an SIEBOLD’s Ausspruch in dem Vor- worte seiner Dissertation: Decet enim tironem, naturam magis sequi, ejusgue regulis in conscribendis libellis obtemperare, quam novas statuere theorias nulla gaudentes veritate, aut ea, quae decies jam re- petita sint, aliis solummodo ornata verbis obtrudere lectori.
Noch sind es auch vereinzelte Erfahrungen aus der ärztlichen Praxis, welche, zum Druck gebracht, uns zeigen, dass VON SIEBOLD es in der Verwaltung seines berufsmäßigen Amtes an Ernst und Gewissen- haftigkeit nicht fehlen ließ; gemeinsames wissenschaftliches Interesse verband ihn mit dem Direktor des städtischen Krankenhauses, dem späteren Professor der Chirurgie in Göttingen, W. Baum, und daher stammt der erste Nachweis vom Vorkommen eines Flimmerepithels im Körper des Menschen, beobachtet auf einem exstirpirten Nasenpolypen Es. 42%
Diespeciellzoologischen Studien, abgesehen von den faunistischen, beschäftigen sich theils mit einzelnen wirbellosen marinen Thieren, von denen besonders die Medusen hervorzuheben sind, dann aber mit Hel- minthen in dem weitesten Sinne, wie diese Gruppe von Parasiten zu jener Zeit nach der Gemeinsamkeit der Lebensverhältnisse zusammen- gefasst wurde, und mit den Insekten ; und in Allem sind es vorwiegend die auf Generationsvorgänge sich beziehenden Verhältnisse, welehe be- sondere Berücksichtigung finden. So wird nach dreijährigen Studien die aus den Eiern der Medusa aurita hervorgehende Polypenbrut be- schrieben; noch von dem vorübergehenden Aufenthalt in Königsberg her die Nachkommenschaft des lebendig gebärenden Monostomum
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mutabile und deren erste Wandlungen dargestellt, und auf die Be- ziehungen hingewiesen, welche diese Jugendformen zu den von v. BAER und BoJAnus beschriebenen Cercarien erzeugenden »königsgelben Würmern« haben. Das waren gesicherte Thatsachen, mit denen dann STEENSTRUP, ähnliche Mittheilungen von M. SArs heranziehend und eigene Beobachtungen hinzufügend, die Lehre vom Generationswechsel begründete.
Gleich bedeutungsvoll gestalteten sich im weiteren Verlauf der voN SıeBorp’schen Forschungen die Erfahrungen, welche er über die Samenflüssigkeit und die Spermatozoen der wirbellosen Thiere, ganz besonders der Insekten, sammelte ; wie er in überwinternden Wespen- weibchen die Fortdauer der Vitalität der Spermatozoen im Recepta- culum seminis feststellte, und so eine Erkenntnis gewann, an welche er selbst später wieder anzuknüpfen hatte. In diese Zeit fällt es auch, dass er die Beobachtungen an Gregarinen aufnahm, Mermis und Gor- dius behandelte, und dass ihm in Xenos ein Vertreter der Strepsipteren entgegentrat, denen er später eingehendere Beachtung schenkte.
Solehe Thätigkeit, deren Ergebnisse in rascher Folge den natur- forschenden Gelehrten vorgelegt wurden, zum Theil leider in periodi- schen Schriften, welche wie die preußischen Provinzialblätter eine nur enge Verbreitung fanden, musste die Aufmerksamkeit der Fachmänner in weiten Kreisen auf den jungen Gelehrten lenken, und so erging, als R. WAGNER von Erlangen nach Göttingen berufen wurde, an VoN SIE- BOLD die Aufforderung, als ordentlicher Professor in der medieinischen Fakultät das Lehrfach der Zoologie, vergleichenden Anatomie und Veterinärmediein zu übernehmen. Wie gern wird VON SIEBOLD die Übersiedelung in die fränkische Heimat (im December 1840) vorge- nommen haben, mit welcher nun die Studien seiner Neigung zur Auf- sabe seines Berufes wurden, er aus dem Direktorat einer Hebammen- lehranstalt in die Lehraufgabe des Ordinarius an einer Hochschule eintrat. Aber dass er dem Aufenthalte in Danzig und seinen dortigen Studien viel verdanke, das hat von SIEBOLD wohl ausdrücken wollen, als er in der Front des von ihm bewohnten Hauses (Langgarten 33) ein Medaillon mit der Reliefdarstellung des Xenos einfügen ließ, und seinen Nachfolger im Amte bat, das Medaillon am Hause zu erhalten!. Leider ist dasselbe bei einem Umbau des Hauses später entfernt; seine Wiederherstellung, als eine Anerkennung für reines wissenschaftliches
1 Ich verdanke diese Mittheilung Herrn Dr. ConwEnTz, Direktor des westpreuß. Museum in Danzig.
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Streben, sehr zu wünschen. Die in Danzig geknüpften Verbindungen lösten sich auch nicht völlig, und lange noch — bis zum Jahre 1851 (II. 114) — hat von SIEBOLD fortgefahren in den neuen preußischen Provinzialblättern seine faunistischen Beiträge zu liefern, wozu ihn seine wohlgepflegten Sammlungen in den Stand setzten.
In Erlangen trat die neue Aufgabe der akademischen Lehrthätig- keit in ausgedehnter Weise an ihn heran; übernahm er doch neben den Vorlesungen, für welche er nominirt war, — und auch die Veteri- närmediein musste damals von ihm, da sie für die Studirenden der Mediein obligatorisch war, gelesen werden und VON SIEBOLD hatte für dieselbe ein ausgearbeitetes » Heft«, welches er später scherzweise zur Verfügung stellte — specielle Physiologie und Histologie mit mikro- skopischen Demonstrationen. Dabei trat er in unmittelbare Berührung mit der studirenden Jugend, auf welche er mit der Lebhaftigkeit seines Wesens, und der vollen Hingabe an den Lehrstoff, wie mir später seine Zuhörer aus jener Zeit berichtet haben, auf das anregendste einwirkte; erinnerte er sich selbst doch fast 30 Jahre später gern der Stunde, in welcher er zum ersten Male Pacinische Körper aus dem Mesenterium einer Katze seinen Studenten mikroskopisch demonstrirte.. Und in diesem unmittelbaren Verkehr mit den Schülern (III), in dem persön- lichen Einfluss auf dieselben lag für alle Zeit die hauptsächlichste Be- deutung der akademischen Lehrthätigkeit, in welche VON SIEBOLD erst spät ja eingetreten war. Hier waren seine Erfolge größer und nach- haltiger wirkend als in seinen Vorlesungen, in welchen eine gewisse Gebundenheit an den Stoff das unmittelbar Anziehende und Mitführende, welches der freie Vortrag mit der rasch zu Formgestaltung kommenden Gedankenbildung besitzt, vermissen lassen konnte.
Eng verknüpft wohl mit den Aufgaben der Lehrthätigkeit und in einem gewissen Zusammenhange mit einander ist die Abfassung von Jahresberichten für das von WIEGMANN damals redigirte Archiv für Naturgeschichte und das MÜLLERr’sche Archiv, und die Ausarbeitung des Lehrbuches der vergleichenden Anatomie, dessen erster Theil, die wirbellosen Thiere enthaltend, von voN SIEBOLD verfasst wurde, wäh- rend in gleich vortrefflicher Weise STAanxıus im zweiten Theile die Wirbelthiere behandelte. Dieses Buch ist wohl als die volle Frucht des Erlanger Aufenthaltes zu bezeichnen, wenn allerdings auch nur die erste Lieferung desselben im Jahre 1845 von Erlangen aus, die Schluss- lieferung 1848 von Freiburg aus in die Öffentlichkeit trat. An der umfassendsten Verzeichnung der in der Litteratur vorhandenen zoo-
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tomischen oder physiologischen Angaben erkennt man die ausgedehnten litterarischen Studien des Verfassers; aber das Buch ist nicht das Werk eines gelehrten Kompilators, sondern kennzeichnet sich durchgehend als eine selbständige Schöpfung durch die Mittheilung einer großen Zahl von eigenen Beobachtungen, welche hier zum ersten Male ver- öffentlicht werden. So ist es noch heute ein treffliches Hilfsmittel zu- mal da, wo es sich um litterarhistorische Nachweise über zootomische Angaben besonders aus älterer Zeit handelt. Ein Handbuch der » ver- gleichenden Anatomie « in dem Sinne, wie wir in diesen Tagen die thierische Morphologie darunter zu verstehen pflegen, ist das Buch nieht; der rein morphologischen Behandlung der Zootomie, wie sie in den Arbeiten JoH. MÜLLER’s angebahnt war, ist VON SIEBOLD nie nahe getreten ; ihm stand stets die Thätigkeit des Thieres und seiner Theile näher als die Gestaltung derselben, und so ist das Handbuch der ver- gleichenden Anatomie der Wirbellosen im Wesentlichen auch abgefasst.
VON SIEBOLD’s einzelne Arbeiten und Untersuchungen konnten zum Theil an jene anknüpfen, welche in Preußen begonnen waren. Der von dem mütterlichen Vorfahren zuerst beschriebene Kiefenfuß, Apus cancriformis, von dem VON SIEBOLD die Natur der an den Beinen auftretenden »rothen Beutel« schon in Heilsberg aufgeklärt hatte, fand sich alljährlich in großer Menge in der nächsten Nachbarschaft Erlangens und in den Teichen von Kossberg, und wurde dieses Vor- kommen für SIEBOLD’s spätere Untersuchungen über die Parthenogenesis von Bedeutung. — Die Untersuchung der Strepsipteren, von denen Xenos Rosii auf der später gleichfalls so wichtig werdenden Polistes gallica in Erlangen häufig sich findet, wurde von Neuem aufgenommen und zu einem vorläufigen Abschluss gebracht. — Das »räthselhafte Organ der Bivalven«, welches von Danzig aus beschrieben war, wird als das Gehörorgan in Anspruch genommen, und dessen Verhalten bei den ein- heimischen Mollusken weiter verfolgt, und kritisch betrachtet. — Die in BurpacH’s Physiologie (2. Auflage) zuerst beschriebenen Furchungs- vorgänge am Ei der Nematoden (II. 25) bilden den Gegenstand einer unter SIEBOLD’s Leitung verfassten Dissertation von BAGGE!. — Eine Bearbeitung des Artikels »Parasiten« im R. WAGNER’schen Handwörter- buche lässt das über Schmarotzer des Menschen Gesammelte und Erfah- rene in inhaltsreicher Zusammenfassung erscheinen, und hier spricht _ VoN SIEBOLD die Zusammengehörigkeit der » Cestodes« und » Oystiei« an
1 BAGGE, De evolutione Strongyli auricularis et Ascaridis acuminatae viviparorum, Erlangen 1841.
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dem besonderen Falle der Zusammengehörigkeit von Cysticercus fascio- laris und Taenia erassicollis aus, ohne zur Zeit die wahren Beziehungen beider Formen zu einander ganz zu erkennen: »Gewiss verirren sich häufig einzelne Individuen der Brut von Taenia erassieollis in Nage- thiere, und arten hier zu Cysticercus fasciolaris aus, können aber, nach- dem ihre Wohnthiere von Katzen gefressen und sie selbst dann auf den rechten Boden übergepflanzt worden sind, unter Abstoßung ihrer ent- arteten Glieder zur normalen Gestalt der Taenia crassicollis zurück- kehren und zur Geschlechtsreife gelangen.«
Von Erlangen aus ging vo SIEBoLD bald nach dem Antritt der Pro- fessur auch zum ersten Male über die Alpen, um an der reicheren Fauna des Mittelmeeres in Triest und Pola seine Anschauungen über die Thier- welt der marinen Fauna da zuerweitern, wo die Untersuchungen am Ost- seestrande in dieser Hinsicht nur ein dürftiges Material gefunden hatten. Für die Aufgaben, welche die Abfassung der vergleichenden Anatomie brachte, ist diese Reise, wie für ähnliche Zwecke später von Frei- burg aus 1847 eine zweite gemacht wurde, von Bedeutung geworden.
Aber am wichtigsten für die Weiterentwicklung der zoologischen Wissenschaft ist sicherlich die mit der ersten Lieferung des Handbuches der vergleichenden Anatomie an die Öffentlichkeit gebrachte Auf- stellung einer Thierklasse der »Protozoa« und die Abschätzung dieser Lebewesen als Zellen. EHRENBERE’s mit größtem Fleiße und muster- gültiger Darstellung gegebenen Schilderungen der »Infusionsthierchen als vollkommene Organismen« hatten die Welt der kleinsten Lebe- wesen nach den Arbeiten eines O. FR. MÜLLER aufs Neue in den Vordergrund der Betrachtung geschoben, und um so mehr die Auf- merksamkeit auf dieselben gelenkt, als in dieser Auffassung allen diesen Thieren eine hohe Organisation, eine Anzahl ungleich wirksamer: und besonders ausgestatteter Organe zugeschrieben wurde. voN SIE- BOLD’s auch in Erlangen fortgesetzte Beschäftigung mit dieser Gruppe tritt uns zuerst in einem launig geschriebenen Programme entgegen, mit welchem er als Dekan der medicinischen Fakultät die Glückwünsche derselben dem Botaniker KocH zu dessen fünfzigjährigem Doktor- Jubiläum überreicht. Die mehrfach diskutirte Frage über die Ab- grenzung des Pflanzen- und Thierreiches gegen einander war dadurch in ein besonderes Stadium getreten, dass UnGEr die Pflanze im Momente der Thierwerdung (1843) beschrieb, und einen Übergang thierischer in pflanzliche Wesen und umgekehrt annahm, damit die Sonderung beider Reiche von einander verwischen wollte. Dagegen wendete sich
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VON SIEBOLD mit Recht, indem er besonders hervorhob, dass eine Flimmerbewegung, wie sie die Schwärmsporen der Vaucheria zeigten, und damit bedingte Lokomotion nicht als ausschließlich thierisches Kriterium aufzufassen sei; ja VON SIEBOLD nimmt von diesen Beobach- tungen nun sogar Veranlassung, die Spongien, deren bewimperte Em- bryonen durch GRANT bekannt geworden waren, für Pflanzen anzu- sprechen und diese Embryonen den Schwärmsporen der Vaucheria gleichzustellen. — Zur Klärung der Anschauungen hat diese Darlegung sicherlich viel beigetragen, wenn damit auch der Auffassung noch nicht die Wege gebahnt waren, dass es Lebewesen giebt, welche schlechtweg als solche, als Organismen aufzufassen sind, bei denen weder die speci- fisch thierischen noch pflanzlichen Charaktere, woran man dieselben immer erkennen will, sich entwickelt haben.
Viel bedeutungsvoller aber war es, dass VON SIEBOLD die von EHRENBERG vorgetragenen Auffassungen von den Infusionsthierchen völlig beseitigte; denn indem er hier die Rotatoria, wie das schon WIEGMANN und BURMEISTER gethan, ganz bei Seite ließ, und anderer- seits eine Anzahl ausgesprochen pflanzlicher Organismen, wie er das schon in dem erwähnten Programm ausgesprochen hatte, als solche absonderte, fasste er Rhizopoden und Infusorien als Protozoa zu- sammen. Bereits 1839 hatte MEyYEN!, indem er die Auffassung der Infusorien als Polygastrica bekämpfte, ausgesprochen, dass ihm »der Bau der Infusorien der Hauptsache nach demjenigen der Pflanzenzelle ähnlich erschien«, aber mit Bestimmtheit und in scharfer Abgrenzung trägt jetzt erst VON SIEBOLD die Lehre vor, wonach die Protozoen Thiere sind, »deren unregelmäßige Form und einfache Organisation sich auf eine Zelle reduciren lassen « und »deren Körper mit einer einfachen Zelle verglichen werden kann, da das Parenchym desselben einen dem Zellkern analogen festen Körper enthält und keine besonderen Organen- systeme unterscheiden lässt«. In ähnlichen Anschauungen hatte fast gleichzeitig NÄGELI? nach einem Analogieschlusse die Behauptung auf- gestellt: »Das Thierreich beginnt mit Thieren, die bloß aus einer ein- fachen Zelle bestehen«, KÖLLIKER ® in Untersuchungen, welche denen VON SIEBOLD’s begegneten, von »einzelligen Thieren« gehandelt und
1 MEYEN, Einige Bemerkungen über den Verdauungsapparat der Infu- sorien. MÜLLER’s Archiv. 1839. p. 74—79.
2 NÄGELI, Über die gegenwärtige Aufgabe der Naturgeschichte. Zeitschr. f. wissensch. Botanik. I. 1845. Heft 2. p. 24. 3 KÖLLIKER, Die Lehre von der thierischen Zelle. Ebenda. Heft 2. p. 97.
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die Gregarinen als einzellige Infusorien bezeichnet. Aber diese scharfe Begrenzung und Absonderung der Protozoa von den übrigen Thieren, fußend auf der Erkenntnis ihres morphologischen Werthes, welche VON SIEBOLD brachte, ist seit jener Zeit derGrund gewesen, auf welchem bei aller Weiterentwieklung derselben die zoologischen Anschauungen über diese Thiere stets geruht haben.
VON SIEBOLD scheint trotz seiner erfolgreichen wissenschaftlichen Thätigkeit doch in Erlangen kein wahres Behagen gefunden zu haben, so dass er im Herbst 1845 nach Freiburg übersiedelte, um die Lehr- fächer der Zoologie, vergleichenden Anatomie und Physiologie mit Einschluss der speciellen Physiologie zu übernehmen, welche er hier bis zur Übersiedelung nach Breslau im Wintersemester 1849/50 lehrte. Die Zeit in dem schönen Freiburg, belebt durch geselligen Verkehr, in welchem besonders der von ALEXANDER BRAUN ausgehenden Anre- gung zu gedenken ist, aber für VON SIEBOLD’s Empfinden stark getrübt durch die politischen stürmischen Vorgänge der Jahre 1848 und 1849, ist hauptsächlich durch die Vollendung des Lehrbuches (1848) in An- spruch genommen, von welchem bereits ein Jahr nach der Fertigstel- lung (1849) eine französische Übersetzung — eine englische erst fünf Jahr später — erschien. Die Wanderungen der Helminthen werden fortgesetzt berücksichtigt, die »Lucina sine concubitu« beschäftigt hier schon beim Studium der in der Folge so wichtig werdenden Schmetter- lingsgattung Psyche VON SIEBOLD und mag auch ALEXANDER BRAUN später nachwirkende Anregung gegeben haben.
Dann habe ich aus dieser Zeit den Anfang eines Unternehmens zu erwähnen, dem VON SIEBOLD für den größten Theil der kommen- den Lebensjahre in treuer Hingabe Arbeit und Sorgfalt zugewendet: das ist die Begründung der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. — Das Unternehmen war anfänglich von VON SIEBOLD zusammen mit ALEXANDER BRAUN in anderer Form geplant als es später ausgeführt wurde. Eine feste Gestalt gewannen diese Pläne, als im August 1847 die Freiburger Gelehrten auf der schweizerischen Naturforscher-Ver- sammlung in Schaffhausen mit KÖLLIKER und NÄGELI aus Zürich zu- sammentrafen. Hier wurde der Plan besprochen und verabredet, eine Zeitschrift mit zwei Abtheilungen für Botanik und Zoologie zu grün- den. Offenbar nach dem Vorbilde einer von NÄGELI und SCHLEIDEN kurze Zeit herausgegebenen Zeitschrift für wissenschaftliche Botanik sollte dieses neue periodische Journal den Titel » Zeitschrift für wissen- schaftliche Botanik und Zoologie« erhalten. W. ENGELMANN in Leipzig
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übernahm den Verlag, und ein vom 10. Februar 1848 datirter Pro- speetus brachte dem Publikum die erste Mittheilung von der beab- sichtigten Zeitschrift, als deren Herausgeber für den botanischen Theil ALEXANDER BRAUN und CARL NÄGELI, für den zoologischen CARL THEODOR VON SIEBOLD und ALBERT KÖLLIKER genannt werden. Über die Bedeutung des gewählten Titels, der ja in einem gewissen Sinne aggressiv erscheinen kann, spricht der Prospectus sich folgendermaßen aus: »Wir wünschen unserer Zeitschrift einen möglichst wissenschaft- liehen Charakter zu geben, nicht sowohl in formeller Beziehung oder im Sinne subjektiver Philosophie, wobei die Vereinigung vieler Kräfte nicht wohl bestehen könnte, sondern vielmehr im objektiven Sinne realer Naturforschung durch möglichst umfassende und geläuterte Darstellung der Thatsachen, ihrer gesetzmäßigen Bestimmtheit und ihres ursächlichen Zusammenhanges. In dieser Absicht schließen wir alle mit dieser Aufgabe nicht zusammenhängende Veröffentlichung neuer Gattungen und Arten aus, es sei denn, dass dieselbe dazu diene uns eine sründlichere Einsicht in den thierischen und pflanzlichen Bau, in die Lebensgeschichte der Thiere und Pflanzen, oder auch in die gesetzmäßige Gliederung der organischen Reiche zu gewähren. Aus demselben Grunde schließen wir alle Arten bloßer Notizen und natur- "historischer Nachrichten aus, so wie alles die medieinische, ökono- mische, land-, forst- und gartenwirthschaftliche Praxis Betreffende, so weit es nicht zugleich einen bestimmten wissenschaftlichen An- knüpfungspunkt, z. B. an Anatomie und Physiologie bietet. Von den eigentlich wissenschaftlichen Seiten der Botanik und Zoologie soll da- gegen keine ausgeschlossen sein, besonders aber werden wir es uns angelegen sein lassen diejenigen Theile der Wissenschaft zu bereichern und zu fördern, deren Ausbildung auf dem gegenwärtigen Standpunkt be- sonders Noth thut, nämlich der als Morphologie, vergleichende Anatomie und Histologie bekannten Disciplinen und der alle diese verbindenden und begründenden Entwicklungsgeschichte des organischen Baues der Pflanzen und Thiere, so wie der daran sich anschließenden Unter- suchung der physikalischen Gesetze der Lebenserscheinungen, der Physiologie der Pflanzen und Thiere.«
Dieser Prospekt war von voN SIEBOLD und BRAUN ! entworfen, von den beiden anderen in Aussicht genommenen Herausgebern ange- nommen. Er ist uns jetzt ein werthvolles Zeichen dafür, in welcher Weise von SIEBOLD damals die von ihm vertretene Wissenschaft auffasste.
1 Nach einem Briefe von SIEBOLD’s an KÖLLIKER vom 30. Januar 1848.
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Aber wie sie geplant war, sollte die Zeitschrift nicht ins Leben treten. Am 19. August 1848 berichtete voN SIEBOLD an KÖLLIKER, dass das erste Heft der zoologischen Abtheilung gefüllt und zum Ab- schluss fertig sei; leider könne der botanische Theil der Zeitschrift nicht gleichzeitig erscheinen; und in den persönlichen Verhältnissen ALEXANDER BRAUN’s scheinen die Hindernisse gelegen zu haben, welche die Doppelzeitschrift nur in ihrer einen Hälfte erscheinen ließ. Und fast wäre auch dasjenige Heft, mit welchem nun die Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie ins Leben treten sollte, den politischen Stürmen des Jahres 1848 zum Opfer gefallen. Die ganze in Freiburg gedruckte Auflage dieses Heftes traf am 18. September 1848 in Frank- furt auf dem Bahnhof ein (nach einem Briefe von SIEBOLD’s an KöL- LIKER vom 4. November 1848), der Fuhrmann aber, welcher den Bal- len nach Leipzig befördern sollte, geschreckt durch das Aussehen der Stadt, in weleher man Barrikaden zu bauen anfing und aus Besorgnis, es möchte sein Wagen als Barrikadenmaterial Verwendung finden, machte sich aus dem Staube, unbekümmert um das Geschick des ihm anvertrauten litterarischen Gutes. Nur ein Zufall ließ nach einiger Zeit einen Vertreter der Freiburger Druckerei den mit dem Zeichen derselben versehenen Ballen in einem Winkel des Bahnhofes finden; so gelangte der Ballen nach Leipzig und es erfolgte im November 1848 die Ausgabe des ersten Heftes dieser Zeitschrift. — Aber auch das Erscheinen des zweiten Heftes wird, wie VON SIEBOLD klagt, durch die politischen Ereignisse, diesmal den zweiten Freischarenzug STRUWE’s, verzögert. In der That, es gehörte der Eifer der Heraus- geber und der Muth des Verlegers dazu, das junge Unternehmen im Zeitenstrudel nicht untergehen zu lassen.
Aus dem Freiburger Wirkungskreise führte ein Ruf nach Breslau. Von hier siedelte PURKINJE nach Prag über, nachdem er in Breslau ein physiologisches Institut begründet hatte. Die größere Universität, und wohl vor Allem die Aussicht mit den Mitteln eines Institutes arbeiten zu können, werden für von SIEBOLD’s Entscheidung maßgebend gewesen sein. Die ihm gestellte Aufgabe , Vertreter der Physiologie zu sein, kann aber nicht als eine solche bezeichnet werden, welche nach voN SıEBoLD’s Veranlagung und seitheriger Entwicklung eine völlig geeignete war, und so muss es als eine glückliche Lösung be- zeichnet werden, dass der Breslauer Aufenthalt nur von kurzer Dauer war (1850—1853) und dass in München von SırBoLD bald völlig der
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Thätigkeit zurückgegeben wurde, welche seiner ganzen Entwicklung nach die allein ihm zusagende war.
Aber die wenigen Breslauer Jahre sind für voN SIEBOLD’s wissen- schaftliche Erfolge im höchsten Grade bedeutungsvoll geworden. Der früher erschlossene Zusammenhang zwischen den als Blasen- und Bandwürmern getrennt gehaltenen Zuständen der Cestoden wurde, nachdem KÜCHENMEISTER zuerst den Weg des Experimentes auf diesem Gebiete betreten hatte, durch ausgedehnte Fütterungsversuche, die im Breslauer physiologischen Institute angestellt wurden, in schlagender Weise in so weit nachgewiesen, als der Übergang der Blasenform und zwar des Cysticercus wie des Echinococcus in die Form des Bandwurmes dadurch festgestellt wurde. Die erste Mittheilung darüber erfolgte in der schlesischen Gesellschaft am 7. Juli 1852 (II. 122); weitere Mit- theilungen brachte die Dissertation von SIEBOLD’s Schüler LEWALD ! und zwei Aufsätze VON SIEBOLD’s im vierten Bande dieser Zeitschrift (I. 123, 124). Abgeschlossen sind diese Studien mit dem Buche : Über die Band- und Blasenwürmer 1854 (II. 135), dessen Herausgabe der Münchener Zeit angehört. In ihm konnte voN SIEBOLD noch die Mittheilung (p. 105 bis 107) machen, dass nach den Erfahrungen HAUBNer’s und den Experi- menten LEUCKART's die Entwicklung der Bandwurmbrut zu Echino- coecen und Cysticercen thatsächlich erwiesen sei. Wenn VON SIEBOLD den Blasenzustand eines Cestoden als einen »hydropisch« veränderten damals festgehalten hat, so fügt sich das ja nicht völlig den Anschauun- gen, wie sich dieselben über die Entwicklung dieser Thiere heutigen Tages bei uns abgeklärt haben ; der Gedanke aber, welcher dieser Auf- fassung zu Grunde liegt, dass die Ausbildung des »Blasenwurmes« durch das Lokal, innerhalb dessen sie erfolgt, wenigstens graduell beeinflusst wird, ist nicht abzuweisen, und wenn wir in der Ontogenese auch von einem Verirren und dadurch bedingten Erkranken der Cestodenbrut nicht mehr reden, so kann sich doch die phylogenetische Spekulation dieser Vorstellung nicht ohne einigen Erfolg bedienen.
Die Breslauer Zeit leitete eine andere Untersuchungsreihe ein, welche von‘SıeBoLp’s Thätigkeit für Jahre hindurch auf denjenigen Gebieten beschäftigte, für welche er nach seiner Veranlagung eben so sehr wie nach seinen Neigungen in vorzüglichster Weise befähigt war, und führte zu Ergebnissen, welche für die Generationslehre als eine in
der allgemeinen Bedeutung äußerst wichtige Erweiterung der Kennt-
1 G. LEWALD, De cysticercorum in taenias metamorphosi. Diss. inaug. Berolini 1852.
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nisse und Vorstellungen sich herausstellen sollte. Das ist der Nach- weis jener Fortpflanzung, welche VON SIEBOLD, im anderen Sinne als R. Owen, als die Parthenogenesis bezeichnete. Diese Lehren nicht nur zu begründen, sondern auch vielseitig zu erweitern, und sie gegen Zweifel und Anfechtungen zu schützen, die da erhoben wurden, wo das, als Ausnahme von einer Regel Erscheinende dogmatischen Vorstellungen von dem Wesen der sogenannten geschlechtlichen Zeugung störend in den Weg trat, ist fortgesetzt eine Hauptsorge voN SIEBOLD’s bis in sein hohes Alter hinein gewesen; weit ausgedehnte, von langer Hand vorbereitete Untersuchungen anzustellen, ist er nie müde geworden; das liebte er wohl als die abschließende Thätigkeit, als die Endauf- gabe seines Lebens zu bezeichnen.
VON SIEBOLD hatte in Freiburg bei den Untersuchungen über die Psychiden das Ergebnis gezogen, dass eine Entwicklung unbefruchteter Eier, .eine »lueina sine concubitu« nicht erwiesen sei, so sehr er auch geneigt war, den anders lautenden Angaben Vertrauen erweckender Autoren Glauben zu schenken. In solcher Skepsis befangen, hatte er fortgesetzt den Psychiden Aufmerksamkeit geschenkt und war zu der von der früheren abweichenden Meinung gelangt, dass unbefruchtete Psychiden- oder allgemein Schmetterlingseier entwicklungsfähig seien, dass diese Verhältnisse aber der Aphiden-Entwickiung parallel gehen, in welcher man damals einen wahren Generationswechsel oder die Ent- wicklung von »Keimen« »Pseudova« zu sehen glaubte. Da trafen ihn die Angaben des schlesischen Pfarrers DZIERZON, mit dem er sich in Verbindung gesetzt hatte, um von ihm, der in der apistischen Litteratur hervorgetreten war, Aufklärungen über mancherlei in den Kreisen der Bienenzüchter umlaufende Berichte von den Lebensverhältnissen der Bienen und Bienenvölker, und im Besonderen darüber Aufschluss zu erhalten, wie weit es begründet sei, dass Arbeitsbienen entwicklungs- fähige — aber unbefruchtete — Eier ablegten. DZIERZON’s aus den scharfen Beobachtungen der Lebensverhältnisse der Bienen mit guter Kritik abgeleiteten bereits 1845 und 1849 veröffentlichten Theorien fanden in einer am 26. Juli 1851 in Karlsmarkt, dem Wohnorte DZIERZON’s, abgehaltenen Unterredung nach Beseitigung der von voN SIEBOLD vorgebrachten Einwände den Beifall des letzteren, und so er- scheinen zuerst im 29. Jahresberichte der schlesischen Gesellschaft (HI. 115) (1851) die Mittheilungen über die Lebensweise und den Haus- halt der Bienen und über Drohnenmütter, welche unbefruchtet Brut
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hervorbringen. Das waren die Anfänge zur Begründung der Lehre von der Parthenogenesis.
Wenn es hier im Einzelnen unerwähnt bleiben mag, auf welche Gebiete daneben voN SIEBOLD'’s litterarische Thätigkeit sich zu dieser Zeit erstreckte (II. 101—126), so ist hervorzuheben, dass voN SIEBOLD in Breslau nicht über Zoologie oder vergleichende Anatomie, welche GRAVENHORST und BARKOW vertraten, sondern über specielle Physiolo- gie Vorlesungen hielt, und im Institute daran anschließende Übungen leitete; dass die Lehre von der Zeugung in besonderen Vorlesungen behandelt, über »Parasiten « Vorträge gehalten werden, ist naheliegend. Auch hier wieder gewinnt VON SIEBOLD Einfluss auf seine Schüler und weiß zu wissenschaftlichen Arbeiten anzuregen.
Das gab in München, als dort eine Erweiterung und Neubelebung der bestehenden wissenschaftlichen Institute in Angriff genommen, die Ära der »Neuberufenen«, wie man später eine Zeit lang die mit und nach LıiEBIG nach München berufenen Professoren der Universität benannte, mit Aufwand reicherer als der bisher gebotenen Mittel er- öffnet wurde, Veranlassung, an voN SIEBOLD eine Berufung zum Ordi- narius für Physiologie und vergleichende Anatomie ergehen zu lassen; die Neubegründung eines physiologischen Institutes war dabei in Aus- sicht genommen,
Die Berufung war eine zu verlockende, als dass VON SIEBOLD ihr nieht hätte folgen sollen. Aber mit der Übersiedelung in die baierische Hauptstadt im Sommer 1853, welche den längsten Abschnitt des wissenschaftlichen Lebens von SIEBOLD’s eröffnet, beginnt zunächst eine Zeit der Unruhe, welche einen raschen Abschluss der im Flusse befindlichen Untersuchungen nicht gestattete, wohl auch Manches, was sonst gefördert wäre, nieht gedeihen ließ.
VON SIEBOLD ließ in Breslau die einzige Tochter zurück, die mit einem preußischen Officier, Herrn von PANNEWITZ, verheirathet war. Sein Haus sollte in München bald veröden, denn wie seinem Vater bald nach der Übersiedelung nach Berlin die Frau gestorben war, so verlor er im zweiten Jahre des Münchener Lebens, am zweiten Weih- nachtstage 1854, die Gattin, welche des Genusses der neu erworbenen Stellung, der Ruhe nach vieljähriger Wanderung nicht lange sich erfreuen sollte. Sie starb als eines der letzten Opfer der Münchener ‘ Choleraepidemie des Jahres 1854. An ihre Stelle trat nach Ablauf eines Jahres die jüngere Schwester der Verstorbenen, ANTONIE, und sie hat es verstanden lange Jahre hindurch das Heimwesen des fleißi-
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. b
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gen Gelehrten, wie es in dem von THIERSCH erbauten, jetzt abge- brochenen, rothen Hause in der Nähe des botanischen Gartens und des chemischen Laboratoriums aufgeschlagen war, durch Lust an geistig belebter Geselligkeit und eifriger Pflege wie Ausübung der Musik auf das Schönste zu beleben.
voN SIEBOLD übernahm nach seiner Übersiedelung in München nicht nur die Vertretung der Physiologie und der damit ver- bundenen vergleichenden Anatomie, und hatte die Ausführung des Baues zu überwachen, welcher die Arbeitsräume des physiologischen Institutes und die vorhandenen zootomischen Sammlungen aufnehmen sollte, sondern es fiel ihm auch die Aufgabe zu, die menschliche Ana- tomie zu lehren. Das waren unhaltbare Zustände, für welche erst ein Wandel eintrat, als Biıschorr (1855) aus Gießen berufen wurde, und zugleich mit der menschlichen Anatomie die Physiologie übernahm. Damit trat die nöthig gewordene Abzweigung der vergleichenden Ana- tomie von der Physiologie ein, wenn auch noch lange die großen der Akademie unterstellten zootomischen Sammlungen, deren Verwaltung VON SIEBOLD beibehielt, im Gebäude des physiologischen Institutes verblieben. Für die aufgegebene Vertretung der Physiologie übernahm VON SIEBOLD nun das Lehrfach der Zoologie und 1856 als erster Kon- servator neben ANDREAS WAGNER die Verwaltung der ausgedehnten zoologischen Sammlung des k. baierischen Staates, welche gleichfalls Attribute der k. baierischen Akademie und in dem Gebäude derselben aufgestellt waren. Zwei große ihrem Wesen nach zusammengehörende aber räumlich getrennte Sammlungen waren voN SIEBOLP's Sorge da- mit überwiesen, und erst spät gelang es, die zootomischen Sammlungen aus dem physiologischen Institute in das Gebäude der Akademie, und in die Nähe der zoologischen Sammlungen überzuführen. Im physio- logischen Institute hatte von SIEBOLD anfänglich Arbeitsräume zur Verfügung, die später nach dem Abgeben der Physiologie erheblich ein- geschränkt waren. Neben den zoologischen Sammlungen waren Jahre lang nur zwei an einander stoßende, zum Theil von Büchern und Samm- lungsgegenständen beengte Zimmer als Arbeitsräume zu VON SIEBOLD’s Verfügung, in welchen Privatschülern ein nur beschränkter Platz an- gewiesen werden konnte, da auch Präparatoren, deren unmittelbare Hilfe von SIEBOLD in Anspruch nahm, in diesen Zimmern beschäftigt waren. In seinen besten Münchener Arbeitsjahren hat voN SIEBOLD den Vortheil und die Annehmlichkeiten gut eingerichteter Räume eines zoologischen Institutes nicht erfahren, und was in den letzten Jahren
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seines Lebens für Unterrichtszwecke hergestellt wurde, entsprach keineswegs den Anforderungen, welche billigerweise zu stellen ge- wesen wären. — VON SIEBOLD’s Thätigkeit ist mit großem Eifer und Erfolg der Verwaltung der Münchener Sammlungen zugewendet ge- wesen. Ganz besonders waren es die Wirbelthiere, deren Durcharbei- tung er sich unterzog. Durch den Ankauf der LEUCHTENBERG'schen Sammlungen war der Bestand des zoologischen Museum bedeutend vergrößert; da mussten die als Originalexemplare zu betrachtenden Stücke gekennzeichnet, zum Theil vor einem sicheren Untergang be- wahrt werden; die ichthyologischen und ornithologischen Sammlungen waren neu zu bestimmen und aufzustellen, eine Aufgabe, die bei der VON SIEBOLD’schen Gewissenhaftigkeit einen großen Aufwand von Zeit und Mühe erforderte ; die Vervollständigung der Skelettsammlungen wurde fortgesetzt im Auge behalten. SIEBOLD’s Geschick für Sammeln und Ordnen konnte sich hier vollauf bewähren. Aber es hat sich auch wohl ein Ausspruch SCHIÖDTE’s gegen ÜLAPAREDE bestätigt: »Les musdes pesent lourdement sur la seience«; die Anforderungen, welche die Verwaltung und Vermehrung der Sammlungen stellten, mussten der litterarisch-wissenschaftlichen Thätigkeit Abbruch thun.
Mit dem schon oben erwähnten Buche über die Blasen- und Band- würmer, welches von München aus publieirt wurde, hat von SIEBOLD dieses Gebiet seiner Untersuchungen abgeschlossen ; die Gordiaceen, welchen er vielfach Aufmerksamkeit geschenkt hatte und die ihn in der ersten Zeit seines Münchener Aufenthaltes lebhaft beschäftigten — ein Gordius, den er auf dem Wege zu einer Audienz beim Könige auf dem Münchener Straßenpflaster im Begriff aus einem Käfer auszu- wandern ertappte, war ein Gegenstand seiner Sorge während der ganzen Audienz — überwies er einem seiner Schüler, Dr. G. MEISSNER, zur Bearbeitung.
Von Breslau war der Gedanke an die Parthenogenesis mit nach München genommen und ihre Bearbeitung ist fortgesetzt der Haupt- gegenstand der wissenschaftlichen Arbeit. Allerdings nachdem im Jahre 1856 die » Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen « erschienen war, nahm zunächst eine andere Aufgabe VoN SIEBOLD’s Thätigkeit für mehrere Jahre in Beschlag. Ein » höchstes Reskript vom 4. Mai 1854« hatte den Auftrag gebracht, die ichthyologischen Ver-
5 hältnisse der südbaierischen Seen zu untersuchen. Diese Arbeit er-
weiterte sich in ausgedehntesten Sammlungen des zoologischen wie litterarischen Materiales, durch Reisen nach Süd und Nord, durch
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systematische wie biologische Studien, bis das »nonumque prematur in annum« erfüllt und im Jahre 1863 die Resultate in dem Buche: »Die Süßwasserfische von Mitteleuropa « vorlagen. Hier berührte sich die Thätigkeit des Museologen, des Litterarhistorikers und des scharfen Beobachters des Lebens der Thiere. Wie viel Anregung ist hier ge- geben, sei es in den Mittheilungen über den Farbenwechsel und die Chromatophoren, oder die Glanzlosigkeit (Alampia) der Fische, oder den trommelsüchtigen Zustand, in welehem der Kilch aus den Tiefen des Bodensees gehoben wird; sei es in dem Nachweis, dass Fisch- bastarde im freien Zustande keine Seltenheit sind; in der Beschreibung der sterilen Forellen und in den Mittheilungen von dem Dunkel, welches über den Fortpflanzungsverhältnissen des Aales schwebt, auch heute noch nicht völlig gelichtet. Spät erst ist VON SIEBOLD mit der Heraus- gabe dieses Werkes zu der Bethätigung gekommen, dass er auch in der taxonomischen Behandlung der Zoologie ein Meister sei, aber die ‘Studien für die Fauna Preußens hatten ihn frühe schon auf dies Ge- biet geleitet, und eine seiner frühesten Notizen war ichthyologischer Natur und behandelte das Vorkommen des damals als selbständige Art betrachteten, später als jungen Brachsen erkannten Cyprinus FarenusL. (11.19).
Allein diese Studien lenkten nichtab von der Hauptaufgabe : der Er- forschung der Parthenogenesis. Mit dem Nachweis der Spermatozoen in den Bieneneiern, welche zu Arbeitern sich entwickeln, des Mangels der- selben in den Drohnen liefernden Eiern, der im Jahre 1855 zu Seebach auf dem Gute des eifrigen, wissenschaftlich strebsamen Bienenzüchters H. von BERLEPSCH erbracht war, hatte die erste zusammenfassende Dar- stellung der Verhältnisse bei Schmetterlingen und Bienen gegipfelt. Wie die Aufsehen machenden Mittheilungen der Anlass wurden, dass auch andere Forscher dem Gegenstande sich zuwendeten, andere Thiere als parthenogenetisch erkannt und die Parthenogenese in ungleiche Be- ziehung zu anderen Generationsvorgängen gebracht wurden, so fehlte es nicht an Stimmen, welche an der Richtigkeit der vorgetragenen Beobachtungen und Deutungen zweifelten, und sie waren es, welche VON SIEBOLD'’s Thätigkeit in dieser Richtung nicht erlahmen ließen. 8o veröffentlichte er im Jahre 1871 die »Beiträge zur Parthenogenesis der Arthropoden«, zu Beobachtungen anderer Forscher eigene sehr ausge- dehnte Erfahrung an aculeaten und phytophagen Hymenopteren, Le- pidopteren und Phyllopoden hinzufügend. Mustergültig sind seine Be- richte über die eingehendsten Studien an der Lebensweise der Polistes
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sallica, über die Versuche und Beobachtungen an den bevölkerten Nestern dieser Wespe, welche er im eigenen Hausgarten vertheilt hatte, ja, um keine Unterbrechungen der Beobachtungen zu erfahren, in den akademischen Herbstferien mit in die Sommerfrische nahm, froh, dass seine Schützlinge auch hier das ihm so genau bekannte Treiben nicht aufgaben. Zahllos sind die Einzelbeobachtungen, mit welchen er die männerlosen Generationen der Apus-Kolonien und ihre partheno- senetisirenden Weibchen untersuchte; schlagend die Versuche, mit welchen er die Apus-Bruten aus den im Schlamm eingetrockneten Eiern erzog und die Jungfräulichkeit der entwicklungsfähige Eier ablegenden Weibchen sicherte.
VON SIEBOLD stand, alseer diese Beiträge veröffentlichte, im 67. Jahre. Er ist in der Folgezeit nicht müde geworden, die Lehre von der Par- thenogenesis in einzelnen Beiträgen zu erweitern, und wie er neben mannigfaltigen Mitarbeitern als der Begründer dieser Lehren zu be- zeichnen ist, so kommt ihm das eben so unbestrittene Verdienst zu, dieselben in umfassendster Weise ausgedehnt zu haben.
Noch ist das Wesen der Parthenogenesis, ihre Beziehung zu an- deren Weisen der Fortpflanzung der Erkenntnis nicht erschlossen; es ist auch noch nicht abzusehen, welchen zunächst vielleicht nur ein- schränkenden Einfluss die Lehre von der Parthenogenesis auf unsere Auffassung von dem Wesen der Befruchtung und der Entwicklung des thierischen Eies haben wird; ungerechtfertigt gewiss, allgemeine Schlüsse über diese Vorgänge ziehen zu wollen, ohne die Parthenoge- nesis dabei zu berücksichtigen. Für eine Erkenntnis der Parthenoge- nesis sind Ansätze gemacht, sei es dass man den Mangel eines Rich- tungsbläschen bei den unbefruchtet zur Entwicklung kommenden Eiern heranzieht (BALFOUR), sei es, dass man in ihr für die »sexuelle Kraft« (HENSEN) ein Maß zu finden sucht. Ob diese Wege zum Ziele führen steht dahin. Vielleicht ist das Problem anders zu stellen, als es bisher geschehen ; gewiss werden neue Untersuchungen intensiver Natur nöthig sein. Aber auf von SIEBOLD’s Schultern werden die kommenden Ar- beiter stehen, welchen zu erweisen obliegt, dass das, was als Ausnahme erscheint, in der Regel ist.
Die Zeit des Alters war hereingebrochen ; giehtische Beschwerden wurden lästig; das Jahr 1866 hatte durch den Tod des bei Königgrätz ge-
U fallenen Schwiegersohnes in das Familienglück schwer hineingegriffen.
Sehwer auch empfand von StEBoLD den auf der Challenger-Expedition erfolgten Tod eines Schülers, der ihm persönlich lieb geworden war,
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VON WILLEMOES-SuHMm. Aber die jugendliche Geistesfrische erhielt sich lange. ;
Die Anregung, welche Darwın’s Lehre gegeben hatte, ließ von SIE- BOLD gern auf sich einwirken, und in einem seiner letzten Aufsätze, in welchem er die Polydactylie (II. 196) eines Pferdes beschreibt, sind es die Anschauungen von der Bedeutung der Umformung und Vererbung, welche im Hintergrunde stehen. Das Anpassungsvermögen der mit Lungen athmenden Süßwasserschnecken (II. 184), die durch die sorg- fältigen Untersuchungen des Fräulein von CHAUVIN erzielten Ergeb- nisse über die Metamorphosen des Axolotl (I. 189, 190) erschienen in gleichen Beziehungen ihm von größter Bedeutung.
Aber mit der Bereitwilligkeit, der wissenschaftlichen Forschung zu folgen, hielt die Kraft des Geistes nicht mehr gleichen Schritt: das sonst vortreffliche Gedächtnis fing an den Dienst zu versagen, und gern rühmte er hier die Unterstützung, welche er von einerins Haus genomme- nen Enkelin, FAnnY Von PANNEWITZ, erhielt, die bei einem Theile der Beobachtungen über die Lebensweise parthenogenetischer Thiere mit offenem Blick dem Großvater als jugendfrische Stütze zur Seite stand.
Am Tage der Feier seines fünfzigjährigen Doktorjubiläum (22. April 1878) durfte der noch rüstige Greis sich mit vollem Recht der zahl- reichen und werthvollen Bezeugungen der Anerkennung des Verdienstes, der Verehrung gegen die Person erfreuen (IV). Die dunklen Tage des Alters, seine Lasten und Beschwerden mehrten sich. Am Tage nach dem Jubiläum verließ die Enkelin das durch sie so sehr belebte Haus, um einem jungen Zoologen, Dr. von ROUGEMONT, als Gattin zu folgen. VON SIEBOLD sollte bald dieselbe im Wittwenkleide sehen. — Dies lange Jahre hindurch bewohnte Haus musste geräumt werden; mehr und mehr nahmen die schmerzhaften Leiden überhand;; noch hielt von SIE- BOLD fest an seiner Lehrthätigkeit und suchte, wo seine Kräfte er- labmten, seine Krankheit ihn ans Lager fesselte, hier die Hilfe in der Jüngeren Kraft eines Assistenten. Unabweisbar aber wurde die Lösung des Dienstverhältnisses, der durchaus gebotene Übergang in den Ruhe- stand erfolgte 1853. Eine hochgradige Gedächtnisschwäche kenn- zeichnete den langsamen Niedergang des einst so arbeitskräftigen Mannes, in dessen äußerer Erscheinung und übrigem Wohlbefinden die Last der 81 Jahre nicht zu erkennen war, an welchen er zu tragen hatte. Ein letzter apoplektischer Anfall leitete ein qualvolles Kranken- lager ein, von dem der am 7. April 1885 Nachts 1 Uhr erfolgende Tod eine Erlösung brachte.
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In der Kraft seiner Jahre war voN SIEBOLD ein lebhaft beweg- licher, über mittelgroßer, etwas untersetzter Mann; unter dem frühzeitig ergrauten Haare umspielte in dem etwas vollen Gesichte die von star- ken Augenbrauen überstellten, mit dem Ausdruck der Kurzsichtigkeit behafteten, hellen Augen, die Lippen des feingeschnittenen Mundes der Ausdruck des Wohlwollens und der Heiterkeit. Mit ungleicher Auffassung haben W. vox KAULBACH in einer, auch photographisch vervielfältigten, Zeichnung, LENBACH in einem ausgeführten Bilde VON SIEBOLD’s Züge festgehalten; eine kleine Büste von einem jungen schweizer Bildhauer, HALLER, giebt mehr den Eindruck des späteren Alters. Eine HanrstÄnger'sche Photographie aus dem Januar 1860 liegt dem Lichtdrucke zu Grunde, welcher vor dem zur Feier seines Jubiläums herausgegebenen Bande dieser Zeitschrift steht; eine gleiche aus dem Jahre 1868 ist dieser Skizze in einer Vervielfältigung durch Lichtdruck beigegeben.
In von SIEBOLD’s wissenschaftlicher Thätigkeit ist es nicht die geniale rasche Konception neuer fruchtbringender Gedanken, welche wir zu rühmen haben, sondern das Talent des Fleißes, wie dasselbe uner- müdlich im Sammeln, eindringend beobachtend, und kritisch in der Prüfung und Verwerthung der gewonnenen Resultate uns entgegentritt. Das lebende Thier ist das hauptsächlichste Objekt der SIEBOLD’schen Studien, und die Hingebung an die Beobachtung desselben, das Ein- leben gleichsam in dessen Lebensverhältnisse lässt uns in VON SIEBOLD einen Forscher hochachten, der im 19. Jahrhundert mit höheren Zielen das Bild eines SPALLANZANI, REAUMUR oder DE GEER wiederholt. Abhold allem Streit und Gezänk, Polemik gern vermeidend, dem be- wegten Treiben des politischen Lebens nicht zugewendet und doch voll Antheil an den Geschicken des Vaterlandes, wohlwollend und mit Theil- nahme entgegenkommend, zumal wo ihm wissenschaftliches Streben entgegentritt, und gern gesellig, wo feinere Sitte und Pflege der Kunst ihre Stätte haben, ist es der lebensfrohe gern des heiteren oft kind- lichen Humors sich erfreuende Mann, dessen Charakterreinheit und Herzensgüte das Bild vervollständigt, welches seine Freunde und Verehrer gern festhalten und der Nachwelt überliefern mögen.
Zusätze.
I. Die Kenntnis der in dieser Skizze mitgetheilten Thatsachen beruht zum Theil in den Mittheilungen, welche enthalten sind in: E. C. J. vox SteBoLp. Geburtshilfliche Briefe, Braunschweig 1862 und A. KÖLLIKER, Carl Theodor von Siebold, Eine biographische Skizze. in: Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Doktorjubiläums am 22. April 1878, Herrn Professor C. Th. E. von SIEBOLD ge- widmet von der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, Leipzig 1878, 40%. Einen anderen Theil verdanke ich Mittheilungen aus dem Kreise der Familie und der Freunde voN SIEBOLD's. Herr Geheimrath A. voN KÖLLIKER stellte mir eine Anzahl von Briefen von SIEBOLD'S zur Verfügung, welche über die bei der Gründung dieser Zeitschrift be- stehenden Verhältnisse berichteten. Schließlich konnte ich aus persön- lichen Mittheilungen, welche ich in einem langjährigen meist brieflichen Verkehr von VON SIEBOLD erhalten hatte, Manches vorbringen.
II. Dem hier folgenden Verzeichnis der Schriften VON SIEBOLD’s liegt die Zusammenstellung zu Grunde, welche VON SIEBOLD selbst im »Almanach der königlich baierischen Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1884, p. 310 f. gegeben hatte.
4. Observationes de Salamandris et Tritonibus. Berolini 1823. Dissertatio inau- guralis.
. Über die rothen Beutel des Apus cancriformis, in der Isis. 4834. p. 429.
3. Ein Fall von Zerreißung des Scheidengewölbes während einer Geburt; Jour- nal für Geburtshilfe von Ep. von SıesoLd. Bd. XIII. 4833. Stück 4. p. 46.
. Zum Kapitel der Perforation. Ebendas. Bd. XV. 4836. Stück 2. p. 407.
. Helminthologische Beiträge. Erster Beitrag: Über die Fortpflanzung des Monostomum mutabile ; WIEGMAnN’s Archiv für Naturgeschichte. Jahrg. 1835. Ba.I. p. 45.
. Über die Spermatozoen der Crustaceen, Insekten, Gasteropoden und einiger anderer wirbellosen Thiere; Mürzer's Archiv für Anatomie, Physiologie etc. Jahrgang 4836. p.143.
. Fernere Beobachtungen über die Spermatozoen der wirbellosen Thiere: 4. Die Spermatozoen der Helminthen. 2. Die Spermatozoen der Paludina vivipara; MüLLeRs Archiv. Jahrgang 4836. p. 232.
8. Zur Anatomie der Seesterne. Ebendas. Jahrgang 1836. p. 291.
9. Obduktion eines in einem Brunnen todt gefundenen neugeborenen Kindes, nebst Gutachten; Journal für Geburtshilfe von Ep. von SıesoLd. Bd. XVI. 1836. Stück 1. p. 81.
. Rinsförmiger Aortenbogen bei einem neugeborenen blausüchtigen Kinde, Ebendas. Bd. XVI. 4836. Stück 2. p. 294.
XXV
. Über die Geschlechtsorgane der Medusa aurita; Frorıee's Notizen. Bd. L.
41836. Nr. 1084. p. 33.
. Über Flimmerbewegungen im Menschen; Medicin. Zeitung, herausgegeben
von dem Verein für Heilkunde in Preußen; Jahrgang 1836. Nr. 28.
. Das Vorkommen von Sphinx Nerii in Westpreußen betreffend; Preuß. Pro-
vinzialblätter. Königsberg 4836. Januar-Heft.
. Über Busacr’s Naturgeschichte der höheren Thiere mit besonderer Berück-
sichtigung der Fauna Prussica. Ebendas. 1837. December-Heft.
. Über die Sexualität der Muschelthiere. WıEescwmany’s Archiv. Jahrgang 4837.
Bd, Ip. 51.
. Helminthologische Beiträge. Zweiter Beitrag: Syngamustrachealis. Ebendas.
1836. Bd. I. p. 105.
. Zusatz zum vorhergehenden Aufsatz. Ebendas. 4837. Bd.I. p. 66.
. Helminthologische Beiträge. Dritter Beitrag: Berichtigung der von BURMEISTER
gegebenen Beschreibung des Distomum globiporum. Ebendas. 4836. Bd.1.
p- 217.
. Cyprinus Farenus, ein preußischer Fisch. Ebendas. 1836. Bd.I. p. 327.
. Über den Unterschied der Schalenbildung der männlichen und weiblichen
Anodonten, Ebendas. 4837. Bd.I. p. 445.
. Fernere Beobachtungen über die Spermatozoen der wirbellosen Thiere: 3. Die
Spermatozoen der Bivalven. 4. Die Spermatozoen in den befruchteten Insek-
tenweibehen. MüLzer’s Archiv. 4837. p. 381.
. Keine Flimmerorgane an den Spermatozoen der Salamander. FRrORIEP's neue
Notizen. Bd. II. 1837. Nr. 40.
. Über die viviparen Musciden. Ebendas. Bd. III. 4837. Nr. 22.
. Einige Bemerkungen zu Lorzr’s Fauna Prussica. Preuß, Provinzialblätter.
Königsberg 4837. Mai-Heft.
. Zur Entwicklungsgeschichte der Helminthen, in Burpac#’s Physiologie als Er-
fahrungswissenschaft. Bd. Il. 2. Aufl. 1837. p. 483.
. Giebt es Schildkröten in der Ostsee? Preuß. Provinzialblätter. Königsberg
1837. November-Heft. p. 495.
. Über Milchabsonderung in den Achselgruben einer Wöchnerin. Medicin.
Zeitung, herausgegeben von dem Verein für Heilkunde in Preußen. Jahre.
41838. Nr. 6.
. Ein Cysticercus cellulosae am menschlichen Auge, Ebendas. 4838. Nr. 46.
. Wieder eine Zwillingsgeburt, bei welcher der eine Zwilling längst abgestorben
war. Journal der Geburtshilfe von Ep». von SıesorD, Bd. XVII, 4838. Stück 2.
P- 334.
. Über ein räthselhaftes Organ einiger Bivalven. Mürter’s Archiv. 1838. p. 49.
. Bericht über die Leistungen im Gebiete der Helminthologie während der Jahre 4836—1847, WıEsMann’s Archiv, in dem Bd. II der Jahrgänge 4837—18S48., Über die weiblichen Geschlechtsorgane der Tachinen. Ebendas. Jahrgang
4838. Bd. I. p. 494,
. Helminthologische Beiträge. Vierter Beitrag: Über geschlechtslose Nema-
toideen. Ebendas. Jahrgang. 4883. Bd.I. p.302. Sphaerularia Bombi. 4. Fila-
ria piscium. 2. Trichina spiralis.
xxvI
. Zoologische Notizen (über Pelobates fuscus, Begattung der Libellen). Ebend. Jahrg. 4838. Bd.I. p. 375. at
35. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Erster Beitrag: Mol- Jusea. Preuß. Provinzialblätter. 1838. Januar-Heft.
36. Vorläufiger Bericht über Berexpr's Werk: Die im Bernstein vorkommenden organischen Überreste der Vorwelt. Ebendas. 4838. Februar-Heft.
37. Die Kolombatzer Fliege in Preußen. Ebendas. 4838. Mai-Heft.
38. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Zweiter Beitrag: Lepi- doptera. Ebendas. 4838. Juli-Heft.
39. Die Jungen der Medusa aurita. Frorıep’s neue Notizen. Bd. VIII. 4838. Nr. 466.
40. Kritische Anzeige der Ratake’schen Schrift: de Bopyro et Nereide. Berlinische Jahrb. für wissenschaftl. Kritik. 1838. März.
44, Lange Lebensdauer der Spermatozoen in Vespa. WıEGMAnn’s Archiv. Jahrg. 1839. Bd. IV. p. 107.
42. Pilze auf lebenden Insekten. (Bitte um Belehrung.) Frorıer's neue Notizen, Bad: X.. 1839. Nr. 201.
43. Diese Pilze sind von SCHLECHTENnDAL als Pollenmasse der Orchideen erkannt worden, für welche Belehrung gedankt wird. Ebendas. Bd. XI. 1839. Nr. 225.
44. Über die innern Geschlechtswerkzeuge der viviparen und oviparen Blattläuse. Ebendas. Bd. XIl. 4839. Nr. 262.
45. Beiträge zur Naturgeschichte der wirbellosen Thiere. (Über Medusa, Cyclops; vid. Annal. d. sc. nat. Tom. XIV. 4840. p. 26. Observations sur l’accouple- ment du Cyclops castor [Übersetzung], Loligo, Gregarina u. Xenos.) Neueste Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Danzig. Bd. III. Heft 2. 4839.
46. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Dritter Beitrag: Raub- wespen. Preuß. Provinzialblätter. 4839. Januar-Heft. Vierter Beitrag: Wanzen und Zirpen. Ebendas. 4839. Mai-Heft. Fünfter Beitrag: Schmetter- linge. A. Fortsetzung. Ebendas. 4839. November-Heft. Sechster Beitrag: Diptera und Nachtrag zum III. und IV. Beitrag. Ebendas. 4839. December- Heft.
47. Über die Fortpflanzungsweise der Libellulinen. Germar's Zeitschrift für Ento- mologie. Bd. II. 4840. p. 424.
48. Überwinterung der befruchteten Weibchen von Culex rufus. Ebendas. p. 443.
49, Bericht über die Leistungen in der Naturgeschichte der Annulaten während der Jahre 4840—1847. WiıEsnmann’s Archiv, in dem Bd. II der Jahrgänge 4844 bis 4850.
50. Bemerkungen zu Busack’s Fauna Prussica. Preuß. Provinzialblätter. 4840. Januar-Heft.
51. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Siebenter Beitrag: Schmetterlinge. 2. Fortsetzung. Ebendas. 4844. Mai-Heft.
52. Bericht über die Leistungen im Gebiete der Anatomie und Physiologie der wirbellosen Thiere in den Jahren 4838—1844. MüuLer’s Archiv. 48404845.
53. Über Xenos und Triungulinus, in dem Bericht über die Versammlung der Naturforscher zu Erlangen. 41840. p. 139.
54. Über die Borstenbüschel am Bauche von Dermestes, Entomolog. Zeitung, 1840. p. 437.
XxVlI
55. Über die Eier der Planarien, in dem Berichte über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der königl. preuß. Akad. d. Wissensch. zu Berlin, 1844, p. 88.
. Observationes quaedam entomologicae de Oxybelo uniglume et Miltogramma conica. Erlangae 4844.
. Über die Larven der Meloiden. Entomolog. Zeitung. 4844. p. 130. Recension der Horae entomologicae von Lorw. Abth. I. Ebendas, 4844. p. 468.
. Über das Gehörorgan der Mollusken. WıEsmann’s Archiv. Jahrg. 4841. p. 148.
. Über das Eierlegen der Agrion forcipula. Ebendas. Jahrg. 4844. p. 205.
. Über die Geschlechtswerkzeuge von Syngnathus und Hippocampus. Ebendas. Jahrg. 4842. p. 292.
. Über die Fadenwürmer der Insekten. Entomolog. Zeitung. 1842, 4843, A848, 1850, 4854, 4858,
. Über die grüne Materie des Schlossteiches zu Königsberg. Preuß. Provinzial- blätter. 4842. Januar-Heft.
. Neue Beiträge zur Wirbelthierfauna Preußens. Ebendas. 4842. Mai-Heft. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Achter Beitrag: Or- thoptera. Ebendas. 4842. Juni-Heft.
. Bericht über die im Jahre 4844 und 4842 erschienenen Arbeiten in Bezug auf die Klassen der Echinodermen, Acalephen, Polypen und Infusorien. WiıEs- MANN’S Archiv. Jahrg. 4843. Bd. II.
. Über Strepsiptera. Ebendas. Jahrg. 1843. Bd. |.
. Abgang eines Bandwurms aus dem Nabel, nebst einigen Bemerkungen über das Wandern der Eingeweidewürmer. Medicin. Zeitung, herausgegeben von dem Verein für Heilkunde in Preußen. Jahrg. 1843. Nr. 17.
. Über das Receptaculum seminis der Hymenopteren-Weibchen. GErMARrs Zeitschrift für Entomologie. 4843. p. 362.
. Bemerkungen über eine den Bacillus Rossii bewohnende Schmarotzerlarve. Ebendas. 4843. p. 389,
. Über Strepsiptera, in dem Bericht über die Versammlung der Naturforscher zu Mainz. 4843. p. 241.
. Über die Spermatozoen der Heuschreckenweibchen. Ebendas. 4843. p. 223.
. Zusatz zu dem RosenhAuer'schen Aufsatze über Xenos Rossii. Entomolog. Zeitung. 4843. p. 443.
. Anfrage wegen eines Puppengespinstes. Ebendas. 4843. p. 363.
. Erläuterungen und Bemerkungen über die auf der vierten Tafel der: Beiträge zur Petrefaktenkunde von GRAF zu MÜNSTER, Heft 6 1843, abgebildeten kleinen Körper, von denen sich Fig. 9 als Anker einer Synapta und Fig. 42 und 43 als die gestielten Anhänge zweier Teredinenarten haben erkennen lassen.
. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Neunter Beitrag: Blatt- wespen, Holzwespen, Gallwespen nebst Nachtrag zu den Raubwespen. Preuß. Provinzialblätter. 4844. Februar-Heft.
. Über das Stimm- und Gehörorgan der Orthopteren. WırsmAann’s Archiv. Jahrg. 1843. Bd. I. p. 52.
. De finibus inter regnum animale et vegetabile constituendis. Erlangen 4844.
. Bericht über die Leistungen in der Naturgeschichte der Würmer, Zoophyten
XxVIl
und Protozoen während des Jahres 1843 und 4844. WIEGMAnN’s Archiv. Jahr- gang 4845. Bd. II.
. Über die Spermatozoiden der Locustinen. Nova Acta Academ. Leopold. Natur. Curiosor. Vol. XXI. ParsI. 4845.
, Bericht über die Antwort von DREwsEN auf die Frage wegen eines Puppen- gespinstes. Entomolog. Zeitung. 1844. p. 131.
. Parasiten. Handwörterbuch der Physiologie von R. WAGNER. 4844. p. 644. . Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere. 4. Lieferung. Berlin A845.
. Bemerkungen über Ornithobia pallida und Lipoptena Cervi. Entomolog. Zei- tung. 4845. p. 275.
. Entomologische Notizen. (Gryllus Tenthredo.) Ebendas. 1845. p. 322.
35. Über Gordius. Bericht über die Naturforscherversammlung zu Nürnberg
4845. p. 182. . Über die Leistungen der Schweizer Entomologen in den Jahren 18404845. Entomolog. Zeitung. 4846. p. 497.
. Über die Verbreitung der singenden Cikaden in Deutschland. Ebendas. 1837. P-.56.
. Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere. 2. Lieferung. Berlin 4847.
. Von dem Wassergefäßsystem bei den. Cephalophoren. FRrorıEp’s Notizen. Bd. II. 4847. p. 344.
. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Zehnter Beitrag: Ver- zeichnis der Käfer Preußens. Neue preuß. Provinzialblätter. Bd. II. 4847. Heft 3, 5 und 6. p. 203, 350 und 449.
. Über Helminthenwanderungen (Echinorhynchus in Gammarus pulex, Taenia in Arion empiricorum). Verhandlungen der schweizerischen naturforschen- den Gesellschaft zu Schaffhausen. 1847. p. 126 und 128.
. Sullo sviluppo della Cephea Wagneri. Diario del nono Congresso degli Scien- ziati Italiani in Venezia. 4847. p. 54.
. Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Thiere. 3. Lieferung. Berlin 4848.
. Blepharophora Nymphaeae, eine neue Alge nach Perry ist Aleyonella stagno- rum. SCHLEIDEN’s und FroRriEp’s Notizen. Bd. VII. 4848. p. 163.
. Manuel d’anatomie comparee. Animaux invertebres. Paris 4849.
. Comparative anatomy of the Invertebrata. London 1854.
. Über die Lebensweise der Psyche, in der von v. SıesoLD und KöLLIKER heraus- gegebenen Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. I. Jahrgang 1849. p- 93.
. Über einzellige Pflanzen und Thiere. Ebendas. 1849. p. 270; übersetzt in Ann. se. nat. XII (Bot.) 4849, p.438 und Journ. mier. sc. 1.4853. p. 444, 195. . Gyrodactylus, ein ammenartiges Wesen. Ebendas. 1849. p- 347.
. Beiträge zur Fauna Preußens. Halicryptus spinulosus. Crustaceen. Neue preuß. Provinzialblätter. Bd. VII. 4849. Heft 3. p. 477.
. Über Leon Durour’s Beiträge zur Käfer-Fauna der Pyrenäen. Entomolog. Zeitung. 4849. p. 306.
XIX
Über die Raupen im Verdauungskanale des Menschen. Ebendas. 4850. p. 336. Noch ein Wort über Lipoptena Cervi. Ebendas. 1850. p. 407.
Bericht über die Leistungen im Gebiete der Würmer, Zoophyten und Proto- zoen während der Jahre 1845, 4846 bis 4847. WıEGMANN’s Archiv. Jahrgang 1850. Bd. II.
. Über den Generationswechsel der Cestoden nebst einer Revision der Gattung Tetrarhynchus. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. II. 41850. p. 198. und Ann. sc. nat. XV. 4854. p. 177.
. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Elfter Beitrag: Ameisen, Bienen und Wespen. Neue preuß. Provinzialblätter. Bd. X. 4850. Heft 3. p- 212.
. Über die auf den verschiedenen Hirscharten schmarotzenden Lausfliegen. Verhandlungen des schlesischen Forstvereins 1850. p. 369.
. Über undulirende Membranen. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. I. 4850. p. 356.
. Der achtundzwanzigste Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vater- ländische Kultur im Jahre 1850 (Breslau) enthält Mittheilungen über die orga- nisirten Kaikablagerungen der Haut der Strahlthiere, über die Conjugation, p- 35 ; über die Conjugation des Diplozoon paradoxum, p. 36; über die Wan- derungen, weiche von gewissen Eingeweidewürmern (Gordius, Mermis) vor- genommen werden, p. 38; über Lipoptena Cervi, p. 83; über den Heerwurm und Sciara Thomae, über die Psychiden Psyche, Fumea und Talaeporia, p. 84 (auch abgedruckt in der entomolog. Zeitung 4854. p. 344, und übersetzt in: Transact. of the entomol. soc. of London new ser. Vol. I. 41850—4854. p. 234) ; über Psyche Helix, p. 87; über Eriophyes, p. 89; über Isaura cycladoides als Beitrag zur schlesischen Fauna, p. 89; zur Naturgeschichte der Band- und Blasenwürmer, p. 458.
Über die angeblichen Zahnwürmer. Entomolog. Zeitung, 4854. p. 51.
Über den taschenförmigen Hinterleibsanhang der weiblichen Schmetterlinge von Parnassius. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. Ill. 4854. p. 53 (auch abgedruckt in der entomolog. Zeitung. 4854. p. 176).
. Über die Conjugation des Diplozoon paradoxum nebst Bemerkungen über den Conjugationsprocess der Protozoen. Zeitschrift für wissensch. Zool. Bd. Il. 1851. p. 62; übersetzt in.Ann. sc. nat. VIL 48514. p. 428.
. Beiträge zur Fauna der wirbellosen Thiere Preußens. Zwölfter Beitrag: Myriapoden, Pseudoscorpione, Orthopteren und Neuropteren. Neue Preuß. Provinzialblätter. Bd. XI. 4854. Heft5. p. 351.
. Über einige Zweifel, das Vorkommen gewisser Schmetterlinge in der Provinz Preußen betreffend. Ebendas. Bd. XII. 1854. Heft 5. p. 376.
. Der neunundzwanzigste Jahresbericht der schles. Gesellschaft für vaterländ. Kultur im Jahre 4854 enthält Mittheilungen über die Lebensweise und den Haushalt der Bienen, und über Drohnenmütter, welche unbefruchtet Brut hervorbringen, p. 48; über Dusını's Anchylostoma duodenale, p. 402; über einige Insekten als Pseudohelminthen, p. 105.
. Zusätze zu Fıscner’s Aufsatz: Über unvollkommene Flügelbildung bei Ortho- pteren. Entomolog. Zeitung. 4852. p. 24.
XXX
. Über Cecidomyia saliciperda. Verhandlungen des schlesischen Forstvereins.
1852. p. 148.
. Über ir Büschel- und Hörnerkrankheit der Bienen. Bienenzeitung. 4852, p- 130.
. Zoologische Notizen (über Upupa epops, Calamophilus barbatus, Rana oxyr- rhina und platyrrhina). Wıremann’s Archiv. 4852. Bd.I. p. 8.
. Ein Beitrag zur Helminthographia humana, aus brieflichen Mittheilungen des Dr. Bırnarz in Kairo. Zeitschrift f. wissensch. Zool. Bd. IV. 4852, p. 53,
. Einige Bemerkungen über Hectocotylus. Ebendas. p. 122; übers. in TayLor, Scientif. Mem. (nat. hist.). 1853. p. 92.
. Der dreißigste Jahresbericht der schles. Gesellschaft für vaterl. Kultur im Jahre 4852 enthält Mittheilungen über die Umwandlung der Blasenwürmer in Bandwürmer, p. 48; über die Auswüchse und äußeren Anhänge auf ver- schiedenen Insekten, p. 51. Beide Mittheilungen sind auch abgedruckt in Froriep’s Tagesgeschichte, Abth. Zoologie. Bd. III. 4852. p. 405 und p. 249, in Ann. nat. hist. X, 1852, p. 434 und Ann. sc. nat. XVII. 4852. p. 377.
. Über die Verwandlung des Cysticercus pisiformis in Taenia serrata. Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. IV. 4853. p. 400.
. Über die Verwandlung der Echinococcusbrut in Tänien. Ebendas. 4853. p- #09.
. Über Leukochloridium paradoxum. Ebendas. 4853. p. 425.
. Über einige neue spanische von GrA&ELLS entdeckte und beschriebene In- sekten. Entomol. Zeitung. 4853. p. 16.
. Über Strepsipteren und Stylopiden, im 34, Jahresbericht der schles. Ges. f. vaterl. Kultur, 1853, p. 83 (auch abgedruckt in der entomol. Zeit. 4853. p. 133). . Fall über die Divertikelbildung am Darmkanale eines neugeborenen Kindes, mit unglücklichem Ausgang, mitgetheilt in der Erlanger Dissertation des Dr. G. Scuhröper: Über Divertikelbildungen (Augsburg. 4854. 4. p. 48).
. Zusatz zu Nussgaum’s Cornea artificialis als Substitut für die Transplantatio corneae empfohlen. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. Bd. V. 1854. p. 487. . Zusatz zu HessLing’s histologischen Mittheilungen. Ebendas. Bd. V. 4854. p- 499.
. Beiträge zur Naturgeschichte der Mermithen. Ebendas. Bd. V. 1854, p. 204. . Über Zwitterbildung der Insekten. Entomolog. Ztg. 4854. p. 98.
. Eine Melo@larve mit Unrecht als Ursache der Faulbrut beschuldigt. Bienen- zeitung. A854. p. 85.
. Zergliederung einer vom Begattungsfluge heimgekehrten Bienenkönigin. Eben- das. 4854. p. 297.
. Über die Band- und Blasenwürmer, nebst einer Einleitung über die Ent- stehung der Eingeweidewürmer. Leipzig 1854. Vid. Annal. d. sc. nat. Tom. IV. Pl.2 und 3 (Übersetzung).
. Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen. Ein Beitrag zur Fortpflanzungsgeschichte der Thiere. Leipzig 1856. Vid. Annal. d. sc. nat. VI. 4856. p. 193—244 (Auszug).
. Zusatz zu MEıssner's Beiträgen zur Anatomie und Physiologie der Gordiaceen. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. Bd. VII. 1856. p. 144.
138.
139.
140.
isn.
142.
143,
Abk, 145.
446.
147, 448. 449. 150. 154. 152.
153. 154.
|| ass.
156.
157.
158,
XXxI
Zusatz zu Bıraarz: Über Pentastomum constrictum. Ebendas. Bd. VII. 1856. p. 330.
Über die Perlenbildungen chinesischer Süßwassermuscheln. Ebendas. Bd. VIH, 4857. p. 445.
On a true parthenogenesis in moths and bees. London 4857.
Icones zootomicae von V. Carus, mil Originalbeiträgen von C. v. SIEBOLD. Leipzig 1857. Tab. VII. Fig. 48, 19. Eier von Taenia Fringillarum. Tab. VIII. Fig. 4—9. Verdauungs- und Geschlechtsorgan von Ascaris oligotocus.
Über den Kilch des Bodensees (Coregonus acronius). Zeitschrift f. wissen- schaftl. Zoologie. Bd. IX. 4858. p. 295.
Über das Receptaculum seminis der weiblichen Urodelen. Ebendas. Bd. IX. 1858. p. 463. Ein vorläufiger Bericht hierüber, in dem amtlichen Bericht über die Naturforscherversammlung in Karlsrube, im September 4858. p. 194. Über Agriotypus armatus und Trichostoma picicorne und über die Lebens- weise der Donacia linearis; in demselben Bericht. p. 241.
Gutachten über einen in Niederösterreich beobachteten (vermeintlichen) Bienenfeind (eine Meloelarve). Bienenzeitung. 4858. p. 495. Ichthyologische Bemerkungen (Hautausschlag der brünstigen Männchen bei Cyprinoiden und Salmoneen, Salmo Salar muss Trutta Salar heißen, Steri- lität der Salmoneen und Cyprinoiden, Larve der Leptis Vermileo, melanoti- scher von encystirten Trematoden herrührender Hautausschlag der Cypri- noiden), im Bericht über die Naturforscherversammlung in Königsberg im September 4860. p. 74, 405 u. 438,
Een paar waarnemingen betreffende de levenswijze der Insecten. Leiden Tijdsch. Entom. III. 4860. p. 95—98.
Über den Bienenwolf. Bienenzeitung. 4860. p. 9.
Über Agriotypus armatus. Entomolog. Zeitung. 4861. p. 39.
Zusatz zu Euters’ Abhandlung über Halicryptus spinulosus Sieb. in der Zeit- schrift f. wissensch. Zoologie. Bd. XI. 4864. p. 443.
Zusatz zu SchönreLv’s Aufsatz: Über Parthenogenesis. Bienenzeitung. 1862. p- 28. j
Über Parthenogenesis, Vortrag in der öffentl. Sitz. d. k. Akademie der Wis- senschaften am 28. März 4862 gehalten. München 1862 (auch abgedruckt in der entomolog. Zeitung. 4862. p. 447).
Die Süßwasserfische von Mitteleuropa. Leipzig 4863.
Über die Fische des Ober-Engadins. Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft zu Samaden. 4863. p. 173.
Über das Vorkommen von Zwittern unter den Bienen. Ebendas. p. 48. Erklärung und Bemerkungen zu der von Nic. WAGNER beschriebenen und von MEINERT weiter erläuterten Insektenlarve, welche sich durch Sprossenbildun- gen vermehrt, Zeitschrift für wissenschaftl, Zoologie. Bd. XIII. 4863. p. 513. und Bd. XIV. 1864. p. 394.
Über Zwitterbienen, ein Sendschreiben an die Wanderversammlung der deut- schen Bienenwirthe in Karlsruhe. Bienenzeitung. 1863. p. 223. (Auch abge- druckt in der Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. XIV. 4864. p. 73.) Bericht über den Befund einer abnormen Bienenkönigin. Bienenzeitung. 1864. p. 43.
ZXxXH
. Über die im Auftrage der k. Akademie d. Wiss. vorgenommenen vorläufigen Nachforschungen, um das Vorkommen von Pfahlbauten in Baiern festzustellen. Sitzungsberichte d. k. Akad. d. Wiss. zu München. Bd. II. .1864. p. 318.
. Über den Ersatz der abgestorbenen Zwittermutter des Enester’schen Zwitter- bienenstocks. Bienenzeitung. 4865. p. 14 u. 52.
. Zusatz zu Nıc. Wacszr’s Sendschreiber über die viviparen Gallmückenlarven. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. XV. 4865. p. 145.
2. Zusatz zu Kıounzıneer’s Aufsatz über eine Süßwasser-Crustacee (Palaemon
niloticus) im Nil. Ebendas. Bd. XVI. 1866. p. 367.
. Ein Wort über die ägyptischen wahren Drohnenmütter. Bienenzeitung. 1866. p. S.
. Über die Kakerlakbildung der Bienen. Ebendas. 1866. p. 73.
. Über das unregelmäßige Eierlegen zweier Bienenköniginnen. Ebendas. 1867. pP. 457.
. Zusatz zu Lannoıs’ vorläufiger Mittheilung über das Gesetz der Entwicklung der Geschlechter bei den Insekten. Zeitschrift für wissensch. Zoologie. Bd. XVII. 1867. p. 525. (Auch abgedruckt in der Bienenzeitung 4867. p. 432.)
. Über Syngamus trachealis; kurze Notiz. Korrespondenzblatt des zool. mine- ralog. Vereins in Regensburg. 1867. p. 473,
. Über die Versuche, den Saibling aus den baierschen Alpenseen nach Neu- Seeland zu verpflanzen. Sitzungsberichte der k. Akad. d. Wissensch. zu Mün- chen. 4868. p. 300.
. Über die Acclimatisation der Salmoneer in Australien und Neu-Seeland. Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie. Bd. XIX. 4869. p. 349.
. Über die Parthenogenesis der Polistes gallica. Vorläufige Mittheilung im Tage- blatt der Naturforscherversammlung zu Innsbruck. 4869. p. 74, im Auszug, ausführlicher in der entomolog. Zeitung, 4870. p, 239, und in der Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie. Bd. XX. 1870. p. 236.
. Über Paedogenesis der .Strepsipteren im Tageblatt der Naturforscherver- sammlung zu Innsbruck. 4869. p. 445, im Auszug, auch abgedruckt in der entomolog. Zeitung, 4870. p. 242, ausführlicher in der Zeitschrift f. wissen- schaftliche Zoologie. Bd. XX. 1870. p. 243.
. Über die Taubheit bei Bieneneiern. Bienenzeitung. 4874. p. 474.
. Beiträge zur Partbenogenesis der Arthropoden. Leipzig 1874.
. Über Parthenogenesis als Nachtrag zu den Beiträgen. Sitzungsberichte der math. phys. Klasse d, Akademie d. Wiss. in München 1874. p. 232.
. Sulla Partenogenesi del Bombyx Mori, lettera alla Societa Entomologica Ita- liana. Bullettino della Societa Entomol. Ital. Anno III. 487%. p. 441.
. Intorno alla partenogenesi riconosciuta nelle Farfalle da antichi italiani. Ebendas. Ann. IV. 1872. p. 384.
. Mittheilungen über .die Speichelorgane der Bienen. Bienenzeitung 4872. pP. 285.
. Gutachten über den Werth der Goldorfe als Tafelfisch. Cirkulare des deut- schen Fischereivereins im Jahre 14872. p. 4.
Über taube Bieneneier. Zeitschrift f. wiss. Zoologie. Bd. XXIII. 1873. p. 204. Parthenogenesis der Artemia salina. Sitzungsberichte der math. phys. Klasse d. Akademie d. Wiss. in München. 4873. p. 468.
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486.
188.
189,
190.
a9. 192,
193.
494, 195.
197.
187,
196.
B.9:0:0 081
Zusatz zu WıLLemoEs-Suam’s Fauna der Binnenseen auf den Faer-Oeer. Eben- | das. 4873. p. 353.
Nuovi osservazioni sulla partenogenesi del Bombyx Mori. Societa Entomol. Ital. Ann. IV. 1873. p. 271,
Novella lettera sulla partenogenesi delBombyx Mori. Ebendas. 4874, p. 219. Über das Anpassungsvermögen der mit Lungen athmenden Süßwasser- Mollusken. Sitzungsberichte der math,-phys. Klasse d. Akademie d. Wiss. in München. 4875. p. 39. L’Helicopsyche in Italia. VII. 4876. p. 73.
Über Helicopsyche als eine der Schweizer Insektenfauna angehörende Phryganide erkannt, mit Nachschrift, Mittheilung der schweizerischen entomolog. Gesellsch. Bd. IV. 1876. p. 579.
Über die in München gezüchtete Artemia fertilis aus dem großen Salzsee von Utah. Verhandlungen der schweizer Naturforschergesellschaft in Basel 4876,
Dr. RupoLpH von WILLEMOES-SUHM. Nachschrift. Zool. Bd. XXVI. 4876. p. xcı.
Zusatz zu den Mittheilungen über die Verwandlung des Axolotl in Amblystoma (von MARIE v. CHuAuvin). Ebendas. Bd. XXVII. 4876. p. 536. Über die geschlechtlich entwickelten Larven der Urodelen. Bd. XXVIIl. 4877. p. 68.
Über Helicopsyche, mit Nachschrift. Stettiner entomol. Zeitung. 1877. p. 246. Die haarige Familie von Ambros. Archiv für Anthropologie. Bd. X. 1877. p. 253.
La- Helicopsyche agglutinans in Italia. Lettera seconda agli Entomologici italiani. Buttet. della Soc. entom. Ital. Anno X. p, 84. 4878,
L’Helicopsyche in Italia. Bull. Soc. entom. ital. Anno 44, 25. Nov. 4879. Preghiera ai Signori Entomologici italiani risguardante la Psyche apiformis Bull. Soc. Entom. Ital. Anno 43. 4884.
Das Hipparion auf Jahrmärkten. Archiv f. Anthropologie. Bd. XIII. 4884. Zur Naturgeschichte des Aals. Vortrag im Baier, Fischereiverein zu München, 49. Nov. 1884 und 20. Jan. 4882. Erschienen in der baier, Fischereizeitung.
Bullettino della
Bullettino della Societa Entomolog. Italian. Ann.
Zeitschrift f. wissenschaftl.
Ebendas.
IH. Von den Schülern, welche von SIEBOLD gehabt hat, haben
die nachstehenden sich litterarisch bekannt gemacht:
1) aus der Erlanger Zeit: A. von FRANTzIUs, als Naturforscher und Arzt in Costa-Rica thätig, + 1877 in Freiburg i. B.; BAGGE, Verfasser der oben erwähnten Dissertation. 2) aus der Freiburger Zeit: THEODOR BILHARZ, +1862 inKairo als Professor der Anatomie. 3) aus der Breslauer Zeit: FERDINAND ConHn, Professor der Botanik in Breslau ;
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. C
XXXIV
LEWALD, Verfasser der oben erwähnten Dissertation ;
REINHOLD HENSEL, war Professor an der landwirthschaftlichen Akademie in Proskau, 7 1881;
BAUMERT, + 1857 als Professor in Bonn.
4) aus der Münchener Zeit:
GEORG MEISNER, Professor der Physiologie in Göttingen ;
B. KLUNZINGER in Stuttgart;
ERNST EHLERS, Professor der Zoologie und vergleichenden Anatomie in Göttingen ;
ELiAs METSCHNIKOFF, war Professor der Zoologie in Odessa;
R. von WILLEMOES-SUHM, + 1875 auf der Challenger-Expe- dition ;
GEORG SEIDLITZ in Königsberg ;
Ph. von ROUGEMONT, + 1881 als Professor der Zoologie an der Akademie zu Neuchatel;
L. von GRAFF, Professor der Zoologie in Graz;
JUSTUS CARRIERE, Professor der Zoologie in Straßburg;
FRIEDRICH SPANGENBERG, Professor an der Forstakademie in Aschaffenburg;
A. PauLy, Privatdocent in München.
IV. Die sehr zahlreichen und werthvollen Ehrenbezeugungen, welche VON SIEBOLD durch Verleihung von Titeln, Orden, Medaillen, Mitgliedschaften und Doktorwürden erhalten hat, sind im Almanach der königlich baierischen Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1884, p. 130 verzeichnet.
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. Von
A. Kölliker.
In meinem Grundrisse der Entwicklungsgeschichte (2. Aufl. 1884) findet sich auf p. 18 die kurze Angabe, dass die Thatsache, dass der erste Kern des Embryo durch Konjugation eines männlichen und eines weiblichen Kernes entstehe und diese seine hermaphroditische Zu- sammensetzung auch auf alle seine Abkömmlinge übertrage, die ein- zigeHandhabezurErklärung der Vererbung biete.
In demselben Jahre 1884 gelangte das Problem der Vererbung bei
mehreren Autoren zu einer ausführlichen Besprechung und zwar bei
Niezııt, O. Hertwig? und STRASBURGER ® und veranlasst mich dies, meine Anschauungen über diese wichtige Frage ausführlicher vor- zutragen.
Will man die Vererbung erklären, so hat man naturgemäß vom befruchteten Eie auszugehen und die Frage zu beantworten, wie es komme, dass der aus demselben entstehende Embryo dem männlichen und weiblichen Erzeuger gleiche. Vergleicht man nun das, was das Erzeugte von dem einen und andern Erzeuger von Anfang an mit bekömmt, so ergiebt sich ein großer Gegensatz zwischen dem zu- sammengesetzten weiblichen Zeugungsstoffe, dem Eie, und den so sehr einfachen männlichen befruchtenden Elementen, den Samenfäden. Dieser große Unterschied ist aber auf der anderen Seite auch wiederum sehr lehrreich, denn aus der durch neuere Untersuchungen nach- gewiesenen Thatsache, dass ein Samenfaden zur Befruchtung genügt,
1 ©. v. NägeLı, Mechanisch-physiologische Theorie der Abstammungslehre.
. München 1884.
2 O0. Herrwie, Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies, eine Theorie der Vererbung. Jenaische Zeitschr. Bd. XVIII. 4884. 3 E. STRASBURGER, Neue Untersuchungen über den Befruchtungsvorgang bei den
Phanerogamen als Grundlage für eine Theorie der Zeugung. Jena 1884.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 4
3 A. Kölliker,
folgt ja unabweislich, dass in diesen so einfach gebauten Elementar- körpern Alles enthalten ist, was eine Vererbung von Seiten des väter- lichen Organismus ermöglicht. Und von diesem Faktum aus lässt sich wieder ein Schluss auf die von Seiten des Eies aus bei der Vererbung wesentlichen Faktoren ableiten.
Von diesen Erwägungen ausgehend, werden wir daher bei der weiteren Besprechung der Vererbung in erster Linie die Natur der Samenfäden ins Auge fassen, zweitens die Rolle schildern, welche die Samenfäden und Eier bei der Befruchtung spielen, um dann drittens darzulegen, wie die Vererbung durch die bei der Befruchtung wirk- samen Elemente ins Leben tritt.
I. Natur der Samenfäden.
Als ich vor vielen Jahren in meiner der Züricher philosophischen Fakultät vorgelegten Dissertation! zum ersten Male entschieden die beweglichen Elemente des Sperma für Elementartheile erklärte, glaubte ich dieselben für umgewandelte Zellen oder Produkte von sol- chen halten zu dürfen und stellte sie dem Eie als gleichwerthige Ge- bilde an die Seite. Weitere Untersuchungen lehrten mich dann, dass die Samenfäden der Säugethiere so sich bilden, dass die Kerne der Samenzellen allein auswachsen und sowohl den Körper als auch den beweglichen Faden der Samenfäden erzeugen und stellte ich, gestützt auf weitere Erfahrungen bei Wirbeithieren und Wirbellosen den Satz auf, dass die Samenfädenaller Thiere dieBedeutungvon Kernen haben?. Diese meine Darstellung wurde wenigstens in so fern angenommen, als die Mehrzahl der späteren Beobachter zugab, dass die Körper der Samenfäden aus Kernen hervorgehen, eben so allgemein trat aber auch das Bestreben auf, die Fäden selbst aus dem Inhalte der Samenzellen (den Spermatocyten von LA VALETTE) abzu- ieiten und somit die Samenfäden im Ganzen als umgewandelte Zellen zu deuten. Ich erklärte jedoch diese Auffassung nicht theilen zu kön- nen und legte in der 5. Auflage meiner Gewebelehre 1867, p. 534 und Fig. 383 neue Schilderungen und Abbildungen über die Entwicklung der Samenfäden des Stieres vor, aus denen hervorgeht, dass die Kerne der Bildungszellen derselben mit ihrem größeren Abschnitte den Kör- per der Samenfäden und aus einem Theile ihres Inneren, d.h. des
1 Beiträge zur Kenntnis der Geschlechtsverhältnisse und der Samenflüssigkeit wirbelloser Thiere, nebst einem Versuch über das Wesen und die Bedeutung der sogenannten Samenthiere. Berlin 1844.
2 Physiol. Studien über die Samenflüssigkeit. Diese Zeitschr. 4856. Bd. VI. p- 204.
Die Bedeutung der Zelienkerne für die Vorgänge der Vererbung. 3
Kernsaftes, den Faden erzeugen. Diese meine letzten Darstellungen halte ich vor Allem für die Säuger, aber auch für viele anderen Ge- schöpfe, auch neueren abweichenden Beschreibungen gegenüber, auf- recht (s. Entwicklungsgeschichte, 2. Aufl., 1879, 'p. 4008 und Grund- riss der Entw., 2. Aufl., 1884, p. 19), ohne jedoch behaupten zu wollen, dass die Samenfäden und Samenelemente bei keinem Ge- schöpfe den Werth von Zellen haben. Zellen gleichwerthig sind auf jeden Fall die Samenkörper der Nematoden, wahrscheinlich auch die der höheren Kruster und möglicherweise nochmanche andere. Für die Lehre von der Bedeutung der Samenelemente istjedoch, wie man leich! einsieht, die Frage nicht die, ob gewisse derselben Zellen entsprechen, vielmehr ist das Hauptgewicht darauf zu legen, dass es Samenfäden giebt, die nichts als Kerne sind, woraus dann weiter mit Wahrschein- lichkeit folgt, dass auch bei den anderen der Kern die Hauptrolle spielt.
Bei der physiologischen Wichtigkeit, der Frage nach der Bedeutung der Samenfäden, führe ich noch die Thatsachen an, die als ausschlag- gebend erscheinen.
Erstens habe ich das allmähliche Auftreten des Fadens und sein Heranwachsen an den isolirten Kernen der Samenbildungszellen beob- achtet (Diese Zeitschr., Bd. VII, Taf. XV, Fig. 4, 6, 7, 8,9; Handb. d. Gewebelehre, 4. Aufl., Fig. 275, 5. Aufl., Fig. 382, 383).
Zweitens findet man in gewissen Fällen die Samenfäden ein- zeln innerhalb ihrer Bildungszellen aufgerollt (s. die vorhin ange- führte Tafel und die Figuren), woraus auf jeden Fall so viel hervorgeht, dass die Fäden derselben nicht Wimperhaaren verglichen werden können, wie dies versucht worden ist.
Drittens entstehen in vielen Fällen die Samenfäden zu vielen innerhalb einerZelle, in den von mir sogenannten vielkernigen Samen- cysten oder den Spermatogemmen von La VALETTE. In diesem Falle ist nicht einzusehen, wie der Inhalt dieser Mutterzellen an der Bildung der Fäden der 10—20 in ihnen entstehenden Samenfäden sich bethei- . ligen sollte.
Ich füge nun noch bei, dass überhaupt noch Niemand irgend eine bestimmte Angabe über die Art und Weise gemacht hat, wie die hypothe- tisch aus dem Samenzellenprotoplasma selbständig entstehenden Mittel- stücke und Fäden sich bilden und mit dem Kern sich vereinigen, so wie dass eine solche Entstehung einheitlicher beweglicher Elementar- theile, wie die Samenfäden sie darstellen, aus zwei verwachsenden Bildungscentren außer aller Analogie wäre. Folgt man meiner Auf- fassung, so ergiebt sich ein leichtes Verständnis vieler neueren Unter- suchungen über die Samenflüssigkeit, wie namentlich der ausgezeich-
4*
4 A. Kölliker,
neten Beobachtungen von LA VALETTE, mit dem ich sonst in allen wesent- lichen Punkten übereinstimme. Auch die schönen Erfahrungen von HERRMANN (Journ. d’Anat. et dePhys. 1882) würden leicht verständlich, wenn man annähme, dass Fäden und Mittelstück der Samenfäden nicht »par genese« in den Samenbildungszellen und im Protoplasma der Mutterzelle derselben entstehen, sondern aus den Kernen der ersteren auswachsen, und dass später das Protoplasma der Spermatocyten ver- geht. Dasselbe gilt von den trefllichen Beobachtungen von O. J. JENSEN (Arch. de Biol. IV), der über die Bildung der Fäden auch nicht ins Reine gekommen ist und dessen Fig. 45 Taf. XXI nicht das beweist, was sie beweisen sollte. Am meisten stimmen mit meinen Erfahrungen die neuen sorgfältigen Untersuchungen von Mıx von Brunn über die Samen- körper der Paludina vivipara!, denen zufolge die Samenkörper ganz und gar aus Kernen hervorgehen, außerdem aber noch eine proto- plasmatische Hülle von der Bildungszelle der Samenfäden erhalten. Eine solche Umhüllung entwickelt sich unstreitig in manchen Fällen um die Kerne und hat die irrige Annahme erzeugt, dass ein Theil der Samenfäden aus den Samenzellen (Spermatocyten) entstehe. Nach meinen Erfahrungen ist jedoch diese Bildung ganz unwesentlich und auch an reifen Samenfäden häufig nicht mehr vorhanden.
Die befruchtenden Elemente der Pflanzen scheinen, da wo sie in der Form von beweglichen Samenkörpern auftreten, vielleicht allge- mein die Bedeutung von Zellen zu haben, wenn auch, wie STRASBURGER hervorhebt, das Zellenprotoplasma oft so reduceirt ist, dass der Kern bei Weitem den Hauptantheil derselben bildet. Bei den Phanerogamen dagegen, denen Spermatozoen fehlen, sind nach desselben Autors neue- sten Untersuchungen (l. s. ec.) die befruchtenden Elemente einfache in den Pollenschläuchen entstehende sogenannte »generative« Kerne.
II. Verhalten der Samenkörper und Eier bei der Befruchtung.
Seit BürschLı zuerst im Jahre 18722 im befruchteten Eie von Rhab- ditis dolichura zwei Kerne wahrnahm, die durch ihre Verschmelzung den ersten Kern des Embryo bilden, sind die im Eidotter bei der Be- fruchtung sich abspielenden Vorgänge der Gegenstand vieler und sorgfältiger Untersuchungen gewesen, unter denen vor Allem die von
! Unters. ü. d. doppelte Form der Samenkörper von Paludina vivipara. Leipzig. Dissert. Bonn 4884.
2 Beitr. z. Kenntn. der freilebenden Nematoden. in: Nova acta. Bd. XXXVI. 41873.
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Die Bedentung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 5
O. Herrwis, For und E. v. BEnEDEn als bahnbrechend hervorgehoben zu werden verdienen !.
Wie die Sachen jetzt liegen, wird von allen Beobachtern, mit ein- ziger Ausnahme von A. Schneider ?, angenommen, dass die Samenkörper bei der Befruchtung in den Dotter eindringen, hier mit Theilen des Keimbläschens sich vereinigen und den ersten Kern des werdenden Geschöpfes erzeugen. In Betreff mancher Einzelnheiten und selbst wichtiger Punkte stimmen dagegen die Beobachter nicht überein und wird es nöthig dieselben der Reihe nach zu besprechen.
a) Welcher Theil der Samenkörper ist der befruch- tende?
Bei Beantwortung dieser Frage muss zwischen den eigentlichen Samenfäden und den Samenkörpern unterschieden werden. Für die Samenfäden steht es fest, dass dieselben mit dem Körper in den Dotter eindringen, dagegen ist das Schicksal ihrer beweglichen Fäden nicht mit Sicherheit ermittelt. Da das Eindringen der Samenfädenkörper in denDotter auf der Thätigkeit ihrer Fäden beruht, so ist es als sehr wahr- scheinlich zu bezeichnen, dass die Fäden mit eindringen, eben so nahe liegt es aber auch anzunehmen, dass dieselben imDotter sich auflösen, da von denselben später nichts mehr wahrzunehmen ist. Der zur Ver- bindung mit dem Eikern gelangende Theil des Samenfadens würde somit nur der Körper sein, welcher auch von den Autoren, die die Samenfäden für umgewandelte Zellen halten, von dem Kerne ihrer Bildungszellen abgeleitet wird.
Was die Samenkörperchen anlangt, so besitzen wir nur über die- jenigen der Nematoden genauere Erfahrungen. Nach E. v. BENEDEN geht bei Ascaris megalocephala nicht nur der chromatische Kern der Samenkörperchen, sondern auch eine achromatische Lage (Zone pe- rinucl&aire) , die denselben umgiebt, in die Bildung 'des männlichen Vorkernes ein (l. c. Archives p. 549 ff.). Über die Entstehung und Abstammung dieser Zone vermisst man bestimmte Angaben, dagegen spricht sich E. v. BENEDEN ganz entschieden dafür aus, dass der Proto- plasmakörper der Samenkörperchen (diese als einer Zelle gleichwerthig aufgefasst) bei derBildung des männlichen Vorkernes keineRolle spiele und auch sonst für die Befruchtung keine wesentliche Bedeutung zu haben scheine (l. c. p. 520 und 524). Mit dieser Darstellung stimmt
1 InBetreff desGeschichtlichen verweise ich auf die Darstellung von O. Herrwiıc 1.c. p. 19 und E. v. BENEDEN p. 49 ff. in Rech. sur la maturation de l’oeuf, la Fecondation et la division cellulaire. Gand 1883. Auch in den Arch, d. Biol. IV. p- 95 u. 265. 2 A, ScHNEIDER, Das Ei und seine Befruchtung. Breslau 1883.
6 | A. Kölliker,
Nusssaum im Wesentlichen überein (Über die Veränderungen der Ge- schlechtsprodukte bis zur Eifurchung; ein Beitrag zur Lehre der Ver- erbung im Arch. f. mikr. Anat. 1884. Bd. XXIII. p. 171. f.), nur
kennt er keine bei der Bildung des Spermakernes betheiligte achro- -
matische Lage.
b) Verhalten der Keimbläschenbei der Befruchtung.
Alle neueren Untersuchungen stimmen darin überein, dass die Keimbläschen oder die Kerne der Eier vor ihrer Betheiligung bei der Befruchtung sich gewisser Bestandtheile entledigen, welche nichts Anderes sind, als die längst bekannten Polkörperchen. Diese Um- gestaltung geschieht unter Erscheinungen, welche an die indirekte Kerntheilung erinnern, ohne mit derselben ganz übereinzustimmen und wiederholt sich, wie es scheint, typisch zweimal an jedem Keim- bläschen, so dass bei der zweiten Theilung einmal das zweite Polkörper- chen und zweitens der bleibende Eikern oder weibliche Vorkern ent- steht. Ob die Polkörperchen die Bedeutung von Zellen haben (O. Heri- wie) oder von Kernen (E. v. BEnEDEN), was mir wahrscheinlicher vorkommt, ist für die Lehre von der Befruchtung von geringerer Be- deutung, wichtiger dagegen wäre es, wenn sich die Annahme von E.v. BENEDEN bei Ascaris bestätigen sollte, dass die chromatische Substanz des Eikernes ganz und gar vom Nucleolus des Keimbläschens abstammt, der aus diesem Grunde von den gewöhnlichen Kernkörperchen unterschie- den wird.
ec) Zusammentreffen der Samenkerne und Eikerne, Befruchtung. |
Mit O. Herrwıg nehmen die meisten Autoren an, dass der Sperma- kern und der Eikern unter einander verschmelzen und dass in Folge dieser »Konjugation« der erste Kern des Embryo (der Furchungskern, Ö. Herrwis) entstehe. Anders E. v. Bentpen, der vor Allem bei Ascaris megalocephala eine solche Verschmelzung bestreitet und auch beim Kaninchen dieselbe bezweifelt. Bei der Ascaris lässt E. v. BENEDEN den Eikern und den Spermakern unverschmolzen in die erste Theilung des Dotters eingehen in der Art, dass vor der ersten Abschnürung des Dotiers jeder der beiden Kerne zwei chromatische Schleifen bildet. Hierauf spalten sich diese vier Schleifen alle der Länge nach in der Art, dass bei der neu eintretenden Theilung des Dotters in zwei Hälften jeder Kern derselben die Hälfte der Schleifen des männlichen und des weiblichen Vorkernes aufnimmt. Somit entsteht nach v. BEnEDEN in keinem Stadium der ersten Dotter- theilung eine Verschmelzung der männlichen und weiblichen chroma- tischen. Substanz und wenn überhaupt je eine solche Verschmelzung
| \ |
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 7
vorkomme, so könnte dieselbe nur in den Kernen der beiden ersten Furchungskugeln stattfinden; doch seien Gründe für die Annahme vor- handen, dass selbst in diesen Kernen die männliche chromatische Substanz von der weiblichen geschieden sich erhalte. Der Endschluss von E. v. BEnEDEN, dass die Befruchtung somit nicht in einer Konju- gation eines männlichen und eines weiblichen Vorkernes bestehe, ist so wiehtig, dass es sich wohl der Mühe verlohnt, die Grundlagen des- selben genau zu prüfen.
Hier ist nun in erster Linie zu bemerken, dass M. Nussgaum an demselben Objekte, wie E. v. BEnEDEn, eine Verschmelzung desSperma- kernes und Eikernes beschreibt und abbildet (l. c. Fig. 40) und ferner in vollem Gegensatze zu E. v. BeEnepen die chromatische Substanz in dem einfachen Furchungskerne in erster Linie als einen zusammen- hängenden Faden schildert (Fig. 41, 42), der erst sekundär in vier Schleifen zerfällt (Fig. 43, 44, 45), die dann nochmals der Länge nach sich spalten, bevor die erste Theilung des Dotters beginnt. Auch bei Leptodora nigrovenosa sah M. Nusspaum die Verschmelzung des Sperma- und Eikernes und die weiteren Veränderungen der vereinigten Kerne in derselben Weise wie bei der Ascaris des Pferdes (l. e. p. 173). — Wie stimmen nun diese Erfahrungen mit;denen von E. v. BENEDEN? Ohne eigene Erfahrungen über Ascaris zu besitzen, ist es mir natürlich un- möglich, einebestimmteEntscheidung abzugeben, immerhin glaube ich Folgendes weiteren Beobachtern zur Würdigung unterstellen zu dürfen.
Die Angaben von E. v. BENEDEN erwecken durch die weit ins Einzelne gehenden Beschreibungen und durch die bei starken Ver- größerungen dargestellten Objekte von vorn herein ein günstiges Vorurtheil, das durch die ganze Haltung der Darstellung und die nicht zu bezweifelnde Sorgfalt der Untersuchung nur verstärkt wird. Nichts- destoweniger geben die Schlüsse und Beobachtungen dieses Forschers zu gewissen Bedenken Veranlassung, die ich im Interesse einer spä- teren Entscheidung nicht unterdrücken möchte. Vor Allem hebe ich her- vor, dass, obschon E. v. BEnEDEN eine Verschmelzung des Eikernes und des Spermakernes leugnet, er dieselben doch in seinen Fig. 20—25 auf Taf. XIX bis und in den Fig. 3, 5—9 auf Taf. XIX ter vereinigt zeichnet. Wenn ferner E. v. BEnEDEn behauptet, dass von den vier, durch Spaltung der ursprünglichen zwei entstandenen chromatischen Schleifen einesjeden dieser Kerne die eine Hälfte in den einen Kern der ersten ‚zwei Furchungskugeln, die andere Hälfte in den anderen Kern über- gehe, so ist doch klar, dass jeder dieser Kerne durch Vereinigung eines halben Eikernes und eines halben Spermakernes entstehen muss und
wird auch von dieser Seite eine andere Deutung der Beobachtungen
g A, Kölliker,
dieses Autors möglich. Und zwar scheint mir die Annahme gestattet, dass wenigstens die achromatischen Theile des Ei- und Spermakernes mit einander verschmelzen und dannin dem einfachen ersten Furchungs- kerne bei seiner Theilung die chromatischen Fäden so-sich sondern, dass jede Hälfte zwei männliche und zwei weibliche Schleifen erhält.
Für die weitere Vermuthung E. v. BENEDEn’s, dass auch in diesen Kernen der beiden ersten Furchungskugeln die männliche und weibliche Chromatinsubstanz sich gesondert erhalte, sprechen keine direkten Beobachtungen, vielmehr geht aus E. v. Benepen’s Darstellung dieser Kerne (Fig. 14—13 auf Taf. XIX ter) gerade umgekehrt hervor, dass eine Verschmelzung der beiderlei Chromatinschleifen eintritt. Somit wird auch die weitere Vermuthung dieses Autors (p. 620) hinfällig, dass auch in allen den späteren Kernen die männliche und weibliche Chromatinsubstanz sich getrennt erhalte.
Da im Gebiete des Thierreiches über die feineren Vorgänge bei der Befruchtung noch mehrfach abweichende Anschauungen herrschen, so wird es von Wichtigkeit, auch bei den Pflanzen Umschau zu halten. Hier tritt uns aus neuester Zeit die wichtige Arbeit von E. StRASBURGER (1. s. c.) entgegen, der, auf eingehende Untersuchungen vieler Phanero- gamen gestützt, zu folgenden allgemeinen Sätzen gelangte (p. 77):
»A) Der Befruchtungsvorgang beruht auf der Kopulation des in das Ei eingeführten Spermakernes mit dem Eikern, ein Satz, der zuerst scharf von O. Herrwıc formulirt wurde.
2) Das Gytoplasma ist an dem Befruchtungsvorgang nicht be- theiligt. |
3) Der Spermakern wie der Eikern sind echte Zellkerne.«
Zu diesen Sätzen gehören noch folgende Erläuterungen:
ad 1 hat Strasgurger keine Beobachtungen darüber aufzuweisen, wie die Kerngerüste der beiden verschmelzenden pflanzlichen Be- fruchtungskerne sich verhalten, ob dieselben sich vereinigen oder nicht (p. 87, 88), und ist daher auf seinen Anschluss an die Anschauungen von E. v. BEnEDEn kein entscheidendes Gewicht zu legen.
ad 3 erscheint es von Wichtigkeit, dass STRASBURGER nachge- wiesen hat, dass die generativen Zellenkerne in den Pollenschläuchen eben so wie dieEikerne durch indirekte Theilung aus genuinen Mutter- kernen hervorgehen.
ad 2 endlich ist entscheidend, dass bei den Phanerogamen nur die befruchtenden Pollenkerne ohne Cytoplasma in die Eizelle einge- führt werden.
Auf die Befruchtungsvorgänge bei den niederen Pflanzen einzu- gehen, liegt kein Grund vor, da dieselben nach manchen Seiten noch
EP le a a ne de a ge nn
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 9
nicht hinreichend erforscht sind, immerhin lässt sich schon jetzt so viel sagen, dass von denselben keine Thatsache bekannt ist, welche dem Satze direkt widerspricht, zu dem die Erfahrungen bei den Phanero- gamen und den Thieren führen, denen zufolge dieselbe auf die Vereinigung eines männlichen und eines weiblichen Kernes zurückzu- führen ist.
Zum Schlusse ist nun noch eine Hypothese zu besprechen, die für (die Auffassung der Vorgänge der Befruchtung von Wichtigkeit ist, die nämlich, ob die befruchtenden Zellenkerne den Werth gewöhnlicher Zellenkerne haben, oder als Nuclei eigener Art anzusehen sind. Be- kanntlich haben Minor!, BaLrour und E. v. BENEDEN (l. c. p. 319, 395) diese Frage zuerst besprochen und hat dieselbe dann in der Hand des letztgenannten Autors sich zur Hypothese entwickelt, dass die gewöhn- lichen Zellenkerne alle hermaphroditisch seien und dass der Eikern, um sich zur Zeugung tauglich zu machen, sich erst seiner männlichen Bestandtheile entledige und der Spermakern seiner weiblichen Elemente. Erst durch das Zusammentreffen des specifisch weiblichen und speeifisch männlichen Kernes in der Eizelle komme dann die Befruchtung zu Stande, mit anderen Worten die Fähigkeit der Eizelle, sich zu einem neuen Organismus zu entwickeln. Beim Eikerne lassen sich die Pol- körperchen als männliche Elemente auffassen,, die, bevor derselbe zur Befruchtung tauglich wird, ausgestoßen werden und bei den Samen- körperchen der Ascaris megalocephala betrachtet v. BEnEDen den Theil der Samenbildungszellen, den er mit Jensen Portion cytophorale nennt (l. ec. p. 528, Taf. XIXter Fig. 18, 19, 20), als den zur Ausscheidung bestimmten Abschnitt. In einer neuesten Arbeit von JuLın und E. v. BEn£Den (Bull. d. l’Acad. d. Belg. VII. 1884, p. 312—342) werden neben dem erwähnten Vorgange auch. noch Erscheinungen an den Bildungszellen der Spermatogonien (Spermatomeres J. et v. B.) be- schrieben, welche mit der Ausstoßung der Polkörperchen verglichen werden, so dass somit hier die Ausstoßung des weiblichen Kern- elementes an zwei verschiedenen Zellenarten auftreten würde.
Dies das Wesentliche der neuesten Angaben, über welche ein be- stimmtes Urtheil abzugeben sicherlich nicht leicht ist. In Betreff der Globules polaires stehen sich die Angaben E. v. BEnEDEN’s und aller anderer Autoren (BürscauLı, O. Herrwis, For, Mark, FLemming) gegenüber. Letztere lassen bei der Entstehung derselben das Keimbläschen durch gewöhnliche indirekte Theilung sich spalten, was zur Folge haben müsste, dass beide Hälften gleichwerthige Stücke der chromatischen Kernsubstanz enthalten, während E. v. BEnepden bei Ascaris eine Längs-
1 Proc. Bost. Soc. XIX. 4877. p.165—471 und Amer, Naturalist, 1880. p. 96 fi.
20: A. Kölliker,
theilung parallel der Achse der Kernspindel annimmt, die allerdings differente Theile in die Polkörperchen und den im Dotter verbleibenden Rest des Keimbläschens, dorthin männliche und dahin weibliche chromatische Substanz bringen könnte. Sind nun auch die Abbildungen und Beschreibungen von E. v. BEenepen sehr anschaulich und bestimmt, so glaube ich doch einigen Bedenken Ausdruck geben zu dürfen. Fürs Erste möchte ich die Frage aufwerfen, wodurch bewiesen wird, dass bei einer Längstheilung der äquatorialen Kernplatte männliche Elemente auf die eine und weibliche auf die andere Hälfte fallen, indem eben so gut eine hermaphroditische Vertheilung denkbar ist. Zweitens muss bei näherer Überlegung Folgendes gerechte Zweifel erwecken. Wenn bei der Bildung desersten Polkörperchens dasselbe die Hälfte der chromatischen Substanz desKeimbläschens aufnimmt und diese männlich ist, was soll dann die Ausstoßung weiterer Theile des Keimbläschens bei der Bildung des zweiten Polkörperchens für eine Bedeutung haben? Drittens ist es unzweifelhaft, dass bei der Bildung der Samenfäden vieler Thiere der Kern der Samenbildungszellen oder Spermatocyten ganz und gar in die Bildung der Samenfäden aufgeht und keinen Theil ausstößt oder verliert. Viertens endlich sind Polkörperchen lange nicht bei allen Thieren beobachtet und finden sich auch kei vielen Pflanzen keinerlei Erscheinungen, die die Hypothese von E. v. BENEDEN zu unterstützen geeignet wären, in welcher Beziehung STRASBURGER’S Abhandlung (p. 91 ff.) zu vergleichen ist. |
Diesen Gründen, die auf das Thatsächliche sich beziehen, reihe ich nun noch einen allgemeinen an, den STRASBURGER zuerst betont hat. Der Eikern überträgt nicht bloß Eigenschaften der weiblichen Vor- fahren der Mutter auf das Erzeugte, sondern auch der männlichen und eben so der Spermakern. Wenn somit das Kind dem Vater der Mutter oder der Mutter des Vaters ähnlich sein kann, so muss sowohl der Eikern als der Spermakern hermaphroditisch sein und fällt die obige Hypothese in nichts zusammen.
Ich erlaube mir eine andere Vermuthung an die Stelle derselben zu setzen, nämlich die, dass durch die Entfernung gewisser Bestandtheile des Keimbläschens die unverhältnismäßige Größe des weiblichen Be- fruchtungskernes gemindert und das Idioplasma beider Kerne an- nähernd auf dasselbe Maß gebracht wird.
II. Die Vererbung und die Rolle, welche die bei der Befruchtung wirksamen Elemente bei derselben spielen.
Wir sind in den vorausgegangenen Darlegungen zu demErgebnisse gekommen, dass die Befruchtung durch das Zusammenwirken von ge-
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 14
formten Elementen zu Stande kommt, die beim männlichen und weib- lichen Organismus die Bedeutung von Kernen haben. Sollte sich nun noch zeigen lassen, dass diese zeugenden Kerne auch die Elementar- organe sind, von denen die Vererbung der Eigenschaften der Erzeuger auf das Erzeugte abhängt, so würde durch einen solchen Nachweis die Bedeutung der Zellenkerne in ein ganz anderes Licht treten, als die meisten Forscher bisher annahmen. Denn seit den Arbeiten von Monı und NäezLı im Gebiete der Botanik und denen von E. Brücke, Max ScuuLtze und LioneL BEALE hatte man sich, wenigstensin der thierischen Histologie, gewöhnt, die Zellsubstanz, das Protoplasma, als den Haupt- theil der Zellen anzusehen und den Zellenkernen nur eine unter- geordnete Bedeutung zuzuschreiben. War doch Brücke so weit ge- gangen, zu sagen, dass nicht gezeigt sei, dass die Kerne wesentliche Bestandtheile der Zellen darstellen und dass kein unumstößlicher Beweis dafür vorliege, dass dieselben, wo sie sich finden, bei der Fortpflanzung der Zellen eine wichtige Rolle spielen. In vollem Gegensatze hierzu habe ich, wie ich ©. Herrwıc gegenüber (l. e.p. 34) hervorzuheben mir erlaube, in allen Auflagen meiner Gewebelehre die große Bedeutung der Kerne für die Vermehrung und Theilung der Zellen hervorgehoben und ihnen auch einen wesentlichen Einfluss auf den Stoffwechsel und das Wachsthum der Elementartheile zugeschrie- ben. Schon im Jahre 1867 habe ich ferner (Gewebelehre 5. Aufl. p. 37) aus dem Verhalten der Kerne gegen Karmin und gestützt auf die Be- deutung der aus Kernen hervorgehenden Samenfäden für die Befruch- tung auf einen lebhaften Stoffwechsel in denselben geschlossen und die Vermuthung ausgesprochen, dass der Kerninhalt vielleicht eine besondere Anziehung für den Sauerstoff besitze und hierdurch seine weitere Wirkung entfalte.
Für mich war es daher in keiner Weise überraschend, als die neuen Forschungen im Gebiete der Zeugungslehre dem Kerne der Ei- zellen eine hervorragende Bedeutung gaben und eine Vereinigung je eines Eikernes mit je einem Samenfaden als wesentlichster Vorgang bei der Befruchtung nachgewiesen wurde. Selbstverständlich musste nun auch die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Zellenkerne für die Vererbung gelenkt werden (s. m. Grundriss der Entw. 2. Aufl. p- 18), denn wenn auch schon vor vielen Jahren von mir ausgesprochen worden war (Beitr. z. Kenntnisd. Geschlechtsverhältnisse und derSamen- llüssigkeit wirbellos. Thiere. Berlin 1841. p. 83), dass die Samen- fäden Elementartheile sind, welche die Eigenschaften des väterlichen Organismus auf das Erzeugte vererben, so konnte doch diese That- sache so lange nicht zu einer bestimmten Hypothese verwendet wer-
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den, als man nicht wusste, dass die Samenfäden in das Ei eindringen und mit geformten Theilen in die Bildung des ersten embryonalen Kernes eingehen.
So nahe es nun auch denjenigen Forschern, die mit der ersten Entwicklung der pflanzlichen und thierischen Organismen sich be- schäftigten, lag, auch die Frage der Vererbung heranzuziehen, so sind doch sie nicht die ersten, welche an dieses schwierige Gebiet sich heranwagten, vielmehr gebührt C. v. Näseriı das Verdienst, das- selbe zuerst in mustergültiger und erschöpfender Weise bearbeitet zu haben, worauf dann die mehr auf embryologischer Basis stehenden Betrachtungen und Auseinandersetzungen von O. HerrwIc und Stras- BURGER folgten (l. 1. s. c. c.). Mit diesem Ausspruche bin ich übrigens nicht gemeint, die zum Theil mehr aphoristischen, z. Theil ausführ- licheren Darlegungen früherer Forscher auf diesem Gebiete, wie die von E. Hıeerer (Generelle Morphologie), Darwın (Theorie der Pange- nesis), Nusssaum1, Weismann?, Hensen®, Hıs®, Prrücer5 u. A. hintan- zusetzen, wenn auch keine derselben zu einem klaren Bilde über die Vererbung geführt hat.
Näszui geht bei seinen Betrachtungen von denSamenfäden und der Eizelle aus und kommt in richtiger Würdigung der Thatsache , dass die im Verhältnisse zu der Eizelle so winzigen Samenfäden die Eigen- schaften des männlichen Organismus auf das Erzeugte übertragen, und dass dieses in der Regel gleichviel von beiden Erzeugern an sich habe, zum Schlusse, zu dem Sıcas schon im Jahre i882 gelangt war (Physiol. p. 439 ff.), dass auch die Eizelle nicht mit ihrem gesammten Inhalte, sondern nur mit einem minimalen Theile desselben an den Vererbungserscheinungen sich betheilige. Diese in den Samenfäden und in dem Eie befindliche Substanz nennt NäszLı Idioplasma und stellt derselben das Ernährungsplasma gegenüber, welches den Verkehr der Organismen mit der Außenwelt vermittle und keine maß- gebende Einwirkung auf die Formbildung habe, 'die allein dem Idio- plasma unterstellt sei. In welchen Theilen des späteren ausgebildeten
! M.Nusssaum, ZurDifferenzirung des Geschlechtes im Thierreiche. in: Archiv für mikr. Anat. Bd. XVIII. 4880. p. 4. — Über die Veränderung der Geschlechts- produkte bis zur Eifurchung, ein Beitrag zur Lehre der Vererbung. Ebenda Bd. XXI. 4884. p. 455.
2 Über die Vererbung. Jena 1883.
3 V. HEnsen, Physiologie der Zeugung. in: Hermann’s Handb. d. Physiologie. Bd. VI, Hft. 2. 1884.
* W. Hıs, Unsere Körperform. 1874. p. 130 ff.
5 E. PrLüczr, Untersuchungen über Bastardirung der anuren Batrachier und die Prineipien der Zeugung. Bonn 1883.
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 13
Organismus das Idioplasma zu suchen sei, darüber spricht sich Näczıı nicht aus, doch stellt er sich dasselbe als eine den ganzen Organis- mus durchziehende und netzförmig zusammenhängende Substanz vor und ist der Meinung (p. 44), dass der in Pflanzenzellen so häufig vorkommenden netzförmigen Anordnung des Plasmas und der netzför- migen Beschaffenheit der Kernsubstanz wahrscheinlich das Idioplasma- netz zu Grunde liege. Weiter denkt sich NisrLı das Idioplasma als eine eher feste Substanz mit ganz bestimmter Anordnung ihrer klein- sten Theilchen (Micelle, NäceLı), welche durch ihre Wechselwirkung mit dem Ernährungsplasma und der Außenwelt nach ganz bestimmten Gesetzen aus dem befruchteten Eie den gesammten Organismus er- zeuge und die einfacheren Organismen, inFolge einer ihr innewohnen- den Tendenz zu immer größerer Vervollkommnung, zu immer neuen zusammengesetzteren Formen bringe.
Diese in kurzen Zügen geschilderte Hypothese verdient meiner Überzeugung nach die größte Beachtung und erscheint in ihren Grund- gedanken unanfechtbar, in so fern dieselbe als formbildendes Element der Organismen eine Substanz von ganz bestimmtem Baue statuirt, die durch ihre Wechselwirkung mit der Außenwelt in gesetzmäßiger Weise sich vermehrt und umbildet und ist durch diese Aufstellung zum ersten Male an die Stelle von unbewiesenen Hypothesen und un- bestimmten, vagen Andeutungen eine klare, an die Thatsachen sich anlehnende Hypothese getreten, deren weiterer Ausbau zu großen Er- wartungen berechtigt. In so weit glaube ich mich entschieden auf die Seite meines alten Studiengenossen und Freundes stellen zu dürfen, was dagegen die Einzelnheiten von NäceLr's Darstellungen über den Bau der idioplastischen Substanz betrifft, so scheinen mir dieselben nicht alle Möglichkeiten zu erschöpfen, doch fühle ich keinen Beruf, ‚auf eine Besprechung dieser Frage einzugehen, die unstreitig zu den allerschwierigsten gehört. Wohl aber möchte ich einen anderen Punkt nicht übergehen, der mir die Angel zu sein scheint, um die das Ganze sich dreht, die Frage nämlich nach dem Sitze der idioplastischen Sub- stanz in den Organismen und in ihren Elementartheilen und nach der Art und Weise ihrer Wirkung bei den Gestaltungsvorgängen. Bei aller Anerkennung der geistvollen Auseinandersetzungen NäGEL!’'s em- pfindet man doch am Schlusse seiner Darstellungen einen gewissen Mangel in so fern, als einem so zu sagen nichts in den Händen bleibt, womit man weiter bauen könnte und man umsonst sich vorzustellen versucht, wo nun die idioplastische Substanz eigentlich ihren Sitz habe und wie sie an der Gestaltung sich betheilige. Mir will es nun schei- nen, dass ein weiterer Ausbau der Näszır’schen Hypothese nach den
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angegebenen Seiten nicht unmöglich ist und erlaube ich mir im Fol- genden dies ausführlicher aus einander zu setzen.
Wie wir oben sahen, führen alle neueren embryologischen Unter- suchungen zu der Annahme, dass die Befruchtung von Zellenkernen ausgehe und dass somit auch die Vererbung an die Nuclei gebunden sei. Es erscheint daher sicherlich nicht als unberechtigt, die Frage aufzuwerfen, ob eine Umgestaltung der Näczırsche Hypothese vom Idioplasma in diesem Sinne gestattet sei, oder ob eine Nöthigung vor- liege, dasselbe als eine im ganzen Organismus verbreitete und zu- sammenhängende Substanz aufzufassen. Von den anderen Autoren, die nach Näserı über die Frage der Vererbung sich geäußert haben, spricht O. Herrwie (l. s. c.) auf Grund der embryologischen Thatsachen und mit voller Kenntnis der Anschauungen von Näcerı sich dahin aus, dass die Vererbung einzig und allein an die Zellenkerne gebunden sei, während SrrassurgEr zwar das eigentliche Idioplasma in die Kerne ver- legt, daneben abernocheinIdioplasma, ich möchte sagen zweiter Klasse, im Zelleninhalte statuirt und als Cyto-Idioplasma dem Karyo-Idio- plasma! an die Seite stellt. Mich selbst hat eine reifliche Erwägung aller Verhältnisse zu derselben Annahme wie O. Herrwıc geführt und will ich mich nun dem Versuche unterziehen zu zeigen, dass derselben eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen ist.
Das Idioplasma im Näser’schen Sinne aufgefasst, ist diejenige Sub- stanzin den Organismen, von welcher jeglichetypische Formbildungaus- geht und von der es abhängt, dass das Erzeugte nicht nur das Wesent- liche der Gestalten der Erzeuger, sondern auch feine und feinste Einzeln- heiten derselben ®wiederholt. HatdieAnnahme, dass die Kerne dermänn- lichen und weiblichen Zeugungselemente die Vermittler der Vererbung sind, Berechtigung, so muss sich folgerichtig auch zeigen lassen, dass und wie deraus der Vereinigung der zeugenden Kerne hervorgegangene erste Embryonalkern und seine Abkömmlinge die Triebfedern sind, von welchen die gesammte typische Entwicklung der Einzelwesen ab- hängt. Ein soleher Nachweis ist bis jetzt weder von O. Herrwıc noch von STRASBURGER, noch von sonst Jemand gegeben worden und sind
1 Die Namen »Nucleo-idioplasma«, »Nucleoplasma«, die an das berüchtigte »Tendilemma« eines med. Autors sich anschließen, sind leicht zu vermeiden.
2 In einer eben (10. Februar 4885) erhaltenen Arbeit von G. Borx (Über den Einfluss derSchwere aufdasFroschei. in: Archiv für mikr.Anat. Bd. XXIV. p.475) spricht sich dieser Forscher auf Grund seiner Beobachtungen ebenfalls dafür aus, dass die »specifische zu vererbende Struktur nur dem Kern angehöre«.
3 Eine Vererbung erworbener Eigenschaften nehme ich eben so wenig wie Hıs,
WEISvMANN u. A. an.
Zy PEN TE 7
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daher auch die bisherigen Darstellungen in keiner Weise als er- schöpfend und überzeugend zu bezeichnen.
Verfolgen wir nun die Frage der von uns angenommenen Be- deutung der Zellenkerne für die ontogenetischen Verhältnisse ins Ein- zelne, so lehrt uns eine Analyse der formbildenden Vorgänge bei den höheren Organismen, dass dieselben wesentlich auf zwei Momente zurückgeführt werden können und zwar einmal auf dieBildung von Elementartheilen und zweitens auf die Anordnung und Ge- staltungderselben. Bei allen mehrzelligen thierischen Organismen ist die Formbildung Anfangs einzig und allein auf die Schaffung oder Herstellung einer gewissen Anzahl von gleichartigen Elementartheilen gerichtet und erst, wenn diese gegeben ist, nehmen die Elemente nach und nach bestimmte Gestaltung (nach äußerer Form und innerem Bau) und typische Gruppirung an und erzeugen die Anlagen der ver- schiedenen primitiven und bleibenden Organe, wiez.B. beiden höheren Thieren diejenigen des Hornblattes, des Medullarrohres, der Chorda, des Darmdrüsenblattesete. DieBildung und Erzeugung von Elementar- theilen ist jedoch keineswegs auf die erste embryonale Zeit beschränkt, vielmehr tritt dieselbe auch noch später auf und dauert je nach den einzelnen Organen und Organismen verschieden lang. Halten wir uns an die Wirbelthiere, so finden wir, dass bei Embryonen die Vorgänge, die bei der Bildung der Extremitäten, bei der Verlängerung des Medul- larrohres nach hinten, beim Wachsthum der Achse (Wirbel und verte- brale Muskeln), bei der Entstehung der Drüsen statthaben, gute Beispiele einer 'energischen Zellenbildung nach geschehener Anlage der Haupt- organe abgeben. Bei gewissen Organen dauert die Zellenproduktion während der ganzen Fötalperiode, wie bei den meisten Drüsen, bei anderen zieht sich dieselbe sogar durch die ganze Wachsthumsperiode hindurch, wie bei den Knochen, Knorpeln, Zähnen, bei noch anderen endlich zeigt sich dieselbe selbst im ausgewachsenen Organismus, wie bei den weißen und rothen Blutzellen und den Zellen absondernden Drüsen (Hoden, Milchdrüsen, Talgdrüsen ete.).
In noch ausgedehnterem Grade finden sich solche Vorgänge bei den Pflanzen sowohl während ihrer Entwicklung als im fertigen Zu- stande und verweise ich nur auf die perennirenden Gewächse, die alle Jahre Blätter, Blüthen und Früchte bringen.
In allen Fällen, in denen Zellen sich vermehren, geschieht dieser ‚Vorgang durch Zellentheilung. Ob diese Theilung von. einer indirekten Theilung der Kerne eingeleitet wird oder mit einer direkten Theilung derselben im Zusammenhang steht, ist für die Frage, die wir hier erörtern, von keinem größeren Belang. Nehmen wir nun an, dass
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die Kerne die einzigen Bestandtheile der Zellen sind, von denen der Anstoß zur Theilung derselben ausgeht, so ist einleuchtend, dass ihr Einfluss auf die Gestaltung und Formbildung erwiesen wäre, wenn sich zeigen ließe, dass die Theilungen auch der Quantität und Qualität nach an die Leistungen der Kerne gebunden sind.
Was den ersten Punkt anlangt, so ist nicht einzusehen, warum dem nicht so sein sollte. Wenn die Kerne, wie nicht zu bezweifeln ist, die Substanz enthalten, die die Eigenschaften der Erzeuger auf das Er- zeugte überträgt, so ist die Hypothese, dass dieses Karyo-Idioplasma seine Wirksamkeit durch die Kerntheilungen äußere, um so be- rechtigter, als die Kerntheilung eine allverbreitete Funktion der Kerne ist und die Zellentheilungen bedingt. Istdemso, so werden— wohlver- standen unbeschadet der Variationen, welche wechselndeEr- nährungsverhältnisse bedingen—-beijedem Organismus für jedes Organ so viel Zellen entstehen, als demselben typisch zukommen und wird der Grund hiervon in die gesetzmäßig auftretende Zahl der Theilungen der Kerne desselben zu verlegen sein. So wird eine Schweißßdrüse des Menschen stets weniger Kern- und Zeilentheilungen beanspruchen als die Leber, der Oberschenkel eines Elefanten mehr als dereiner Maus, ein Handwurzelknochen weniger als die Vorderarm- knochen etc. Beispiele aus dem Pflanzenreiche führe ich nicht an, da hier die Größe der Organe je nach der Nahrungszufuhr und den anderen äußeren Einwirkungen (Zwerg-, Riesenwuchs) ganz anderen Wechseln als bei Thieren unterliegt. Immerhin kann man auch bei Pflanzen, wenn die äußeren Momente dieselben sind, von einertypischen Größe verschiedener Formen und der Organe einer und derselben Form reden.
Gewinnen wir in dieser Weise für die wechselnde Zahl der Zellen der verschiedenen Organe oder, was im Allgemeinen auf dasselbe herauskommt, für die verschiedene Größe der Organe eine auf iypische Leistungen der Kerne begründete Erklärung, so frägt sich weiter, ob dieselben auch auf die Gestaltung der Organe einen Einfluss haben könnten. Auch das ist nicht zu bezweifeln und bietet das Pflanzen- wie das Thierreich zahlreiche Beispiele hierfür dar. Bleibe ich bei dem, was mir näher liegt, so möchte ich Folgendes hervorheben:
In erster Linie wird es für die Gestaltbildung von großer Wichtig- keit sein, ob ein Zellenkomplex in allen seinen Elementen Theilungen mit den sie begleitenden Vergrößerungen der Theilstücke erfährt oder solche nur an gewissen bestimmten Wachsthumspunkten darbietet. Im ersteren Falle wird die Anlage die Form bewahren, die sie Anfangs hatte, während im zweiten Falle die mannigfachsten neuen Gestalten
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aus derselben hervorgehen können. Als Beispiel wähle ich die Extre- mitätenanlagen der Wirbelthiere. Anfangs, so lange als dieselben kleine flossenartige Stummelchen darstellen, wächst der ganze Zellenkomplex in seinen Randtheilen gleichmäßig weiter, indem alle Kerne und Zellen wiederholt sich theilen. Bald aber treten hier gewisse bevorzugte Punkte in lebhaftere Thätigkeit, während andere zurückbleiben und so entstehen dann die Anlagen der in verschiedener Zahl vorhandenen Fingerund Zehen. Ähnliches zeigt eine aus einem cylindrischen Epithel- zapfen hervorgehende traubenförmige Drüse, indem am freien Ende derselben erst zwei und dann immer mehr Wachsthumscentren ent- stehen, die am Ende zu einer ganz bestimmten reichen baumförmigen Verästelung führen.
Neben dem Auftreten von solchen Vegetationspunkten in gleichartigen Zellenkomplexen giebt es nun aber noch ein anderes Moment, das sehr wesentlich bestimmend auf die Gestal- tung feinwirkt und das ist die Art und Weise, wie die Kerne und Zellen sich theilen. Die Furchungen der befruchteten Eier vor Allem lehren, dass Kerne und Zellen in verschiedenen Ebenen sich zu theilen im Stande sind. Nehmen wir nun an, es theile sich eine Zelle wiederholt in den drei Ebenen des: Raumes je in zwei, so wird aus derselben schließlich ein kugeliger Zellenhaufen hervorgehen, wie bei vielen Eiern am Ende der Furchung. Träte nun zu einer be- stimmten Zeit in der oberflächlichen Lage eines solchen Haufens von Zellen die Theilung derselben in der Art ein, dass die Theilstücke alle in der Ebene der Kugeloberfläche sich befänden, so müsste daraus eine einschichtige Blase hervorgehen, wie die Keimblase des Säugethiereies, und diese Blase würde, wenn die Theilungsvorgänge längere Zeit die nämlichen blieben, immer mehr heranwachsen. Eine flache einschich- tige Scheibe ferner würde bei Theilungsvorgängen,, wie die genann- ten, immer mehr sich vergrößern und eine gebogene solche Zellen- platte zu einer Blase sich umformen können, wie das Entoderm der höheren Wirbelthiere.
Theilen sich in einer einschichtigen Zellenlage alle Elemente in der Richtung derDicke, so wird dieselbe doppel- und mehrschichtig;; theilen sich dagegen in einer solchen Platte nur bestimmte Zellengruppen in der Richtung der Dicke| oder in derjenigen der Fläche, so treten an derselben entweder lokale Verdickungen (Haar- und Drüsenanlagen) oder lokale Einbuchtungen oder Ausstülpungen (primäre Augenblase, Geruchsgrube, Hörgrube, Linsengrube) auf. So lassen sich durch ver- schiedene Kombinationen von gleich- oder andersinnig gerichteten
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. 9
18 A, Kölliker,
Theilungen alle möglichen Gestaltungen von Zellenkomplexen gewin- nen und da bei diesen Zellentheilungen in verschiedenen Ebenen die Art der Theilung der Kerne das Primäre und Ausschlaggebende ist, so ergiebt sich wiederum, dass die Kerntheilungen nicht nur der Zahl nach für das Volumen der Organe, sondern auch der Art nach für die Gestalt derselben das Bestimmende sind.
Den Einfluss der Art der Kerntheilungen auf die Zellentheilungen anlangend, so erlaube ich mir noch folgendes Weitere anzuführen. Im Jahre 1842 stieß ich bei meinen Untersuchungen über die Entwicklung der Gephalopoden auf besondere Beziehungen der Kerne zur Segmen- tirung des Dotters. Es zeigte sich nämlich, dass je nach der Stellung der eben getheilten Kerne zu einander, die Dottersegmente in der Längsrichtung in zwei neue Segmente zerfallen, oder, indem ihre Spitzen sich abschnüren, der Quere nach in eine Furchungskugel und ein Segment zerlegt werden (meine Entwickl. der Cephalopoden. 1844. Taf.1; Entwickl. des Menschen. 2. Aufl. Fig. 10—12). Nachdem durch diese Erfahrungen zum ersten Male eine Beziehung der Art der Thei- lung von Kernen zur Theilungsebene von Zellen und zellenartigen Bil- dungen nachgewiesen worden war, folgten bald eine Reihe ähnlicher Beobachtungen, unter denen ich die von Vielen vergessenen von REMAK besondersin Erinnerung bringe, der (Untersuchungen zur Entwicklungsg. der Wirbelthiere, Taf IX, Fig. 21) vom Hinterdarme von Froschlarven Epithelzellen abbildet, die, nachdem ihr Kern in fünf neben einander liegende Stücke sich getheilt hat, der Länge nach in 5 Zellen zer- fallen. Auf Taf. XI bildet derselbe Autor in den Fig. 4, 5 und 6 Muskelzellen von Froschlarven ab, deren Kernverhältnisse in ähnlicher Weise auf eine Längsspaltung hinweisen. Außerdem erwähne ich noch als hierher gehörig die Erfahrungen über Längs- und Querthei- lungen der Infusorien und alle neueren Ermittelungen über indirekte Kerntheilungen und ihre Beziehungen zu den Zellentheilungen. Am bedeutungsvollsten sind unter diesen diejenigen über die inä- quale Furchung, welche lehren, welche Wichtigkeit mög- licherweise schon die allerersten Zellentheilungen in befruchteten Eiern für die Gestaltung des ganzen Orga- nismushaben. So fand W. Rowx, dass die erste Kern- und Dotter- theilung im Froschei die sagittale Medianebene, das Rechts und Links bestimmt und die zweite Theilung das Vorn und Hinten (Über die Zeit der Bestimmung der Hauptrichtungen des Froschembryo. Leipzig 1883). — Ähnliche wichtige Beobachtungen über Aseidien verdanken E wir E. v. BENEDEn und Cn. Juri (Arch. de Biol. V, p. 449). — Dasin allen Fällen von Zweitheilungen obwaltende Gesetz ist dasselbe und
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lässt sich einfach dahin formuliren, dass die Theilungsebene der Kerne stets auch diejenige der Zellen ist.
Bei den bisherigen Auseinandersetzungen wurde von der An- nahme ausgegangen, dass die Zellenkerne die Faktoren sind, welche die Zellentheilung bedingen, es ist jedoch zu bemerken, dass diese Annahme, auch wenn sie vielleicht von der Mehrzahl der Zoologen und Botaniker getheilt wird, doch keineswegs allgemeine Geltung sich er- worben hat. Sehen wir für einmal ’'von einer geringen Zahl von Fällen ab, in denen Zellentheilungen ohne Kerntheilungen aufzutreten schei- nen, so haben sich auch für das typische und weit verbreitete Vor- kommen von gleichzeitiger Kern- und Zellentheilung gewichtige Stim- men erhoben, die das Primum movens in die Zelle verlegen (Stras- BURGER, Zellbildung und Zelltheilung. 3. Aufl. 1880. p. 359 ff.). An- dere, obschon geneigt die Kerne als das Bedeutungsvollere anzusehen, sprechen sich doch, wie Fremming in seinem klassischen Werke: Zell- substanz, Kern und Zelltheilung. 1882. p. 356 ff., mit großer Vorsicht aus und enthalten sich einer entscheidenden Äußerung. Meiner Mei- nung nach ist ein solches Verhalten von einem gewissen Gesichts- punkte aus nur zu billigen, auf der anderen Seite ist aber auch sicher- lich die Aufstellung einer Hypothese berechtigt, die auf eine Reihe sicherer Thatsachen sich stützt und die Möglichkeit eröffnet, weiter in ein dunkles Gebiet einzudringen als bisher der Fall war.
Als solche Thatsachen, die für die hohe Bedeutung der Kerne für das Zellenleben, speciell für die Bildung der Zellen sprechen, führe ich folgende an:
4) Alle lebenskräftigen Zellen enthalten Kerne und zwar sind dieselben in den Zellen der Vegetationspunkte der Pflanzen, wie be- sonders Sıcus es mit Recht betont (Vorles. über Pflanzenphysiologie. 1882. p. 509. Fig. 256), von relativ ungemeiner Größe. Dasselbe gilt von embryonalen thierischen Zellen. Ferner zeigen dieKerne bestimmte Beziehungen zur Größe oder der Wachsthumsenergie der Zellen, in so fern alle großen Elemente der Art entweder große, zum Theil eigen- 'thümlich gestaltete, oder viele Kerne enthalten. In allen nicht mehr wachsenden Zellen endlich fehlen die Kerne oder sind verkümmert.
2) Sehr ins Gewicht fällt ferner, dass die für die Befruchtung so wichtigen Samenfäden zum Theil einfach umgewandelte Kerne sind, zum Theil nur durch ihren Kern wirken. Die Befruchtung selbst ge- 'schieht durch die Vereinigung zweier Kerne und sind somit Kerne die Träger des Idioplasma oder der Vererbungssubstanz.
3) Die Kerne haben eine eigenthümliche chemische Zusammen- 9*
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setzung und enthalten einen Farbstoffe mit Energie bindenden Stoff, der im Zelleninhalte nicht vorzukommen scheint.
4) Bei den Zweitheilungen einkerniger Zellen geht die Theilung der Kerne der Theilung der Zellen immer voraus und bedingt die Theilungsebene der Kerne immer diejenige der Zellen. |
5) Die eigenthümlichen Vorgänge, die die Karyokinese begleiten, weisen, wie W. Roux (Über die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren, 1883) mit Recht betont (s. auch O. Herrwie, 1. c. p. 35), darauf hin, dass die Kernsubstanz eine äußerst wichtige ist und einen sehr typi- schen Bau besitzt und deuten an, dass es sehr wesentlich ist, dass die- selbe in ganz bestimmter Weise auf die zwei Tochterkerne vertheilt werde.
6) Bei der freien Zellenbildung in Mutterzellen, wie sie bei der freien Endospermbildung im Embryosack der höheren Pflanzen, dann bei der Bildung von Sporen, Eiern und Spermatozoiden bei niederen Pflanzen sich findet, bildet sich regelrecht um jeden Kern (ausnahms- weise auch um Kerne, die durch Verschmelzung kleiner Kerne ent- standen sind |s. BerruoLp, Zur Kenntnis der Siphoneen und Bangia- ceen. in: Mittheilungen der Zool. Stat. zu Neapel. Bd. II. p. 78]) eine Zelle und möchte der Einfluss der Kerne auf deren Entstehung kaum zu leugnen sein. Im Wesentlichen dasselbe geschieht bei der Bildung der ersten Embryonalzellen bei vielen Arthropoden, ferner bei der vielkernigen Eierrhachis der Nematoden, die einer großen vielkernigen Zelle verglichen werden kann, und in den Epithelialfortsätzen der Chorionzotten des Menschen; pathologisch, wenn, wie ich vor Jahren vom Menschen und Frosche beschrieben und abgebildet, der Inhalt einer quergestreiften Muskelfaser, entsprechend der Zahl der Kerne, in Zellen zerfällt (Gewebelehre. 2. Aufl. p. 244, und: Diese Zeitschrift Bd. VII. p. 315. Taf. XIV, Fig. 9).
7) Endlich erwähne ich noch die eigenthümlichen, vonKernen aus- gehenden Strahlungen im Protoplasma, die die freie endogene Zellenbildung und die gewöhnliche indirekte Kerntheilung begleiten. Die schönsten Beispiele der Art finden sich im Endosperm, in welcher Beziehung ich auf StrAsBuRGer’s so lehrreiche Abbildungen verweise (Zellbild. 3. Aufl. Taf. I, Fig. #4, 6, 7, 15; Taf. II, Fig. 30, 34; Taf. VI, Fig. 150). Ferner gehören hierher die Strahlungen an den Polen der achromatischen Kernspindel und die Kernspindel selbst, endlich der vom Spermakern im Dotter ausgehende Stern (s. a. O. HERTWIG, |. c. p. 40).
Alles dies zusammengenommen, komme ich für mich zur festen Überzeugung, dass jede echte Zellentheilung von denKer-
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nen eingeleitet wird und stehe nicht im geringsten an, diese Hy- pothese zur Grundlage meiner ganzen Betrachtung zu machen, wie ich es gethan. In demselben Sinne hat sich auch O. Herrwıe geäußert (Jen. Zeitschr. Bd.XI. p. 183 und: DasProblem derBefruchtung. p.43), in- dem er am letzten Orte beifügt, dass er, indem er die Kräfte, welche die Kern- und Zellentheilung beherrschen, in den Kern selbst verlege, hierbei eine Mitwirkung des Protoplasma durchaus nicht ausschließen wolle, vielmehr der Meinung sei, dass zwischen diesem und dem Kern ein sehr komplieirtes Wechselverhältnis vorliege. Das unterschreibe ich in so fern als die Kerne mit Rücksicht auf ihr Wachsthum und die Vermehrung ihrer Substanz ganz an die Zufuhr von Stoffen von außen, mithin in erster Linie an das Protoplasma gebunden sind, wie z. B. alle selbständig sich entwickelnden Eierlehren, deren zahlreiche Kerne der späteren Furchungsstadien nur auf Kosten des Eiprotoplasma ent- standen sein können. Eine andere Bedeutung als die eines »Er- nährungsplasma« vermag ich dagegen dem Zelleninhalte nicht zuzu- schreiben und kenne ich keine Thatsache, welche bewiese, dass der- selbe Idioplasma enthält. Mit diesem Ausspruche bin ich jedoch nicht gemeint, diese Frage als eine vollkommen spruchreife zu bezeichnen; denn in einem so dunklen Gebiete ist es unmöglich, über irgend eine Hypothese mit Bestimmtheit sich zu äußern. Ich will daher auch offen zugestehen, dass die Nägerr’sche Auffassung des Idioplasma als einer durch den ganzen Organismus verbreiteten zusammenhängenden Sub- stanz sich vorläufig kaum widerlegen lässt. Wenn auch ursprünglich die zeugenden Kerne und der erste Eikern allein die Vererbungs- substanz enthalten, so ließe sich doch annehmen, dass dieselbe mit dem Beginne der Entwicklung sofort zum Theil an den Zelleninhalt ab- gegeben wird oder in diesem die Entstehung neuer solcher Substanz anregt, von welchem Zeitpunkte an die Kerne und Zellen gleich- berechtigte Faktoren sein könnten. Der Grund, warum ich an den Kernen als einzigen Trägern des Idioplasma festhalte,, liegt in folgen- den Erwägungen:
4) Wenn Kerne die Vermittler der Zeugung sind und allein das Idioplasma auf den neuen Organismus übertragen , so ist es einfacher, dieselben auch als die einzigen Faktoren der Gestaltung aufzufassen, als neben ihnen noch dem sonst nur der Ernährung dienenden Plasma einen solchen Einfluss einzuräumen. | 2) Das Idioplasma der zeugenden Kerne ist offenbar an eine che- misch und morphologisch typische Substanz— nennen wir dieselbe der Kürze halber Chromatin oder Nuclein — gebunden, die nie im Zellen- inhalte, wohl aber in allen Kernen ohne Ausnahme gefunden wird.
22 A. Kölliker,
Betrachten wir nun noch die Fälle, in denen Zellenthei- lungen unabhängig von Kerntheilungen aufzutreten scheinen, so finden wir hier vor Allem einige Beispiele aus dem Gebiete der Pflanzen als beweisend angeführt. ;
1) Bei der Bildung der Sporen von Anthoceros und der Makro- sporen von Isoetes theilt sich der Inhalt der Sporenmutterzelle unvoll- ‚ständig in zwei und dann in vier Abschnitte, bevor der einfache Kern karyokinetische Veränderungen zeigt. Später treten diese auf und zeigt schließlich jede Spore einen excentrisch gelagerten Kern (Srras- BURGER, Zellbildung und Zelltheilung. 3. Aufl. p. 464 fi. Taf. X, Fig 145—166).— Ich für mich kann nicht finden, dass diese Fälle eine von den Kernen unabhängige Zelltheilung beweisen, indem bei Antho- ceros nicht der ganze Zelleninhalt vor der Theilung des Kernes sich theilt, sondern nur der chlorophyllhaltige Abschnitt desselben, wäh- rend das übrige Zellplasma seinen Zusammenhang bewahrt. Es ist daher gerathen, diesen Fall nicht so sehr in den Vordergrund zu stel- len, wie dies bisher geschehen ist.
2) Schwieriger gestaltet sich die Deutung bei den Siphonocladia- ceen, bei denen Scheidewandbildungen vorkommen, die ohne alle Betheiligung der in jeder Zelle in großer Menge vorkommenden Kerne auftreten (Scamitz, Hallenser Festschrift, 1879). Das Gleiche findet sich nach STRASBURGER bei noch anderen niederen Pflanzen, wie bei Ulo- ihrix und Oedogonium, die zum Theil nur einen Kern enthalten. STRASBURGER hat sich aus diesem Grunde veranlasst gefunden (Zell- bildung. 2. Aufl. p. 254) als typische Pflanzenzellen diejenigen zu bezeichnen, bei denen das ganze Innere von körnigem Protoplasma er- füllt ist, das in seiner Mitte den Zellenkern enthält und bei welchen die Theilung der Zelle immer in unmittelbarem Zusammenhange mit der Theilung des Kernes steht und durch diese beeinflusst wird. Die Zellen, bei denen dies nicht geschieht, stellen abgeleitete Fälle dar, mit mehr oder weniger rudimentärer Ausbildung des Zellkernes. In der 3. Auflage des Werkes von STRASBURGER finde ich diese Darstellung nicht mehr, vielmehr wird hier die Theilung der Zellen ohne Weiteres als ganz unabhängig von denTheilungen der Kerne dargestellt.
Meiner Ansicht zufolge lassen die Fälle, in denen bei Pflanzen scheinbar Zellentheilungen ohne Betheiligung der Kerne vorkommen, vielleicht doch eine andere Deutungzu. Ichgehe von der Thatsache aus: 1) dass Gellulosebildungen auch im Inneren von Pflanzenzellen vorkom- men, wie das innere Gerüst von Caulerpa lehrt, 2) dass in den Pollen- schläuchen von Allium ursinum Scheidewandbildungen auftreten, die STRASBURGER selbst nicht für echte zu halten wagt (3. Aufl., p. 224,
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 33
Taf. XIII, Fig. 62— 69) und 3) dass Scheidewandbildungen auch bei entschieden einzelligen Pflanzen sich finden. So treten nach Scanitz u. A. bei Codium tomentosum in den Schläuchen des Markes hier und da vereinzelte Querwände auf, in Folge einer ringförmigen Verdickung der Membran, die bis zum vollständigen Verschlusse des Zelllumens hinführt, und durch eine solche Querwandbildung wird auch das Sporangium an seiner Basis abgeschlossen. Gestützt auf diese That- sachen möchte ich die Vermuthung äußern, dass nicht jede cel- lulosehaltige Scheidewand einer Pflanzenzelle die Bedeutung einer Zellmembran oder einer echten Schei- dewand besitzt. Von diesem Standpunkte aus würden die Sipho- nocladiaceen keine vielzelligen, sondern einzellige Organismen mit Scheidewänden sein, und ließe sich eher die Ansicht vertheidigen, dass dieselben Übergangsformen von einzelligen zu mehrzelligen Organis- men sind, womit auch ScanItz in gewisser Weise übereinstimmt (l. c. p. 43), als dass sie Pflanzen darstellen, die ohne Betheiligung von Kernen echte Zellentheilungen besitzen.
3) Endlich hat man auch die Vorgänge bei der Theilung niederer thierischer Organismen, diemehr oder weniger unabhängig vom Kern sich einleiten, als Beweis dafür ansehen wollen (Bürscarı!, Gruser 2), dass das Protoplasma und nicht der Kern den Anstoß zur Theilung gebe. Es ist jedoch, wie O. Hzrrwie® sicherlich mit Recht betont [(l. c. p. 183) und wie auch Freuming andeutet (l.c. p.329, 357),-diese Angelegenheit eine noch so wenig spruchreife, dass es vorläufig gerathen erscheint, von bestimmten Folgerungen Abstand zu nehmen. Nichtsdestoweniger erlaube ich mir folgende Punkte hervorzuheben, um einer späteren richtigen Deutung den Weg bahnen zu helfen.
a) Es giebt viele Theilungen von Protozoen, bei denen Kern und Körper im Wesentlichen nach dem Typus der Zellentheilung sich ver- doppeln und gehören in diese Abtheilung auch mehrkernige Thiere, bei denen die Kerne vor der Theilung in einen verschmelzen.
b) In anderen Fällen theilen sich vielkernige Geschöpfe, wie die Opalinen, zum Theil ohne alle Mitwirkung der Kerne und erhebt sich
1 O.Bürscauı, Studien über die ersteEntwickl. der Eizelle, die Zelltheilung und die Konjugation der Infusorien 4876 und: Über die Entwickl. der Schwärmspröss- linge von Podophrya quadripartita. in: Jen. Zeitschr. Bd. X.
2 A. GRUBER, Der Theilungsvorgang bei Euglypha alveolata, in: Diese Zeit- schrift. Bd. XXXV und: Die Theilung der monothalamen Rhizopoden. Ebenda. Bd. XXXVI
3 0. Herrwig, Über den Bau und die Entwicklung der Spirochona gemmi- para. in: Jen. Zeitschr, Bd. XI,
34 A. Kölliker,
die Frage, ob diese Zerklüftung mit der echten Theilung der Protozoen zu vergleichen oder als ein Vorgang sui generis zu betrachten sei. Unzweifelhaft ist Letzteres der Fall, denn bei der gewöhnlichen Thei- lung wachsen die Theilstücke immer wieder zur Größe des Mutter- thieres heran, bei den Opalinen dagegen gehen schließlich aus der Zerklüftung ganz kleine Elemente hervor, die mit Keimzellen oder Sporen zu vergleichen sind. Es handelt sich somit hier um einen Vor- gang, der der Sporenbildung der Siphoneen und Siphonocladiaceen, bei welchen ebenfalls eine vielkernige Protoplasmamasse nach und nach in einkernige Theilstücke zerfällt, nahe steht und nicht ohne Weiteres als Zellenbildung ohne Betheiligung der Kerne charakterisirt werden kann.
c) Eine Reihe anderer Vorgänge, die man zur ‚gewöhnlichen Theilung gezogen hat, wie die bei Euglypha alveolata, können, wie mir scheint, der Sprossenbildung beigezählt werden und bei dieser ist wohl kaum ein Einfluss der Kerne zu bezweifeln, wie ich mit R. Herrwıc (Über Podophrya gemmipara. in: Morph. Jahrb. Bd.I. p.20) annehme, wenn man sieht, wie bei dieser Podophrya der verästelte Kern des Mutterthieres in die einzelnen Sprossen Ausläufer entsendet (l. ce. Taf.l, Fig. 7, 8, 9). Der Umstand, dass zur Zeit, wo die Sprossen auf- treten, die Kerne noch nicht in das Innere derselben eingewachsen sind (l. e. Fig. 5), sondern mit ihren Ausläufern erst an der Basis der- selben stehen, spricht durchaus nicht gegen eine Einwirkung derselben aufdieBildung der Sprossen und eben so deute ich auch die Verhältnisse bei der Podophrya quadripartita (Bürscats, 1. s. c.) und bei Euglypha, bei welchen beiden ein Einfluss des Kernes auf die Bildung der Sprösslinge und die Theilstücke nicht ohne Weiteres abzuweisen ist.
Alles zusammengenommen darf der Versuch, die Formbildung von den Leistungen der Zellenkerne ab- hängig zu machen, doch wohlalsim Ganzen befriedigend bezeichnet werden. Ausgehend von der Annahme, dass die Zellen- kerne die Theilungen der Zellen überhaupt und auch die Theilungs- ebenen derselben bedingen, hat sich ergeben, 1) dass von der Zahl der Kerntheilungen die Größe der Organe abhängt und 2) dass die Form derselben sich ableiten lässt von der Art der Kerntheilungen und der räumlichen Ausdehnung derselben (Theilung der Kerne in verschiedenen Ebenen, ruhende und wachsende Punkte). Nun ist aber des Weiteren zu berücksichti- ” gen, dass die Gestalt der Organismen und ihrer Theile F nicht allein von der Zahl der Zellen und ihrer Anord- ’ nung bedingt wird, dass vielmehr auch die Größe und
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 25
Gestalt und die Gesammtfunktion der Zellen einen ent- scheidenden Einfluss auf dieselbe haben. Dies lehren nicht nur die einzelligen Pflanzen und Thiere mit ihren mannigfachen Ge- staltungen auf das Überzeugendste, sondern es geht dies auch aus der Betrachtung der vielzelligen Organismen hervor. Bei den Pflanzen ist der Einfluss des Zellenwachsthums auf die Formen der Organe längst bekannt und von Sacas ist derselbe, der Bedeutung der Zellenvermeh- rung gegenüber, noch besonders betont worden. Aber auch bei den Thieren kommt das Zellenwachsthum an den verschiedensten Orten zur größten Geltung, obschon dasselbe nach dieser Seite noch wenig ins Auge gefasst wurde.
Fassen wir das Wachsthum der Zellen und seine Bedeu- tung für die Gestaltung der Organismen näher ins Auge, so ergiebt sich, dass in dieser Beziehung nicht unbedeutende Verschieden- heiten zwischen Pflanzen und Thieren bestehen, die zu Hypothesen Ver- anlassung gegeben haben, die sich geradezu auszuschließen scheinen. Seit Scuwann’s Zeiten sind die Zoologen gewohnt, alles Wachsthum we- sentlich auf zwei Momente zurückzuführen, erstens auf eine Zunahme der Zellen an Zahl und zweitens auf eine Vergrößerung derselben. Die erste Form des Wachsthums dachte man sich so, dass die Zellen bei der Theilung sich vergrößern, wobei es gleichgültig blieb, ob die Vergröße- rung an der Mutterzelle vor der Theilung oder auch an den Tochter- zellen stattfand. Wichtig dagegen war, dass bei dieser Form des Wachsthums niemals eine stärkere Vergrößerung der Zellen vorkam, und die Vermehrung derselben der Zahl nach als die Hauptsache er- schien. Anders bei der zweiten Form des Wachsthums, bei der die Elemente, ohne an Zahl zuzunehmen, einzig und allein durch ihre Größenzunahme als wirksam sich erweisen, Vorgänge, die besonders durch die klassischen Untersuchungen Harrıng’s (Rech. micromeötriques, 1845) näher bekannt wurden, und für die das Wachsthum der quer- gestreiften Muskeln das beste Beispiel abgiebt. In demselben Sinne untersuchten auch die Botaniker das Wachsthum und galten viele ‚Jahre lang die berühmten Untersuchungen Niszır's über die Bildung der Zellen in den Vegetationspunkten der Pflanzen als mustergültig und als Basis aller weiteren Forschungen. In unseren Tagen wurde jedoch durch Sıcas eine Reform der Wachsthumsgesetze der Pflanzen angebahnt, welche zu der Annahme zu führen scheint, dass das 'Wachsthum nicht von den Vermehrungen der Zellen oder der Zellen- bildung abhänge, sondern eine” primäre Erscheinung sei (Sachs, Physiologie, p. 523). Wäre dem wirklich so, so würde unsere ganze Ableitung, dass die Kerne durch ihre Lebenserscheinungen, durch
26 A, Kölliker,
ihren Einfluss auf das Quantum und das Quale der Zellentheilungen die Gestaltung der Organismen beherrschen und bedingen, auf sehr
schwachen Füßen stehen und sind wir daher genöthigt, in erster Linie
diese Grundfrage zu erörtern, um zu ermitteln, ob die Aufstellung von Sıcns in der angegebenen Form von den Thatsachen wirklich gefor- dert wird.
Sıcas stützt sich einmal auf die großen, bisher für einzellig gehaltenen Algen, wie Gaulerpa, . Vaucheria u. a., die er als »nicht celluläre« Organismen bezeichnet. Da diese Pflanzen einerseits ein sehr ausgesprochenes Wachsthum zeigen, und, ohne Scheidewände zu besitzen’, Stengel, Blätter und Wurzeln bilden, anderseits dieselben nicht einen einzigen großen, sondern Tausende von kleinen Kernen enthalten, so betrachtet Saıcns dieselben als Organismen, bei denen Wachsthum und Gestaltung ohne begleitende Zellentheilungen statt- finden. Nun folgt aber aus dem Vorkommen von vielen Kernen nicht, dass ein Gebilde keine Zelle sein könne, und möchte ich den Haupt- accent darauf legen, dass nachgewiesenermaßen diese Pflanzen aus einkernigen Sporen sich entwickeln (Vaucheria, Codium) und somit sicherlich im Jugendzustande einfache Zellen sind. Es scheint mir daher gestattet, diese Organismen als einzellige, ursprünglich ein- kernige und dann vielkernige zu bezeichnen und ihr Wachsthum mit dem gewöhnlichen Zellenwachsthum zusammenzustellen (s. auch Scanitz, Niederrhein. Sitzber., 1879, p. 6).
Gehen wir von solchen Anschauungen aus, so sind wir auch bei den Pflanzen, bei denen Wachsthum und Zellentheilung zusammen- fallen, nicht von vorn herein genöthigt, die Zellentheilung als etwas Sekundäres anzusehen und in der That kann ich mit meinen durch das Studium der Thiere erworbenen Anschauungen nicht finden, dass das Wachsthum der Pflanzen in der großen Mehrzahl der Fälle anders vor sich geht als im anderen Reiche. Nur muss man die bisherigen Lehren der Botanik von gewissen Auswüchsen reinigen, wie dies Sachs gethan hat, und auch gewissen eigenthümlichen, hier vorkommenden Verhält- nissen Rechnung tragen. Wenn Sıcns lehrt, dass die Vegetations- punkte der Pflanzen nicht nothwendig eine Scheitelzelle besitzen, wenn er ferner zeigt, dass dieselben nicht die Orte des ausgiebigsten und raschesten Wachsthums, sondern gerade umgekehrt die der lJangsam- sten Vergrößerung sind, so kann man nur zustimmend sich äußern. Hiermit wollte jedoch Sıcns, wie ich aus seinem Munde weiß, nicht sagen, dass die Vegetationspunkte nicht die Orte der Organanlage und Gestaltung sind, und ich möchte von meinem Standpunkte aus mich dahin aussprechen, dass die Art und das Maß der Zelltheilungen in
I ee U TE rn
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 37
den Vegetationspunkten der Pflanzen die Formbildung bedingt, voraus- gesetzt, dass man an den sich theilenden Zellen auch unter Umständen bestimmte Wachsthumserscheinungen statuirt. In dieser letzten Be- ziehung unterscheiden sich die Pflanzen entschieden von den Thieren, und hat dies auch offenbar Sıcus veranlasst, das Wachsthum mehr voranzustellen, als er es sonst vielleicht gethan hätte. Folgende Bei- spiele, die ich den Vorlesungen über Pflanzenphysiologie meines ver- ehrten Freundes eninehme, werden zeigen, was ich im Auge habe. Bei der Alge Stypocaulon scoparium geschieht ‚nach GeyLER das ge- sammte Wachsthum durch einfache Scheitelzellen (Sacas, 1. c., p. 528, Fig. 271) und erst, wenn die unteren Theile derselben ganz aus- gewachsen sind, schnüren sich dieselben durch successive entstehende Scheidewände ab, aus welchen Zellen dann nach und nach durch immer zahlreichere Theilungen ein kleinzelliges Gewebe entsteht, in dem keinerlei Wachsthum mehr statt hat. Bei dieser Pflanze ist somit die Gestaltung an das Wachsthum der Endzellen ge- knüpft und die Struktur allein an die Zellentheilung, ein Vorgang, für den ich bei keinem Thiere etwas Ähnliches kenne.
In bald stärkerer, bald schwächerer Weise ist ein Zellenwachs- thum noch in vielen anderen Fällen als gestaltbildend vorhanden und will ich nur noch auf zwei Figuren von Sıcas hinweisen. Bei Chara (Fig. 290) entstehen gewisse Organe, wie z.B. die Blätter, durch eigenthümlich auswachsende Zellen, doch treten hier auch Zellen- theilungen als gestaltend und auch als die Struktur bedingend auf und nähert sich ein solcher Organismus schon mehr dem bei den Thieren Gewöhnlichen. Noch mehr ist dies beim Vegetationspunkte einer Winterknospe der Edeltanne der Fall (Sıcas, Fig. 285), bei der offen- bar das Zellenwachsthum als gestaltend sehr in den Hintergrund tritt und Zellentheilungen im ersten Stadium des Wachsthums die Haupt- faktoren sind.
Fasse ich das Bemerkte zusammen, so möchte sich das Ergebnis dahin formuliren lassen, dass auch bei den Pflanzen Zellen- theilungen bei der Formbildung eine große Rolle spielen, dass aber neben denselben auch dem Zellenwachsthum eine wichtige Bedeutung innewohnt, eine viel größere, als bei den Thieren, auch wenn man die noch später zu betrachtende »Streckung« der Zellen nicht dazu nimmt. Ich finde mich daher jeden- falls in vielen Beziehungen mit Sıcas im Einklange, dessen scharf- sinnige mathematische Begründungen des Pflanzenwachsthums ein Verdienst für sich darstellen und auch für diejenigen in Geltung
98 A. Kölliker,
bleiben, die die Zellen der Vegetationspunkte als die gestaltgebenden Faktoren ansehen.
Im Anschlusse an die mathematischen Ableitungen von Sıcns über das Pflanzenwachsthum hat RAıuser an mehreren Orten.(s. bes. Neue Grundlegungen zur Kenntnis der Zelle. in: Morph. Jahrb., Bd. VIII, 1883, p. 233) auch die Zerklüftungen des Dotters der Thiere in dem- selben Sinne untersucht und beleuchtet. Kann man diesem Theile der Darlegungen dieses Gelehrten seine volle Zustimmung geben, so gilt dies nicht in demselben Maße von anderen Schlüssen desselben und ist mir namentlich der fundamentale Satz dieses Autors, dass nichts deut- licher als das Ei zeige, dass das Wachsthum das Primäre, die Theilung das Sekundäre sei, Angesichts der neuen Erfahrungen über die Be- fruchtung ganz unverständlich, da ja die Theilung des Dotters un- zweifelhaft durch den Eikern eingeleitet wird und das Ei während der Furchung nicht wächst.
Abgesehen von der Größe der Zellen und der Art ihres Wachs- thums betheiligen sich bei Thieren auch noch andere Momente an der Formbildung, unter denen ich vor Allem das massenhafte Auftreten von Intercellularsubstanzen namhaft mache, die im Bindegewebe, in den Knochen und Zähnen eine so große Rolle spielen, ferner die Zellenausscheidungen an freien Oberflächen oder die Cuticular- bildungen, die bei der Entstehung des Zahnschmelzes, des Panzers und des Hautskelettes der Gliederthiere etc. betheiligt sind. Ganz besondere Einwirkungen auf die Formen ergeben sich ferner bei den Resorptionsvorgängen an Knochen, bei denen durch besondere zellige Elemente schon gebildete Organtheile zerstört werden und ein ganz eigenthümlicher modellirender Einfluss ausgeübt wird. Endlich erwähnen wir auch noch die Einwirkungen, die bei den einfachsten Organismen die Kontraktionserscheinungen auf die Gestaltung besitzen.
Eine genauere Betrachtung der verschiedenen, im Vorigen auf- gezählten, die Form bedingenden Einflüsse ergiebt nun, dass dieselben für dieFrage, die wir hier besprechen, ob dieKerne die Faktoren sind, die die Vererbung bedingen und die typischen Gestaltungen erzeugen, nicht alle denselben Werth haben. So ist es, um den deutlichsten Fall voranzustellen, offenbar für die gesetzmäßige Ableitung der Form unwesentlich, welche Umrisse ein amöboid bewegliches einzelliges Wesen annimmt, und welche Gestaltungen und Verschmelzungen die von demselben ausgehenden Pseudopodien zeigen. Bedeutungsvoll und typisch ist dagegen die Anordnung bleibender Bewegungsorgane, wie die von Wimpern, kontraktilen Stielen, Gehborsten ete. Cuticular-
bildungen ferner bedürfen, in so weit sie die Formen der sie erzeugen-
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 29
den Zellen wiederholen, keiner besonderen Erklärung, wohl aber in so fern als ihre Mächtigkeit und ihre chemische Beschaffenheit in Be- tracht kommt. Von den Intercellularsubstanzen lässt sich im Allge- meinen dasselbe sagen. Ihr Vorkommen ist an die Existenz und die Anordnung gewisser Zellen gesetzmäßig geknüpft und nur ihre Be- schaffenheit möglicherweise von den Zellen abhängig. Eben so sind beim Wachsthume der Elementartheile und bei den durch solche ein- geleiteten Resorptionen innere Vorgänge ‚und äußere Einwirkungen aus einander zu halten. — Bei solchergestalt verwickelten Verhältnissen ist es natürlich sehr schwer zu sagen, ob und in welcher Weise die Zellenkerne bei denselben eine Rolle spielen und erhebt das Nach- folgende in keiner Weise den Anspruch, diese Frage endgültig zu erledigen.
Am einfachsten scheinen die Verhältnisse zu liegen, wenn es sich um das Wachsthum der Zellen handelt, und bespreche ich in er-
‚ ster Linie die Pflanzen, von denen sowohl die einzelligen als die viel- ‚ zelligen Beispiele genug aufweisen, in denen die Elemente eine sehr
bedeutende Größe erreichen. Bei den mehrzelligen Pflanzen ist die
‚ Hypothese voll berechtigt, dass der Zellenkern bei dem Wachsthume
der Zellen eine Hauptrolle spiele, in so fern als derselbe unstreitig die
' ehemischen Vorgänge im Inneren der Zellen beherrscht, mag seine
specielle Funktion nun auf die Neubildung von Eiweißkörpern sich beziehen (Scanitz in Sitzungsber. d. niederrh. Ges. f. Natur- u.
' Heilk., Juli 4880 ; STRASBURGER, Zellbildung und Zelltheilung, 3. Aufl.,
p. 374), oder auf die Erzeugung von Chlorophyll, Stärke und Cellu-
' lose (Prınesueim in Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. XII, p. 304; W. ScHimper
bei StrasBuRrGer, Theorie der Zeugung, p. 112 eitirt), oder auf beides.
| Die Thatsachen, auf die ich mich bei dieser Annahme stütze, sind vor Allem die schon oben auf p. 49 erwähnten. Sehr wichtig sind | für diese Frage außerdem auch die Beobachtungen von Scanitz über das Plasma der Siphonocladiaceenzellen, dessen einzelne losgetrennte Stücke nur dann lebenskräftig bleiben und zu selbständigen neuen ‚ Zellen sich gestalten können, wenn sie mindestens einen Kern | enthalten (l. c., p. 33, 34). Andere solche Beispiele erwähnt auch STRASBURGER (3. Aufl., p. 372), der sie eben so deutet. Im Einzelnen ‚ist es nun allerdings vorläufig nicht möglich zu sagen, in welcher
Weise die Kerne auf das Wachsthum der Pflanzenzellen einwirken,
da jedoch in allen Fällen, selbst bei den ausgezeichnetsten Formen von »Streckung« der Zellen und Wasseraufnahme durch dieselben ‚nicht ausgeschlossen ist, dass die Zellwände und das Protoplasma an Masse zunehmen (Sacas, 1. c., p. 513), und auch in solchen Zellen der
30 A. Kölliker,
Stoffwechsel ununterbrochen vor sich geht, so steht, wie mir scheint, nichts im Wege, den Kernen hierbei eine Rolle zuzuschreiben.
Bei den einzelligen pflanzlichen Organismen hätte man vor Kurzem noch nicht daran denken können, dieselben in.der vorliegen- den Frage als Beweise zu benutzen, da bei vielen derselben überhaupt keine Kerne nachgewiesen waren. Jetzt liegen die Verhältnisse frei- lich anders, und hat vor Allem Scnmirz auf Grund zahlreicher Beobach- tungen nachgewiesen, dass es bei Pflanzen sehr wahrscheinlich gar keine kernlosen Formen giebt (Sitzungsber. der niederrh. Ges.%. Aug. 1879, p. 28 d. Separatabdr.), und ferner dargethan, dass die merk- würdigen großen einzelligen Thallophyten, speciell die Gattungen Caulerpa, Codium, Vaucheria, Saprolegnia u. a. m., ganz besondere Verhältnisse zeigen. Wenn man weiß, wie verwickelt der Bau man- cher dieser Organismen, z. B. von Caulerpa (siehe Sıcas, Pflanzen- phys., Fig. 262) und Codium, ist, so ist von vorn herein klar, dass wenn überhaupt Kerne hier beim Wachsthume eine Rolle spielen, dies nur in ganz außergewöhnlicher Weise der Fall sein kann. Und dem ist in der That so, denn nach den sehr wichtigen Entdeckungen von ScuaItz besitzen diese Pflanzen nicht nureinen Zellenkern, wie ihrem Baue nach zu erwarten wäre, und wie dies im Jugendzustande wirk- lich der Fall ist, sondern eine sehr große Zahl von solchen Elementen. Diese Kerne sitzen in dem den Cellulosenschlauch dieser Organismen auskleidenden Plasmabelege zugleich mit zahlreichen Stärke bildenden Chlorophylikörnern und ergiebt sich als Regel, dass dieselben, eben so wie die Chlorophylikörner, in den wachsenden Theilen der betreffen- den Pflanzen am zahlreichsten sind, und dass die Kerne und Farb- körner hier allein durch Zweitheilungen sich vermehren. Aus diesen Thatsachen, zusammengehalten mit dem oben Angeführten, lässt sich wohl mit großer Wahrscheinlichkeit der Schluss ableiten, dass hier die Chlorophyll- und Amylumbildung und somit auch die der Gellulosen- hülle unter dem unmittelbaren Einflusse der geschilderten Kerne stehe, mit anderen Worten, dass diese das Gesammtwachsthum und die Gestaltung dieser Pflanzen beherrschen. Ganz ähnliche Kern- verhältnisse hatte Scumirz schon früher bei den Siphonocladiaceen auf- gefunden, deren Bau schon oben Gegenstand der Besprechung war, wo ich zu zeigen versuchte, dass diese Pflanzen nahe an die echt ein- zelligen sich anreihen. =
Bis vor Kurzem galten auch die Mycetozoen oder Schleimpilze als ü Organismen, die im Stadium der Plasmodienbildung keine Kerne ent- = halten, es sei daher noch kurz erwähnt, dass nun Sceumiz (l.s.c., p. 21) und Srrassurger (Zellb. u. Zellth., 3. Aufl., p. 79) bei höheren
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 31
Formen und Zorr (Die Pilzthiere oder Schleimpilze, 1885, p. 29) bei der tiefer stehenden Leptophrys vorax (deren Amöben mehr- bis vielkernig sind) die Kerne der Plasmodien aufgefunden haben.
Ich wende mich nun zu den Thieren, um zu versuchen, auch hier die Bedeutung der Kerne für das Wachsthum der Elementartheile nachzuweisen.
Obenan stelle ich den Satz, dass nur kernhaltige Zellen Wachsthum darbieten, solche dagegen, die ihre Kerne verloren haben, nie sich vergrößern, selbst wenn sie noch Stoffwechsel zeigen, wie die rothen Blutzellen der Säuger. In dieselbe Kategorie ge- hören die Epidermisschüppchen und die Elemente der Oberhäutchen und der inneren Wurzelscheide der Haare. Aber auch unter den kern- haltigen Elementen sind die mit jungen, großen, chromatinreichen, in lebhafter Theilung begriffenen Kernen bevorzugter als andere. Als Beispiele möchte ich die nach stattgehabter Theilung immer wieder rasch heranwachsenden embryonalen Zellen und manche Drüsenzellen (Hoden) nennen, ferner dieEier, die Knorpelzellen an Verknöcherungs- rändern, die tiefen Zellen der geschichteten Horngebilde und Epithe- lien. In allen diesen Fällen ist das Wachsthum der Elemente ein allseitiges und ein Einfluss des centralen Kernes auf dasselbe wohl
' annehmbar.
Schwieriger gestaltet sich die Frage bei Zellen mit ungleichmäßi- gem Wachsthum, wie den Linsenfasern, kontraktilen Faserzellen, Odontoblasten, bei den sternförmigen Knochenzellen,, Pigmentzellen, multipolaren Nervenzellen ete. Lässt sich annehmen, dass die Gestalt
‚ dieser Zellen ganz und gar aufRechnungihrer Kerne kommt? Ich glaube ‚ nicht und bin der Meinung, dass diese in manchen Fällen keine andere ‚ Einwirkung ausüben, als dass sie die Wachsthumsgröße und Art im ' Allgemeinen bestimmen, wie bei den Bindegewebszellen, Knochen-
zellen, Pigmentzellen, bei denen wohl die Größe der Zellen und der
' Gesammttypus, nicht aber die Zahl und das untergeordnete Verhalten ' der Ausläufer typisch ist. Bei den Linsenfasern kann das große , Längenwachsthum wohl mit dem großen Kerne in Verbindung gebracht
werden, während die Gestalt des Querschnittes dieser Elemente eben so durch äußere Momente hervorgebracht wird, wie die polygonalen
Umrisse anderer Epithelzellen. Bei den Odontoblasten fasse ich die
Verästelungen der Zahnfasern in derselben Weise auf, wie bei den Pigmentzellen,, betrachte dagegen das einseitige Auswachsen dieser Zellen als einen typischen Vorgang, und in derselben Weise möchte ich bei den Nervenzellen den oder die Achsencylinderfortsätze und die ver-
‚ ästelten Ausläufer einander gegenüber stellen. Bei den letztgenannten
32 A. Kölliker, .
Elementen steht die Größe der Zellen und ihrer Kerne in offenbarer Beziehung zur Zahl (und Länge?) der Ausläufer und zur Dicke des Achsencylinders der betreffenden Nervenröhren und bei den Odonto- blasten kann der Umstand hervorgehoben werden, dass dieselben oft mehrfache hinter einander liegende Kerne haben (m. Mikr. Anat. Fig. 209). Bei der Bildung spindelförmiger Zellen, wie der glatten Muskelzellen, verdient möglicherweise der Umstand Beachtung, dass die Kerne solcher Elemente immer auch langgestreckt sind, wovon auch die Botanik Beispiele kennt. So sagt Sennuz (l. c., p. 28): »In den Zellen, die sich sehr stark in die Länge dehnen, wie in den langen schmalen Epidermiszellen an den Rippen der Grasblätter, und vor Allem in den langen Elementen des primären Phlo&ms und Xylems der Fibrovasalstränge der Phanerogamen, streckt sich meist auch der Zellkern zu spindelförmiger oder lang stabförmiger Gestalt, wobei sich meist die Nucleoli in eine Reihe ordnen.«
Beweisender noch für die Bedeutung der Kerne für das Zellen- wachsthum sind die Fälle, in denen große Zellen auffallend große Kerne oder eigenthümliche Kernformen oder viele solche Elemente enthalten. Große Zellen mit mächtigen Kernen sind bei Thie- ren ungemein verbreitet und längst bekannt. Von den Amphibien und Gliederthieren weiß man schon lange, dass sie durch Größe der ge- nannten Theile sich auszeichnen und hebe ich vor Allem die Blutzellen der Perennibranchiaten und die Drüsenzellen der Insekten hervor, fer- ner die Nervenzellen der Mollusken (Hannover, Rech. microscop., 1844; Leyodig, Unters. z. Anat. und Histol., 1883, Fig. 73, 74). Sehr schöne Beispiele von großen Zellen hat uns auch die klassische Arbeit von E. van BEnEDEN über die Dieyemiden vorgeführt. Bei diesen Geschöpfen besteht das ganze Innere aus einer einzigen großen langgestreckten entodermalen Zelle mit einem riesigen ovalen Kerne (E. van BENEDEN), Rech. sur les Dieyemides, 1876, Pl. I, Fig. 8, 15; Pl. II, Fig.10, 12). Sehr bemerkenswerth und lehrreich in Betreff der Bedeutung des Zellenwachsthums für die Gestaltung des Organismus ist auch, dass die Dieyemiden schon als Embryonen die gesammte Zahl der Elementar- theile (25 Ektoderm- und 4 Entodermzelle bei Dicyema typus, E. van BEnepDen) besitzen, die der ausgebildete Organismus zeigt und ihre
endliche Größe einzig und allein durch eine Vergrößerung dieser Ele- $
mente erreichen, wobei 'die Kerne stetig mit den Zellen fortwachsen 4 (s. E. van BEneDen, 1. c., p. 24). Von den Protozoen zeichnen sich vor Allem die Radiolarien durch einen mächtigen Kern aus.
Beispiele von eigenthümlichen Formen geben die Kerne der
Spinndrüsen und Marpicurschen Gefäße der Raupen, die, wie wir seit
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 33
H. MEckEL wissen, ungemein reich verästelt sind, und bei denen es gewiss nahe liegt, an besondere Beziehungen zu den kolossalen Ele- menten zu denken, die sie beherbergen (nach H. Mrexer haben die Drüsenzellen der Speicheldrüsen von Cossusraupen 0,22 mm : 0,4 mm Durchmesser), um so mehr als die Größe der Zellen mit der Zahl und Größe der Verästelungen der Kerne steigt und fällt (H. Mecxer, in:
_ Mürr. Arch., 1846, Taf. II, Fig. 26, 32, 33; Levoie, Histologie,
Fig. 188; Körrıker, in: Würzb. Verh., Bd. VIII, 1858, p. 228, 23%). Eine ähnliche Deutung lassen alle großen Zellen zu, die viele Kerne enthalten. Zeigt in solchen Zellen die Vermehrung der Kerne keinen besonderen Typus oder geht dieselbe durch Theilungen in allen Ebenen vor sich, so entstehen kugelrunde oder dem Runden sich nähernde Formen, wie bei den Riesenzellen der Knochen, den Gysten im Sperma vieler Geschöpfe u. a. mehr; theilen sich dagegen die Kerne in be- stimmten Ebenen, so entstehen typische Zellenformen. Das auffal- lendste Beispiel der Art bieten die quergestreiften Muskelzellen dar, in denen die Kerne vorwiegend quer auf die Längsachse der Fasern sich theilen und die Länge der Fasern mit der Zahl der Kerntheilungen und Kerne in Verbindung gebracht werden kann. Bei denjenigen Muskelfasern, deren Kerne nicht nur am Sarcolemma oder in einer einzigen Längsreihe im Inneren, sondern durch das ganze kontraktile
‘ Gewebe zerstreut vorkommen, wie z. B. bei den Amphibien und ‘ vielen Arthropoden, hätte man außer den Längstheilungen auch Quer- ‚ theilungen der Kerne anzunehmen, und ließe sich hiermit die größere
t
|
U sogenannten Epithelialfortsätzen auf, und diese enthalten dann im In- neren je nach ihrer Größe eine geringere oder bedeutendere Ansamm-
Breite dieser Art Muskelfasern in Zusammenhang bringen. Als viel- kernige Zelle von bestimmter Forın kann auch die Rhachis im EBier- stocke gewisser Rundwürmer (Mermis, Ascaris etc.) angesehen wer-
den und ist hier vielleicht noch klarer, als bei den Muskelfasern, dass die Kernvermehrung die Vergrößerung und das Wachsthum des ı Ganzen bedingt.
Endlich erwähne ich hier noch die bemerkenswerthen längst be-
kannten Verhältnisse der Epithelien der<s&horionzotten des Menschen. | An den Spitzen dieser Zotten zeigt das Chorionepithel keine Zellen- grenzen mehr, sondern besteht nach Art eines Plasmodium oder Syn- (eytium aus einer zusammenhängenden Protoplasmamasse mit vielen Kernen, die, so weit als die Zotten noch eine gefäßhaltige Achse be- ‚sitzen, in regelrechten kleinen Zwischenräumen gestellt sind. An den Spitzen selbst aber (und manchmal auch an den Seiten der Zottenenden)
tritt das Protoplasma ohne bindegewebige Unterlage seibständig in den
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Ba. B3
34 A. Kölliker,
lung von Kernen. Indem diese Epithelialfortsätze mit ihren beiden Bestandtheilen fortwuchern, rückt Schritt für Schritt die gefäßhaltige Zottenachse nach und scheint es mir wiederum gestattet, das Wachs- thum dieser vielkernigen Protoplasmamassen von der Vermehrung ihrer Kerne abhängig zu machen.
Hier reihe ich noch einige Thatsachen an, die auf die Lebens- vorgänge der einfachsten Thiere sich beziehen.
a) Bei den Versuchen von künstlicher Theilung von Infu- sorien, dieM. Nussgaumin der neuesten Zeit angestellt hat (Sitzungsber. der Niederrh. Ges., 15. Dec. 1884), schienen kernlose Stücke keine Lebensfähigkeit zu besitzen und vermuthet N., dass zur Erhaltung der formgestaltenden Energie einer ‚Zelle der Kern unentbehrlich sei. A. GruseR dagegen kam bei ähnlichen Versuchen vorläufig zu keiner bestimmten Entscheidung nach dieser Seite (Biol. Centr., 1885, p. 749), ist jedoch geneigt anzunehmen, dass auch kernlose Stücke unter Um- ständen doch noch die Kraft haben zu wachsen und sich auf einige Zeit zu erhalten, wobei er sich auf einige Beobachtungen an Actino- phrys sol, Amöben und Infusorien stützt (Biol. Gentr., Bd. IL, p. 580), die den Eindruck von abnormen Vorgängen machen, und wenn sie auch zeigen, dass Bewegungen und gewisse andere Funktionen des Protoplasma bei Abwesenheit von Kernen möglich sind, doch keinen- falls beweisen, dass diese keine Wichtigkeit für das Wachsthum haben. |
b) Wenn ich oben die vielkernigen Zellen der Metazoen in dem Sinne deutete, dass die Zahl der Kerne auf die Größe der Zellen von Einfluss sei, so war ich nicht gemeint zu behaupten, dass dies auch für alle vielkernigen niederen Organismen (Protozoen) Geltung habe, deren Zahl je länger um so mehr sich vergrößert. Immerhin sprechen eine gewisse Zahl von Thatsachen bestimmt in diesem Sinne. Actino- sphaerium hat erst nur einen Kern und vermehrt sich mit zunehmen- der Größe die Zahl seiner Kerne (Bürschuı, Protozoa, p. 284), so dass es wohl erlaubt ist die Kernvermehrung, die nach A. GruBEr (Diese Zeitschrift, Bd. XXXVIH, Taf. XIX, Fig. 4 u. 4) und R. Herrwic (Die Kerntheilung bei Actinosphaerium, 1884) auf indirektem Wege statt hat, und das Wachsthum in Zusammenhang zu bringen. Noch deutlicher lehren dies die schönen Untersuchungen von ZerLer über Opalina ranarum (Diese Zeitschrift, Bd. XXIX, p. 352). Durch wiederholte Spaltungen oder Theilungen liefern die vielkernigen alten Thiere schließlich kleine Theilstücke mit wenigen (®—5—12) kleinen Kernen, die sich eneystiren und ‚später (im Darm von Froschlarven) nur einen einzigen großen Nucleus zeigen, dessen Entstehung — ob
a 7 an
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 35
‚durch Verschmelzung der kleinen Kerne oder durch Neubildung — nicht beobachtet wurde. Frei geworden wachsen nun diese einkerni- gen Theilstücke zu Thierchen heran, die erst nur in der Länge und dann auch in der Breite zunehmen. So lange ersteres geschieht, theilt sich der Kern durch indirekte Theilung (Maupras, in: Compt. rend., 1879, p. 250 ; BaLsıanı, in: Journ. deMicrogr., 1881, p.360) immer in der Längsrichtung desThieres in2, 4, 6, 8, 12und mehrKerne (ZeLLer, Taf. XXI, Fig. 21, 22, 23a, 23b, 24; EngELMmAnn, in: Morph. Jahrb., Bd.1, Taf. XXI, Fig. 8—13). Nach Zerzer’s Abbildungen beginnt dann bei 12 Kernen das Wachsthum in die Breite, und dann theilen sich die Kerne auch in der Querrichtung (ZeLLer, Fig. 24) und so scheinen hier durch einen Vorgang, der an den bei der Bildung der quergestreiften Muskelfasern mit vielen Kernreihen erinnert, die Opalinen ihre end- liche Größe zu erlangen. — Im Übrigen gebe ich gern zu, dass in vielen Fällen eine Beziehung der zahlreichen Kerne der Protozoen zum Wachsthum nicht nachzuweisen ist, und dass hier noch andere Möglich- keiten der Deutung obwalten, wie z. B. Beziehungen zur Fort- pflanzung, die noch nicht spruchreif sind (man vgl. bes. A. GruBEr, l.s. c., dann: Über Kern und Kerntheilungen bei den Protozoen. in: Diese Zeitschr., Bd. XL, p. 231, über vielkernige Protozoen. in: Biol. Gentr., 1885, Nr. 23; ferner E. Mauras, Contribution a l’etude les infusoires cilies. in: Arch. de Zool., 14883, p. 427—664, Pl. 19—24).
So viel vom Wachsthume der Elementartheile und ihren Beziehun- gen zu den Kernen. Viel schwieriger ist die Frage zu entscheiden, ob die Kerne auch bei der Bildung der Intercellularsubstanzen, der Guti- eularbildungen und bei den Resorptionsvorgängen eine Rolle spielen, zu deren Erörterung ich nun noch übergehe.
Bei den Intercellularsubstanzen, die in den Geweben der Bindesubstanz eine so große Rolle bei der Gestaltung spielen, schei- nen mir die Verhältnisse so zu liegen, dass von einer unmittel- baren Einwirkung der Kerne auf die Bildung der Zwischensubstan- zen keine Rede sein kann. Wenn jedoch die Zahl der Zellen solcher Organe, ihre Anordnung und ihre Lebensthätigkeit unter dem Ein- flusse der Zellenkerne steht, so hängt mittelbar auch die Menge und Anordnung der Zwischensubstanzen von den Kernen ab. Einige Bei- spiele werden zeigen, wie dies gemeint ist. Eine fertige Sehne be- steht aus Bindegewebszellen und leimgebender Zwischensubstanz in bestimmter Anordnung, eine embryonale Sehne dagegen einzig und allein aus runden und später. aus verlängerten einkernigen Zellen. Wovon hängt nun die Größe und Gestalt der Sehne ab? Unstreitig von ' der Summe der Zellen, die in ihre Anlage eingehen und von der An- 3 *
36 A. Kölliker,
ordnung derselben. Ist so der Typus einer bestimmten Sehne oder Sehnenhaut gegeben, so erreicht dieselbe ihre endliche Vollendung, indem ihre Zellen unter Mitwirkung der zusirömenden Ernährungs- flüssigkeit eine bestimmte Menge Zwischensubstanz bilden, und sind mithin die Sehnenzellen die Hauptfaktoren für die Bildung dieser. Or- gane. Dasselbe gilt für die Knorpelzellen, die Osteoblasten, Odonto- blasten und ihre Beziehungen zur Entwicklung der Knochen, Knorpel . und Zähne. Eben so ist bei den Guticularbildungen die Form der betreffenden Oberhautzellen, ihre Gruppirung und ihre Lebensenergie das Bestimmende für die Gestalt, Mächtigkeit und chemische Zu- sammensetzung der betreffenden Ausscheidungen, mögen dieselben nun an vereinzelten Zellen auftreten, wie die Hornzähne der Batra- chierlarven und die Schüppehen der Schmetterlingsflügel, oder an ganzen Zellenkomplexen, wie die Cuticulae, der Zahnschmelz, die Panzer der Articulaten, die Kiefer vieler Mollusken.
In derselben Weise deute ich endlich auch die so sehr auffallenden und als formgestaltend so wichtigen Vorgänge der Resorption an Knochen und Knorpeln. Nicht die Kerne der Riesenzellen oder meiner Östoklasten bewirken die Resorption, wohl aber bedingt, wie mir scheint, ihre Vermehrung und ihre Zahl die Größe der betreffenden Riesenzellen und könnte die physiologische Thätigkeit dieser Kerne eine besondere Leistung der betreffenden Zellen herbeiführen. In letzterer Beziehung eröffnen sich jedoch noch andere Möglichkeiten, die ich auch noch hervorheben möchte, um mich gegen den Vorwurf zu verwahren, dass ich allzu einseitig nur das Wachsthum der Ele- mentartheile und die Leistungen ihrer Kerne bei der Formbildung als betheiligt ansehe. Wie ich schon in meiner Arbeit über die Knochen- resorption hervorgehoben, ist bei derselben der Druck der umgebenden Weichtheile von großer Bedeutung und will ich den dort angeführten Beispielen auch noch das sehr beweisende der Bildungsweise der Alveolen der Kiefer anfügen. Wie dieser Druck mit der Bildung der Riesenzellen und der Resorption zusammenhängt, wissen wir nicht, sicher aber ist, dass derselbe mit den Wachsthumsverhältnissen der dem Knochen anliegenden Theile in Verbindung steht. So ist bei der Bildung der Alveolen das Wachsthum und die Vergrößerung der Zahn- anlagen das eine wirksame Moment, das Auftreten der Ostoklasten an der Innenwand der Alveolen das andere, und ist es wohl möglich, dass das erstere das ausschlaggebende ist, in welchem Falle das Typische bei den Resorptionsvorgängen der Knochen nicht in. diese selbst, son- dern in die Gestaltung der umgebenden Theile zu verlegen wäre.
Wie hier im Falle der Knochenresorption mechanische Mo-
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 37
mente bei der Gestaltung eine Rolle spielen könnten, so sind auch an anderen Orten solche denkbar, und will ich ausdrücklich die Kreis- laufsverhältnisse und den Blutdruck, so wie den Zug und Druck der muskulösen Apparate, ferner den Druck wach- sender Theile und den Widerstand der Gewebe namhaft machen, und bin ich überhaupt weit von der Annahme entfernt, alle und jede Gestaltungsverhältnisse nur von den Elementartheilen und den Funktionen ihrer Kerne abhängig machen zu wollen. Von vorn herein ist nämlich klar, dass bei Pflanzen wie bei Thieren die Ernäh- rung einen großen Einfluss auf die Formbildung hat, eben so das Licht, Temperaturen, die Medien, in denen die Organismen leben (Land-, Wasserthiere, Parasiten), ferner mechanische Momente, Zug, Druck, die Schwere. Die Größe, die Farbe, die Gestaltung der Organismen und ihrer Theile können so mannigfache Veränderungen erleiden; im- merhin wird durch solehe Einwirkungen, wenn sie nicht die eigentlichen Faktoren der Gestaltung, d. h. die Ele- mentartheile treffen, nie das Wesentliche der Organi- sation berührt und der Typus geändert; denn das ei- sentliehAusschlaggebende für dieFormbildung sind die Molekularkräfte, die im Idioplasma wirksam sind oder die inneren Ursachen.
Bevor ich diese Auseinandersetzungen schließe, möchte ich nun noch die Aufmerksamkeit auf das Nervensystem lenken, dessen Deutung von dem hier festgehaltenen Standpunkte aus große Schwie- rigkeiten bereitet. So weit als in diesem Systeme einfache Zellen an der Formbildung sich betheiligen, wie bei der ersten Entstehung des Medullarrohres, dem Verschlusse desselben, der Bildung der Hirnblasen u.a., ist die Gestaltung nicht schwer zu begreifen, und liegen die Ver- hältnisse, wie bei allen anderen Zellenkomplexen. Wenn es sich aber darum handelt, die Entstehung der peripheren Nerven und die Bildung der weißen Substanz in den CGentralorganen zu deuten, so scheint jede Möglichkeit einer Erklärung zu fehlen. Lässt man die Nervenfasern ‚einfach aus den Nervenzellen hervorwachsen, so kann man wohl daran denken, die Dicke und Länge der Achseneylinder von der Größe der betreffenden Zellen und ihrer Kerne und von deren Thätigkeit abhän- gig zu machen, aber wie sollen der Verlauf der Nervenfasern im Ein- zelnen, ihre Plexusbildungen und typischen Verästelungen , wie ihre gesetzmäßigen Verbindungen mit den motorischen und sensiblen peri-
pheren Organen begreiflich gemacht, werden ? Es ist dies bekanntlich
| | /
eine Frage, die,Hensen zuerst einlässlich besprochen hat (Viren. Arch.,
Bd. 31 , 1864, p. 51 ; Zeitschrift f. Ant. und Entw. I, p. 372%. fl.) und
38 A. Kölliker,
die diesen Forscher zur Aufstellung der Hypothese führte, dass die Nervenzellen der Gentralorgane einerseits und die Muskelzellen und sensiblen Endzellen andererseitsvon ihrer ersten Entstehung an mit einanderin Verbindung
stehen, und dass die späteren zusammengesetzten motorischen und
sensiblen Leitungsbahnen nur weitere Entwicklungen der ursprüng- lichen einfachen Verbindungen seien. Ich selbst war früher dieser Hypothese keineswegs geneigt und habe mir auch erlaubt, eine Reihe Bedenken gegen dieselbe vorzulegen (Entw., 2. Aufl., p. 618 ff.), an denen ich zum Theil noch festhalte; eine weitere Überlegung hat mir nun aber gezeigt, dass die Hernsen’ sche Hypothese oder eine derselben verwandte Aufstellung die einzige ist, die uns in den Stand setzen würde, die Gestaltung des Nervensystems von denselben Gesichts- punkten aus zu erklären, wie die des übrigen Körpers, d. h. dieselbe auf die Leistungen der Kerne der betreffenden Zellen zu basiren.
Da hier nicht der Ort ist, um diese schwierige Frage ausführlich zu beleuchten, um so mehr als dieselbe noch lange nicht genug ge- prüft ist, so beschränke ich mich auf folgende Andeutungen:
1) Bei gewissen Sinnesorganen, wie beim Auge, besteht eine ursprüngliche Verbindung der peripherischen Theile mit dem Gehirn (primitiver Opticus, Augenblase) und ist die Möglichkeit vorhanden, die späteren Beziehungen zwischen den centralen Nervenzellen und den Sinneszellen der Netzhaut aus ursprünglichen Verbindungen ab- zuleiten. Ähnliche Beziehungen könnten auch beim Gehörorgane obwalten, bei dem die ektodermale Labyrinthanlage (das Gehör- hläschen) und das Ganglion acustici von Anfang an in direkter Berüh- rung sind (meine Entw., 2. Aufl., Fig. 379) und der Annahme nichts im Wege steht, dass im Sinne von Hensen die sensiblen Endzellen von Hause aus mit den Nervenzellen des Ganglion zusammenhängen. Die von A. Froriepr eben beschriebenen Kiemenspaltenorgane von Säugethierembryonen (Arch. f. Anat. und Phys. von Hıs und Braune, 1885) zeigen ähnliche Beziehungen des Ektoderms zu den Ganglien des Facialis, Glossopharyngeus und Vagus und wäre es leicht möglich, dass aus denselben ebenfalls gewisse bleibende Nervenendigungen (N. tympanicus, Rami pharyngei?) sich hervorbildeten.
2) In anderen Fällen wachsen die Nerven mit zelligen Elementen in die Peripherie, wie ich dies beim Olfacto- rius des Menschen aufgefunden (Würzb. Festschr. z. Züricher Jubi- läum, p. 17, 18, Fig. 16, 20), und kann hier das gesammte Wachs- thum derselben von der Thätigkeit der betreffenden Zeilen und Zellenkerne abhängig gemacht werden. Und das Nämliche gilt 'mög-
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Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 39
licherweise für alle sensiblen Nerven, wie meine alten Beobachtungen über die Nerven im Schwanze der Batrachierlarven lehren (Ann. d. Sc. nat., 1846, Pl. 6, 7 und alle Aufl. m. Gewebelehre), denen zufolge die Enden dieser Nerven aus anastomo- sirenden Zellen bestehen.
3) Die Annahme, dass Nervenals Bündel feinster Achseneylinder mit freien Enden in die Peripherie wachsen, welche jede Erklärung ihres Wachsthums von dem hier vertheidigten Standpunkte aus unmöglich machen würde, stützt sich, genau besehen, auf keine direkte Beobachtung. Denn Remar’s berühmte Beschreibung der Nerven einer Extremitätenanlage » eines Stägigen Hühnerembryo (Taf. IV, Fig. 43 u. p. 46) lehrt uns, dass die Nerven hier »unverästelt, unverschmälert und ohne freie Enden zu zeigen sich verlieren«.. Und von den Zwischenrippennerven meldet Remak sogar, dass dieselben an der Muskelplatte enden, und dass man eher sagen könne, dass sie aus dieser, als dass sie aus den Urwirbeln (wir würden jetzt sagen dem Marke und den Spinalganglien) hervor- wachsen.
%) Beiden Nervenfasern im Innern der Gentralorgane lässt sich die Möglichkeit, dass dieselben von Anfang an an beiden Enden mit Zellen in Verbindung stehen, auch nicht abweisen und müsste nur, Angesichts ihrer späteren Verhältnisse, d.h. ihres schein- baren Wachsthums nach bestimmten Seiten, eine Verdiekung und ein Siehtharwerden ihrer Anlagen, gleich dem Markhaltigwerden dersel- ben, in bestimmten Richtungen angenommen werden.
Alles zusammengenommen möchte ich für einmal einer Modifi- kation der Hensen’schen Hypothese in dem Sinne das Wort reden, dass eine Entwicklung von Nervenfasern angenommen würde, 1) aus primi- tiven Verbindungen der Nervenzellen in den Centralorganen selbst (Leitungsfasern im CGentralnervensystem, Opticus), 2) aus Verbindun- gen centraler Zellen mit Zellen des Ektoderms (Gehörorgan, sensible Nerven zum Theil), 3) aus solchen Verbindungen mit Endzellen im
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Mesoderm (motorische und gewöhnliche sensible Nerven) und 4) aus
centralen nach der Peripherie wuchernden Zellen (Olfactorius). In den beiden letzteren Fällen könnte auch ein Einwachsen der letzten Nervenenden in Ektoderm- oder Entodermlagen dazu kommen.
Fassen wir nun noch einmal das Ergebnis der bisherigen Betrach- tungen zusammen, so ist es folgendes: 1) Die Vorgänge der Vererbung sind einzig und allein aus den
bei der Zeugung stattfindenden Erscheinungen zu begreifen.
40 A. Kölliker,
2) Genauer bezeichnet, übertragen die zeugenden Organismen auf
den erzeugten eine morphologisch bestimmte Substanz von typischer Zusammensetzung, von deren Leistungen die ganze ee des Erzeugten abhängt.
3) Dieser Vererbungsstoff (Idioplasma, GC. Näserı) ist in den Keim- hläschen der Eier und in den Samenfäden enthalten, welche beide die Bedeutung von Kernen haben, und wird chemisch wahrscheinlich: durch das sogenannte Nuclein charakterisirt (s. unten).
%) Durch den Zusammentritt je eines dieser männlichen und weiblichen Kerngebilde entsteht der erste Kern des neuen Geschöpfes, der somit als eine hermaphroditische Bildung anzusehen ist und als Träger männlicher und weiblicher Charaktere erscheint.
5) Von diesem ersten embryonalen Kerne stammen alle Kerne des vollendeten Geschöpfes in ununterbrochener Formfolge ab und sind dieselben somit ebenfalls Vertreter beider zeugenden Organismen.
6) Durch besondere Leistungen der sie bildenden kleinsten Theil- chen bedingen die Kerne erstens die Vermehrungserscheinungen der Zellen und zweitens das Wachsthum usa. sowohl dem Grade als der Qualität nach.
7) Die typischen Gestaltungen der Organe und der Gesammt- organismen sind die Folge von bestimmten Kombinationen von Zellen- theilungen und Zellenwachsthumsvorgängen, und beherrschen somit die Kerne, vermöge ihrer typischen, von den Erzeugern erhaltenen Kräfte, den gesammten Gestaltungsprocess der Organismen oder die Vererbung.
Anmerkung. Ich bin bei meiner Darstellung der Bedeutung der Zellenkerne von der Annahme ausgegangen, dass alle Kerne eines Organis- mus in unmittelbarer Formfolge aus dem Eikerne hervorgehen, alle herma- phroditischer Natur sind und Idioplasma enthalten. Mit dieser Annahme stehen eine Reihe Angaben im Widerspruch, denen zufolge auch eine »freie Kernbildung« unabhängig von anderen Kernen vorkommen soll. Die mei- sten derselben (s. FLEemming, Zellsubstanz ete., p. 366—-374) halten jedoch vor einer genaueren Kritik nicht Stand und sind; meiner Meilühe zufolge, die Beobachtungen von E. v. BENEDEN über die Dieyemidenkeime die einzigen, die Beachtung verdienen (l. c., Pl. I, Fig. 20—24; Pl. III, Fig. 59a, 60, 7%). Doch treten auch diese durch die neueren Erfahrungen von C. O. Warrman (Mittheilungen d. Zool. Stat. zu Neapel, Bd. IV, p. I) in ein an- deres Licht und verlieren ihre Beweiskraft. — Da im Pflanzenreiche nach dem jetzigen Stande der Dinge nirgends eine freie Kernbildung nachgewiesen ist, so halte ich es für gerathen, auch bei den Thieren diese Frage nicht in die Besprechung zu ziehen, bevor nicht ‚ausführlichere Untersuchungen vorliegen. |
Ferner bemerke ich, dass ich absichtlich die sogenannten kernlosen Organismen, dieMoneren und andere, unberücksichtigt gelassen habe,
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Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 41
‘da es mir vorläufig nichts weniger als ausgemacht gilt, dass solche Formen
vorkommen. In gewissen Moneren HAEckErv's ist der Kern bereits gefunden, und so wird die ganze Frage an der Hand der Kernfärbemittel einer neuen Prüfung zu unterziehen sein.
Wenn die Auffassung richtig ist, dass die Kerne das Idioplasma enthalten und die Gestaltung des Organismus beherrschen, so tritt auch die chemische Zusammensetzung derselben in den Vorder- grund und wirft sich die Frage auf, ob vielleicht das von Fr. MiEscHEr entdeckte Nuclein (das Chromatin der Neueren) nicht nur der bei der Befruchtung wirkende Stoff sei, wie dies gestützt auf die neuen Er- fahrungen über die Vorgänge bei der Befruchtung angenommen wer- den darf, sondern auch die Substanz, der, wie Sıcas! von den Pflan- zen zuerst gesagt hat, »die befruchteten Embryonen und die daraus hervorgehenden Vegetationspunkte ihre Gestaltungsfähigkeit verdan- ken«, oder wie wir auch sagen könnten, die Substanz, die Nägczrr Idio- plasma nennt und welche die Vererbung bewirkt. Die weitere An- deutung von Sacus (p. 748), dass das Nuclein, falls es die ihm zuge- schriebene Rolle wirklich spiele, in verschiedenen Arten vorhanden sein müsse, verdient gewiss alle Beachtung, doch scheint es mir ge- rathen, vor einem Eingehen in solche Fragen weitere Untersuchungen über die chemische Zusammensetzung der Kerne verschiedener Or- gane, ferner der Samenfäden verschiedener Thiere abzuwarten. Auch halte ich es für denkbar, dass die Kerne bei derselben chemischen Zusammensetzung vermöge der molekulären Struktur ihrer wirksamen Substanz (des Idioplasma) verschiedene Wirkungen entfalten, und möchte für diese Möglichkeit vor Allem anführen, dass die Einwirkung der Samenfäden auf die Vererbung bei den Individuen einer Art doch kaum auf größere Verschiedenheiten derselben bezogen werden kann. Nach den bisherigen Erfahrungen lässt sich wenigstens nicht anneh- men, dass die Samenfäden verschiedener Individuen einer Säugethier- art oder des Menschen chemische Verschiedenheiten darbieten, ob- schon dieselben eine ganz besondere Wirksamkeit entfalten. Eher wäre es möglich, dass bei verschiedenen Gattungen oder größeren Gruppen Abweichungen vorkämen, für welche Annahme die vortreff- lichen Untersuchungen MigscHer’s über den Samen des Lachses, des Karpfens und des Stieres eine Handhabe bieten würden. MisschEr kommt übrigens in Folge gut begründeter Erwägungen (p. 59) zu dem
Satze: »dass es keine specifischen Befruchtungsstoffe gebe und dass
die chemischen Thatsachen sekundäre Bedeutung haben« und würde
! Stoff und Form der Pflanzenorgane. in: Arbeiten des botanischen Instituls in
Würzburg. Bd. II. 1882. p. 746.
49 A. Kölliker,
unbedingt, wie seine weiteren Reflexionen lehren, wenn zu der dama- ligen Zeit (1874) die Verbindung von Ei- und Spermakern bei der Be- fruchtung bekannt gewesen wäre, zu der Annahme gelangt sein, dass die molekuläre Struktur der Zeugungsstoffe das Ausschlaggebende ist. — Über die chemische Beschaffenheit der Kerne vergleiche man noch vor Allem die Arbeiten von E. ZacuaArsas (Bot. Zeit. 1881, Nr. AA, 1882, Nr. 37—39, 1883, Nr. 13), welche, wie Alles was sonst über diese Frage bekannt ist, lehren, dass in den Kernen jedenfalls mehrere verschiedene Substanzen vorkommen, über deren Bedeutung noch nicht abgesprochen werden kann, wenn auch sicher zu sein scheint, dass die färbbare Substanz wesentlich Misscher’s Nuclein und der in erster Linie wirksame Stoff ist.
Zum Schlusse möchte ich nun noch die allgemeine Frage bespre- chen, welche Veränderungen die Vererbungssubstanz oder das Idioplasma im Laufe der individuellen Entwicklungen erleidet. Wie wir früher sahen, ist der erste Kern des werdenden Geschöpfes hermaphroditischer Natur und ist es sehr wahrscheinlich, dass auch alle späteren Kerne dieselbe Natur darbieten und gleiche Men- gen von Bestandtheilen des Spermakernes und des Eikernes enthalten. Hieraus ließe sich weiter der Schluss ableiten, dass alle Zellen des fer- tigen Organismus in gewisser Beziehung auf dem Stadium der befruch- teten Eizellestehen und das Vermögen besitzen, den gleichen Organismus zu erzeugen, wie diese. In vollem Gegensatze hierzu steht die Auf- stellung von Weısmann!, der zufolge in jedem höheren Organismus ein tiefer Gegensatz besteht zwischen den Keimzellen und den Körperzellen, von denen die ersteren unsterblich, die letzteren vergänglich genannt werden, eine Hypothese, die in erster Linie von Nussgaum ausgeht, der sich zugleich bemüht zu zeigen, dass die für die Keim- zellen bestimmten Stoffe früh von den anderen sich scheiden, mit an- deren Worten die Geschlechtsdrüsen möglicherweise bei allen Thieren vor der Keimblattbildung sich anlegen, wie dies in der That in eini- gen Fällen nachgewiesen ist (gewisse Insekten, Daphnoiden, Sagitta).
Da diese Frage von großer allgemeiner Tragweite ist, so wollen wir dieselbe noch etwas einlässlicher beleuchten. Gehen wir davon aus, dass das befruchtete Ei Alles in sich enthält, was zur Erzeugung eines neuen Organismus mit Inbegriff der Fortpflanzungsorgane nöthig ist, so frägt sich zuerst, auf welche und auf wie viele Ahkömmlinge desselben diese Eigenschaft sich überträgt. Weiter haben wir dann zu unterscheiden zwischen dem Wachsthume des Organismus oder der
1 Vererbung, p. 6 fl.
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 43
Ausbildung seiner Organe und dem Vermögen desselben sich wieder zu erzeugen.
Das Wachsthum des Organismus anlangend, so verdanken wir Sıcns die erste genaue Untersuchung dieser Frage. Derselbe zeigt!, dass bei Pflanzen das Urmeristem oder das embryonale Zellengewebe, von dem aus jedes Wachsthum, d. h. die Anfänge der neuen An-
sprossungen und der Gewebebildung, ausgeht, weit über die erste
Entwicklung sich erhält, und dass alle, auch die am spätesten auf- treienden Vegetationspunkte auf das Urmeristem des Embryo, aus welchem die .erste Spross- und Wurzelanlage entstand, sich zurück- führen lassen. Weiter gelangt dann Sıcns zur Besprechung der Mög- lichkeit, dass das Nuclein der Zellenkerne dieser embryonalen Gewebe die Substanz sei, der die befruchteten Embryonen und die aus den- selben hervorgehenden Vegetationspunkte ihre Gestaltungsfähigkeit verdanken und dass auch bei Adventivsprossungen, die nicht auf embryonales Gewebe zurückgeführt werden können, die Gestaltung von diesem Stoffe abhänge.
Bei Thieren finden sich dieselben Verhältnisse. Thierstöcke schließen sich genau an die Pflanzen an und lässt sich leicht nach- weisen, dass die Vegetationspunkte einer Polypenkolonie z. B. auf Zellen von embryonalem Charakter zurückzuführen sind. Aber auch bei Einzelindividuen hat dieses Gesetz Geltung und sind hier eben- falls alle Zellen wachsender Organe direkt von den Elementen des sich furchenden Eies abzuleiten. Beispiele erscheinen ganz überflüssig, da
Niemand bezweifelt, dass die Keimblätter dieser Geschöpfe aus Theil- stücken der befruchteten Eizelle entstehen und ihrerseits wiederum in die Anlagen der verschiedenen Organe übergehen ; dagegen verdient ' eine andere Frage eine genauere Würdigung und zwar die, ob auch in ' ausgebildeten Geschöpfen noch Zellen mit embryonalem Charakter vor-
kommen. Meines Erachtens zufolge giebt es in der That solche Ele-
mente und möchte ich hierher zählen:
A} alle tiefsten Zellen der geschichteten Epithelien
und des Horngewebes, wie z. B. die Zellen des Haarknopfes, das
Linsenkapselepithel, die tiefsten Zellen des Rete Malpighii der Epidermis,
2) die Osteoblasten und Odontoblasten,
3) viele Knorpelzellen,
Ak) die Elemente aller Drüsen, die Zellen bilden,
i Über die Anordnung der Zellen in jüngsten Pflanzentheilen. in: Arbeiten des
' bot. Instit. in Würzburg. Bd. II. p. 103, 404 und: Stoff und Form der Pflanzen- ; organe, ebenda p. 713.
44 " | A Kölliker,
5) die Iymphoiden Zellen,
6) gewisse Bindesubstanzzellen,
7) die Keimzellen (Eizellen und Samenfädenbildungszellen).
Im Einzelnen ist es oft schwer, in Betreff der Deutung einer ge- wissen Zellenart eine bestimmte Entscheidung zu geben, doch liegt ein gutes Kriterium wenigstens in der Regenerationsfähigkeit der Organe. In allen Fällen, in denen ein Organ oder ein Gewebe fähig ist sich wieder zu erzeugen, muss dasselbe Elemente von em- bryonalem Charakter enthalten oder wenigstens solche, die diesen Charakter anzunehmen im Stande sind. So würde ich annehmen, dass bei den Geschöpfen, die im Stande sind, verloren gegangene Organe (Extremitäten, Kiemen, den Schwanz) wieder zu bilden, an der Wund- fläche in erster Linie aus den benachbarten Gewebselementen Zellen von embryonalem Charakter sich erzeugen, die dann nach denselben Gesetzen, wie beim Embryo, die Organgestaltung bedingen.
Wenden wir uns nun zu dem zweiten Falle und fragen wir, unter welchen Verhältnissen Elemente auftreten, die die Fähigkeit besitzen, den Gesammtorganismus wieder zu bilden, so können wir unmöglich der Annahme zustimmen, dass dieses Vermögen bei geschlechtlich differenzirten Organismen ausschließlich an die besonderen Keim- zellen gebunden sei. Bei Thieren sprechen gegen dieselbe die zahl- reichen Fälle, in denen eine Vermehrung durch Sprossen oder Keime statt hat, mögen dieselben nun von Anfang an aus freien Zellen sich entwickeln, wie heim Generationswechsel der Trematoden und den Dieyemiden oder erst später sich ablösende Zellenkomplexe darstel- len, wie bei den Hydromedusen. In demselben Sinne verwerthe ich auch die Fälle, in denen Thiere durch Theilung sich vermehren , wie 7». B. gewisse Medusen, die Steinkorallen, so wie die Parthenogenesis. Und was die Pflanzen anlangt, so ist längst bekannt, dass viele ein- fache Organismen (Muscineen, Pilze, Algen) aus Zellen, die der Befruch- tung nicht bedürfen, oder aus ungeschlechtlich erzeugten Sporen, höhere Pflanzen wenigstens in gewissen Fällen aus einzelnen Theilen, wie Wurzelstücken, Blättern ete. sich wieder erzeugen. Hierher gehören auch die seltenen Fälle von Parthenogenese oder Apoga- mie (pe Bary) bei Pflanzen, wie bei Chara crinita, gewissen Farnen, Coelebogyne. Es darf daher wohl’ angenommen werden, dass'von Haus aus jede embryonale Zelle das Vermögen’ besitzt, das Ganze zu erzeugen und in gewissem Sinne Keimzelle ist, und dass wenn dieses Vermögen bei den höheren Thieren und Pflanzen später nur an,gewisse Elemente gebunden erscheint, diesmitbesondern Verhältnissen verknüpft ist. Ich denke mir, dass bei der Entwicklung der mehrzelligen ‘Organismen
Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. 45
die zuerst auftretenden Zellen alle wesentlich denselben Werth be- saßen, und durch ihre hermaphroditischen Kerne der befruchteten Eizelle gleichstanden. Im Laufe der Entwicklung ging dann ein Theil dieser Elemente besondere Umgestaltungen ein und differenzirte sich zu den specifischen Gewebszellen, und je mehr dies geschah, um so mehr verlor sich die, wenn man so sagen darf, embryonale (Ei- oder Keimzellen-) Natur derselben, ohne dass jedoch ihre Kerne nothwendig ihre hermaphroditische Zusammensetzung oder ihr Idioplasma sofort einbüßten. Doch blieb diese embryonale Natur immerhin bei manchen Elementen erhalten, und solche Zellen sind es dann, die an Vegeta- tionspunkten wuchern und unter Umständen den Organismus wieder zu bilden geeignet sind. Eine besondere Art solcher Zellen von em- bryonalem Charakter wandelt sich endlich speciell zu den Keimzellen im engeren Sinne, zu den Ei- und Samenzellen, um, welchen die Ver- richtung der Fortpflanzung allein zukommt, indem die einen derselben reichliches Plasma in sich entwickeln, welches als erstes Ernährungs- material des neuen Geschöpfes zu fungiren hat, die anderen bewegli- chen Gebilden den Ursprung geben, die eine Verbindung mit den Eizellen einzugehen befähigt sind. Männliche und weibliche Keim- zellen sind demnach für mich einfach Zellen von embryonalem Cha- rakter, die behufs ihrer specifischen Funktion besondere Eigenschaften angenommen haben.
Wenn diese Darstellung richtig ist, so würde von einer scharfen Grenze zwischen Keimzellen und somatischen Zellen keine Rede sein, und könnten unter Umständen, wie bei niederen Pflanzen und Thieren, embryonale Zellen aller Art, z. B. von Vegetationspunkten, die Rolle von Keimzellen übernehmen und selbst bereits differenzirte Gewebs- zellen wieder zu embryonalen Zellen sich umbilden. Auch wäre — un- beschadet der schönen Untersuchungen von Weısmanx über die Hydro- medusen und die Richtigkeit derselben angenommen — keine Nöthi- gung vorhanden, bei allen Thieren die Keimzellenbildung in dasselbe Keimblatt zu verlegen und noch weniger wäre einzusehen, warum bei
der ersten Entwicklung die Keimzellen früh von den somatischen Zellen
sich zu sondern hätten, was, wie ich noch besonders hervorhebe, bei den Pflanzen sicherlich nicht geschieht, bei denen die Entstehung der
, Sexualzellen oft in eine sehr späte Zeit fällt. — Übertragen wir diese
Anschauungen auf die pathologische Anatomie, so gewinnt die
' Lehre Connneim’s von den atypischen Gewebsneubildungen auf embryo- naler Grundlage einen neuen Halt, und möchte ich das, was ich in
‚ meinem Aufsatze: Die embryonalen Keimblätter und die Gewebe ‚ (Diese Zeitschrift Bd. XL, p. 210) als möglich darstellte, nun als in
46 A. Kölliker, Die Bedeutung: der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung.
hohem Grade wahrscheinlich bezeichnen, dass im Organismus viele Zellen bestehen, die entweder einen embryonalen Charakter besitzen oder einen solchen anzunehmen im Stande sind.
Würzburg, Februar 4885.
a un en nm ann A
Untersuchungen über einige Flagellaten und verwandte Organismen.
Von
Dr. €. Fisch, Privatdocent der Botanik an der Universität Erlangen.
Mit Tafel I—IV.
Einleitung.
Nachdem durch die Arbeiten von Cıenkowskı!, StEIn?, BütschHLı und Kress * vor Allem das Studium der so interessanten und wichtigen Gruppe der Flagellaten sich nach vielen einzelnen Seiten vertieft und vervollkommnet hatte, ist in neuester Zeit durch das vortreflliche Werk
von BürscuLı® eine Gesammtübersicht derselben geliefert worden, die
den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse auf das Vollkommenste repräsentirt. Es ist vor Allem bei Zoologen und Botanikern die Über- zeugung durchgedrungen, dass es sich bei den Flagellaiten um Wesen handelt, die zwischen ihren Gebieten stehen ; der alte Streit, ob Thier oder Pflanze, ist gegenstandslos geworden durch die Erkenntnis, dass jene beiden Begriffe von uns gemachte Abstraktionen sind, denen sich durchaus nicht jeder Organismus zu fügen braucht, dass die Flagellaten- kunde ein Gebiet darstellt, dessen von Zoologen und Botanikern ge- meinsam unternommene Bearbeitung einzig und allein zu einem befrie-
digenden Ergebnis führen kann. Es ist besonders die Wahrscheinlichkeit,
bei diesen Organismen Anknüpfungspunkte für die Ableitung höherer
1 Archiv für mikr. Anatomie. Bd. I und VI. — Bot. Zeitung 1865. 2 Organismus der Infusionsthiere. III. Abth. 3 Diese Zeitschr. Bd. XXX. - 4 Über die Organisation einiger Flagellatengruppen. Untersuchungen aus dem bot. Institut zu Tübingen. I, 2. ö Protozoen in Bronn’s Klassen u. Ordnungen des Thierreiches. 2. Aufl. Lig. 22
bis 27. 41883—84. Im Folgenden nur als Protozoen citirt.
48 0. Fisch,
Pflanzenformen einer-, höherer Thierformen andererseits zu finden, die eine gleichartige Untersuchung wünschenswerth macht. Wie schöne Ergebnisse da zu erwarten sind, hat vor Allem Kızss gezeigt, und auch Bürscarı bat es unternommen auf solche Möglichkeiten hinzuweisen. Natürlich sind für einen derartigen Zweck die eingehendsten und voll- ständigsten Kenntnisse nöthig, und die liegen trotz der angeführten klassischen Arbeiten noch nicht vor. Im Einzelnen zeigt sich noch fast überall die größte Lückenhaftigkeit, und, entspricht auch vielleicht die systematische Anordnung, die BürscaLı gegeben, unseren augenblick- lichen Erfahrungen, so darf sie doch immer nur als eine vorläufige an- gesehen werden; es ließen sich auch in der That schon heute eine An- zahl Einwendungen aufführen.
Was die Organisationsverhältnisse der Formen betrifft, so liegen auch da immer nur für einzelne derselben genaue und zuverlässige An- gaben vor, Dank namentlich den Arbeiten von KLeBs, CLARK, CARTER, Kext und Bürschui. Über die meisten Flagellaten fehlen dieselben zur Zeit noch, zumal aus den Stein’schen Abbildungen und Erklärungen im Detail nicht allzuviel absolut Sicheres abzuleiten ist. — Von diesen zwei Gesichtspunkten aus sind die folgenden Untersuchungen unter- nommen. Von der Litteratur, die ich möglichst vollständig benutzt habe, habe ich hier nur immer das Nothwendigste citirt, um bei ihrer großen Ausbreitung nicht zu weitläufig zu werden. Es sei ein- für allemal auf die treffliche Zusammenstellung derselben bei BürscuLi verwiesen. Ein- zelne wichtige Werke, wie das Infusorienwerk von Kent oder die Micro- zoaires von FROMENTEL habe ich mir leider nicht zu verschaffen vermocht. Ich bin in Bezug auf dieselben ebenfalls auf Bürscau’s Zusammenfassung angewiesen. Ich habe meine Aufmerksamkeit besonders den bisher noch so wenig bekannten Kernverhältnissen der Flagellaten zugewandt, so wie auch der sogenannten Cysienbildung. Namentlich in Bezug auf diese Punkte glaube ich einige nicht uninteressante Resultate erzielt zu haben. Es sei gestattet die Ergebnisse zunächst allgemein zusammenzu- fassen und dann die speciellen Untersuchungen folgen zu lassen.
Allgemeiner Theil.
Das von mir vollständig durchuntersuchte Material bestand aus folgenden 41 Formen: Chromulina Woroniniana n. sp., Gyathomonas truncata, Chilomonas Paramaecium, Codosiga Botrytis, Peranema tricho-" phorum, Bodo jaculans, Arhabdomonas vulgaris, Monas Guttula, Amoeba
diffluens, Grassia Ranarum und Protochytrium Spirogyrae. Gelegentlich kam noch eine ganze Anzahl anderer Formen zur Beobachtung, so einige Salpingoeca-Arten, Rhabdomonas incurva, verschiedene Bodonen —
Untersuchungen über einige Flagellaten und verwandte Organismen, 49
und Monaden etc. Wenn ich hier die Ergebnisse allgemein zusam- menfasse, so wird das am besten an der Hand der BürscuLr'schen und Kıess’schen Darstellungen geschehen. Über die Beobachtungsmethode bemerke ich nur noch kurz Folgendes. Die großen Kulturen wurden in der allbekannten Weise angestellt. Für die Objektträgerkulturen ver- fuhr ich theils nach der bei Gelegenheit meiner Chytridiaceenunter- suchungen 1 beschriebenen Methode, theils verwandte ich gewöhnliche kleine Kammern und beobachtete im hängenden Tropfen. Zur Tödtung der Flagellaten ohne weitere Behandlung diente mit den vorzüglichsten Erfolgen Überosmiumsäurelösung von 0,5 Procent. Sollte gefärbt wer- den, so wurde statt dessen einfach mit Alkohol oder mit sehr verdünnter Chromsäurelösung operirt, und die Färbung mit Hämatoxylinlösung oder Brıre’schem (auch GrenAacher’schem) Karmin bewirkt. Man vergleiche übrigens über diese Punkte die betreffenden Abschnitte in dem trefl- lichen »Botanischen Practicum 1884 « von STRASBURGER. Gute Dienste leistete auch hin und wieder die Hämateinammoniakfärbung, die — es sei dies zur Ergänzung der KorscHeLr’schen ? Angaben gesagt — auch unter dem Deckglas ausgeführt werden kann. Nicht genug zu empfehlen ist endlich die einfache Tödtung und Färbung mit gewöhnlicher Jodlösung, die für manche Zwecke geradezu unentbehrlich ist. Auf die Anfertigung von Dauerpräparaten wurde kein besonderer Werth gelegt, indessen
‚ halten sich einige Flagellaten ganz gut längere Zeit in Glycerin.
Was nun zunächst die allgemeinen Körperverhältnisse der von mir
N untersuchten Flagellaten 3 (die drei letzten der 11 genannten Formen sind im Folgenden, wenn nichts Besonderes bemerkt, nicht mit berück- siehtigt) betrifft, die im Einzelnen sehr verschieden sind, so habe ich "fast überall folgende Orientirung vorgenommen. Als Rückenseite be-
zeichne ich die der Insertion der Cilien und dem »Mund«, wenn ein
" solcher vorhanden, gegenüber liegende; danach ergiebt sich die Lage der ‚ linken, rechten und Bauchseite. Dass dies natürlich nur eine Bezeich- ” nung zur Erleichterung der Darstellung ist, braucht nicht besonders be- tont zu werden ; eben so wenig wesshalb ich der Stein’schen Termino- ‚logie in dieser Beziehung nicht gefolgt bin. An unseren Flagellaten ‚lassen sich folgende Körperbestandtheile allgemein unterscheiden : Das - Gytoplasma, die »Hautschicht«, der Kern, eine oder mehrere kontraktile
Nacuolen, die Cilien und meistens noch »Nahrungsvacuolen«. Dazu
1 Beiträge zur Kenntnis der Chytridiaceen. 1884. ‚2 Über eine neue Methode zur Konservirung von Infusorien und Amöben. Zool.
| Anz. Nr. 409.
3 Die ganze folgende Darstellung bezieht sich nur auf die von mir unter- suchten Formen.
Zeitschrift f. wissensch. Zoologie. XLII. Bd. k
50 Ü. Fisch,
kommen bei den einzelnen noch komplicirte Einrichtungen zur Nahrungs- aufnahme etc. Jene hoch differenzirte Körperanatomie,,, wie sie Künst- LER ! in neuester Zeit für verschiedene Flagellaten beschrieb , besteht nirgends, wie dies weiter unten bei Chilomonas Paramaecium im Einzelnen ausgeführt werden soll.
Das Cytoplasma stellt im Allgemeinen eine völlig gleichartige, meist feinkörnige Masse dar, an der eine besondere Struktur nicht wahrzu- nehmen ist. Jener netzförmige Bau, der bei Pflanzenzellen so häufig ist, und den Krzss auch bei Euglenen fand, ist bei unseren Formen nicht zu beobachten. Der Grad der Intensität der Färbung bei Behandlung mit Tinktionsmitteln ist der gewöhnliche. Die Mikrosomen färben sich dabei stets dunkler als das Hyaloplasma. Seltener sind dem CGytoplasma einige, wenig zahlreiche größere Körnchen eingestreut, die sich eben- falls dunkel färben und von denen nicht zu entscheiden ist, ob sie dem Plasma angehören oder als Nahrung aufgenommene Mikrokokken sind. Das Cytoplasma unserer Formen zeigt die gewöhnlichen Reaktionen, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Nur in abnormen Zuständen wird es blasig-schaumig, das heißt stark mit Vacuolen durchsetzt. Außer den als besondere Systeme aufzufassenden kontraktilen und Nahrungsvacuolen,, so wie der eigenthümlichen bei Godosiga stets vor- kommenden centralen Vacuole, habe ich an gesunden Individuen deren nie gesehen. Nach außen hin ist dies Körperplasma umgeben von einer ınehr oder weniger dicken hyalinen Schicht, die ich im Folgenden als Hautschicht, wohl auch Guticularschicht bezeichnen werde. Sie ist bei den meisten Formen wohl ziemlich fest, um nicht zu sagen starr, so bei Cyathomonas, Chilomonas etc: Eine ziemliche Elasticität kommt ihr bei Chilomonas zu; hier kann sie durch mechanische oder chemische Ein- flüsse in Gestalt großer bruchsackförmiger Blasen aufgetrieben werden, um bei Aufhören der ersteren wieder in die normale Lage zurückzu-
kehren. Eine besondere Struktur habe ich in dieser Hautschicht, außer
bei Peranema, nie gesehen. Sie umzieht stets völlig gleichartig und fast überall gleich dick den Körper; nur selten, so bei Chromulina, scheint sie an einer bestimmten Körperpartie nicht ausgebildet zu sein, und diese Stelle des Körpers zeigt dann andauernde und eigenthümliche Ge- staltveränderungen. Kırss hat für Euglenen eine eigenthümliche che- mische Konstitution dieser Membran oder Hautschicht nachgewiesen, auf die ich hier nicht näher eingehen kann. Die Reaktionen, die ich nament-
lich bei Gyathomonas und Chilomonas anstellte, schienen auf ähnliche |
Verhältnisse zu deuten. Vor Allem auffällig war die geringe Quellbarkeit
! Bull. soc. zool. de France. 1882, p.4—142% und 230—236 und Comptes rend. |]
95. 41882. p. 347 ff,
- Untersuchungen über einige Flagellaten und verwandte Organismen. 51
in Kalilauge und Schwefelsäure; nur selten trat ein Verquellen bis zur Unkenntlichkeit ein, immer konnte dasselbe durch Auswaschen und Ein- wirkung von Alkohol ziemlich rückgängig gemacht werden. Mit Jod färbt sich die Membran nur schwach, eben so mit anderen Farbstoffen. In- tensivste Färbung erzielte ich mit Methylgrünessigsäure. In Jod und Schwefelsäure verquillt sie allmählich unter leichter Gelbfärbung. Sie besteht demnach wohl aus einer eigenihümlichen Plasmamodifikation, für die der Ausdruck »erstarrtes Plasma« ganz passend erscheint. Ich möchte sie in ihrem Verhalten den Sporenanhängseln in den Sordaria- schläuchen vergleichen !. Ihr physikalisches Verhalten lässt sie, wie schon erwähnt, als eine ziemlich feste, nur in geringem Maße Körper- umgestaltungen zulassende Membran erscheinen. Sie ist bis zu ge- wissem Grade elastisch, wie bei Chilomonas gezeigt wurde; nur selten, so bei Cyaihomonas, sah ich sie so fest, dass beim Drücken auf das Deck-
‚glas Risse oder Brüche entstanden. In Bezug auf die Struktur der Pera-
nemahautschicht habe ich den Angaben von Kıess nichts hinzuzufügen. Ich kann sie einfach in vollem Umfange bestätigen. Bei abgestorbenen Flagellaten sah ich die Hautschicht, wohl durch Einwirkung der zahl- reich vorhandenen Bakterien, schnell verschwinden oder gelöst werden. Ich behalte den Ausdruck Hautschicht auf Grund der vorliegenden Daten bei. Vom Cytoplasma ist sie zwar immer ziemlich scharf abgesetzt, in- dessen nicht so, um nicht doch vielleicht einen Übergang zwischen bei- den annehmen zu lassen. Trennung von Hautschicht und CGytoplasma
" habe ich nie erzielen können, gesehen habe ich sie nur bei Gelegenheit
von Vacuolenbildungen. In meiner Auffassung bestärkt mich eine höchst
merkwürdige Thatsache, die ich bei Cyathomonas gefunden habe. Hier ‚ geht nämlich von der Hautschicht in das Körperinnere hinein ein System von verzweigten und geschlängelten Streifen, ein »Balkengerüst«, wie ‚ ich es bezeichnet habe, über dessen Bedeutung ich völlig im Unklaren
bin. Diese Balken sind direkte Fortsätze der Hautschicht, verhalten sich auch chemisch ganz wie sie und endigen entweder mit stumpfen Enden
im Cytoplasma oder verlaufen ganz allmählich, bis sie schließlich vom ‚ letzteren nicht mehr zu unterscheiden sind. Es liegt in ihnen also sicher ‚ ein Übergang zwischen Hautschicht und Cytoplasma vor.
Strömung im Cytoplasma habe ich ziemlich verbreitet gefunden,
‚, und zwar, entgegen den Angaben von Kress, auch in nicht metabolischen = Formen. Sie ist nicht selten so energisch, dass sogar der Zellkern von seiner Stelle verrückt wird. Äußerlich sichtbar ist sie am leichtesten
i Vgl. Zopr, Zur Kenntnis der anatomischen Anpassung der Pilzfrüchte an
die etc. Sporenentleerung. Zeitschr. f. Naturw. 1883. Separatabdr. p. 20 f.
4%
32 Ü. Fisch,
durch die Verschiebung der sogenannten Nahrungsvacuolen. Über die Erscheinung der Metabolie weiß ich neue Daten nicht vorzubringen.
In ihrer chemischen Konstitution mit der Hautschicht übereinstim- mend verhalten sich die Gilien, mit dem Unterschied, dass sie sich mit Jod etwas intensiver färben. Überall habe ich konstatiren können, dass ihr Längsverlauf ein völlig gleichmäßiger und gleich dicker ist, dass sie sich also nicht, den meisten Abbildungen gemäß, nach der Spitze hin verjünpgen. Sie sind die empfindlichsten Organe der Flagellaten und gehen bei Sauerstoflabschluss sofort zu Grunde. Sie erheben sich als Fortsätze der Hautschicht, scheinbar ohne besondere Differenzirung des Plasmas der Insertionsstelle. Ihre Struktur schien mir nur bei Chilomonas auf komplicirtere Verhältnisse hinzudeuten, wo ich an getödteten Exem- plaren ein körniges oder fein knotiges Aussehen derselben nachweisen konnte, ungefähr wie es KünstLer beschrieben hat. Bei meinen Formen war das cilientragende Körperende immer das vordere ; die Bewegung schien nur durch die Cilien bewirkt zu werden, da nach Verschwinden derselben stets völlige Ruhelage eintrat oder eine Ortsveränderung nur durch metabolische Gestaltveränderungen hervorgerufen wurde, In Be- zug auf das Verhalten der Gilien bei der Längstheilung habe ich beob- achtet, dass sie fast stets (mit Ausnahme der Nebencilien bei den Mona- den und der Cilie von Codosiga) erhalten bleiben, also nur eine einzige neugebildet wird. Die Neubildung habe ich namentlich bei Godosiga ver- folgen können. Sie tritt hier zuerst in Gestalt eines feinen Höckers auf der Hautschicht auf, der sich nach und nach streckt und zur Gilie wird. Dabei scheint dies Längenwachsthum nur am basalen Ende zu erfolgen, es wäre also die Spitze der. Cilie deren ältester Theil. — Der Verlust der Cilien kann in zweierlei Weise bewirkt werden, entweder durch einfaches Abwerfen, so bei CGhromulina, oder durch Einziehen. Für den letzteren Process ist wieder Godosiga ein schönes Beispiel und hier ist er auch schon von CLark beschrieben worden. Die Gilie wird kürzer und kürzer, bis nur noch ein kleiner Zapfen vorhanden ist, der auch bald völlig ausgeglichen wird (s. unten).
Von sonstigen Inhaltsbestandtheilen des Flagellatenkörpers sei hier zunächst der Zellkern erwähnt. lch habe ihn überali gefunden, auch bei Protochytrium Spirogyrae, das bisher für kernlos gehalten wurde. Er nimmt steis eine ganz bestimmte Lage im Körper ein, was nament- lich deutlich bei den Verschiebungen, die sich in Theilungszuständen geltend machen, zum Vorschein kommt. Im Einzelnen sei auf die unten _ folgenden Specialbeschreibungen verwiesen. — Während die Kerne | der Protozoen, namentlich durch die schönen Arbeiten von Bürscauıt, |
! Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung
EIERN
Untersuchungen über einige Flagellaten und verwandte Organismen. 53
Gruser !, Hertwis? etc. Gegenstand eines besonderen Studiums in neuerer Zeit geworden sind, sind die über Flagellaten vorliegenden Daten noch recht kärglich, wie namentlich aus der Zusammenfassung bei Bürscuuı? hervorgeht. Im Allgemeinen wird angenommen, dass die Kerne der Flagellaten mehr oder weniger dem sogenannten. bläschen- förmigen Typus entsprechen, d. h. aus einer Kernmembran, dem sog. Zellsaft und einem Nucleolus bestehen. Seltener soll er ein einfaches dunkles Körperchen darstellen (so bei Trichomonas nach BLocHhmann, bei Trepomonas nach Bürscaui 1. c.). Ein Kerngerüst zwischen Nucleo- lus und Membran ist bei Euglenen von Kızss nachgewiesen, von dem- selben auch das Vorhandensein von vier bis fünf Nucleolen bei Euglena sanguinea; diesen Angaben wären noch einige nebensächliche beizu- fügen. Durch die neuesten Untersuchungen von STRASBURGER? sind nun aber die mit dem Kern in Beziehung stehenden Fragen vor vielen anderen wieder in den Vordergrund gerückt und eine eingehende Untersuchung aller Fälle dringend geboten. Ich habe desshalb meine besondere Auf- merksamkeit auf diese Verhältnisse gewandt, und gebe jetzt eine kurze Zusammenstellung der Resultate meiner Beobachtungen.
Die häufigste Form des Flagellatenkernes ist allerdings die bläschen- förmige. Ich fand dieselbe bei den meisten der von mir untersuchten Formen, namentlich bei allen Monaden und Bodonen. Solche Zellkerne sind von außen umgrenzt durch eine dünne, sich mit Farbstoffen inten- siv färbende Schicht, die Kernwandung, die STRASBURGER in seinem neuesten Buche für eine Hautschicht des umgebenden Plasmas hält. Mit der letzteren Annahme dürfte die Erscheinung nicht ganz stimmen, dass sich diese Kerne unverändert und mit Kernwandung glatt aus dem
| Körper 'herausdrücken lassen. Die Kernwandung ist erfüllt mit dem ' hellen, hyalinen Kernsaft und in diesem eingelagert ein Kernkörperchen. " Der Kernsaft färbt sich nur sehr wenig, sehr intensiv dagegen das Kern- ' körperchen. In den einfachsten Fällen, so bei Arhabdomonas, Monas, ' Bodo, hin und wieder bei Cyathomonas (Fig. 37 b), lässt sich nichts
und die Konjugation der Infusorien. Abhandl. der SenckEns. naturforschenden Ge- sellschaft. 4876. Bd. X. p. 262 ff. etc. 1 Über Kerntheilungsvorgänge bei Protozoen. Diese Zeitschr. Bd. XXX VII. 1883. p. 372 ff. — Über Kern und Kerntheilung bei den Protozoen. Ebenda. Bd. XL. 1884. p. 124 ff. — Die Protozoen des Hafens von Genua. Halle 1884. etc. etc. 2 Beiträge zu einer einheitlichen Auffassung der verschiedenen Kernformen. ' Morphol. Jahrb. Bd. II. 1876. p. 63 f. 3 Protozoen. p. 740—744. 4 Bemerkungen über einige Flagellaten. Diese Zeitschr. Bd. XL. 1884. p. 42 f. 5 Die Kontroversen der indirekten Kerntheilung. 4883. — Neue Beobachiungen
über den Befruchtungsvorgang bei den Phanerogamen und Theorie der Zeugung. 1 4884.
weiter wahrnehmen. Von Chromatinkörnchen oder einem Kerngerüst, resp. Kernfaden, ist sicher keine Spur vorhanden. Bei Cyathomonas treten in der Regel Chromatinkörnchen hinzu, in Gestalt kleiner, dunkel tingirter Körperchen, die unregelmäßig um den Nucleolus zerstreut sind (Fig. 37 a, 36). So ist es auch bei Chilomonas (Fig. 45); hier nimmt indessen schon hin und wieder die Kernwandung eine bedeuten- dere Dicke an. Eine fernere Komplikation bei Cyathomonas ist darin zu erkennen, dass der Nucleolus häufig in seinem Inneren drei bis vier dunklere Stellen zeigt, also aus mehreren größeren Körpern zusammen- gesetzt erscheint, wie es ja von Protozoen auch bekannt ist, so z. B. bei Actinophrys Sol. Ein Zusammenhang der sich färbenden Körnchen unter sich findet jedoch bei diesen Kernen sicher nicht statt, also ein Kerngerüst oder Kernfaden ist nicht vorhanden. Fädige Elemente habe ich dagegen aufgefun- den im Zellkern von Codosiga (Fig. 65—66). Es ist hier auch ein ein- facher Nucleolus und eine Kernwandung vorhanden, nur einmal glaube ich zwei Nucleolen beobachtet zu haben. Übrigens können die Nucleoli so groß werden, dass sie fast an die Kernwand anstoßen ; so habe ich es bei Protochytrium gesehen (Fig. 127) und darauf werden auch die erwähnten Fälle von Trepomonas und Trichomonas beruhen. — Bei Amoeba diffluens sind nur Körnchen, keine größeren Nucleoli vorhanden (Fig. 87).
Die eigenthümlichste Struktur des Zellkernes zeigte Chromulina (Fig. 24). Hier fand sich der Kernwand anliegend eine ziemlich dicke Schicht von Chromatinsubstanz, d. h. dunkel gefärbter Masse, die wir mit Hertwie als Kernrindenschicht bezeichnen können. Der Kernsaft war völlig körnchenfrei, enthielt dagegen eingelagert mehrere (drei bis acht) größere Körperchen, die sich ebenfalls stark tingirten. Ein solcher Kernbau war bisher bekannt von Amoeba proteus, Actinophrys etc. — Diese Variationen in der Kernbildung werden sich wahrscheinlich bei weiteren Untersuchungen noch vermehren. Sehen wir nun zu, wie die verschiedenen Formen sich bei der Theilung verhalten.
Die Erfahrungen über diesen Vorgang bei Flagellaten sind bisher ebenfalls noch sehr dürftig. Stein und BürscaLı beobachteten denselben als einfache Einschnürung des Nucleolus und des Kernkörpers; letzterer sah dann bei Entosiphon parallele Anordnung von Ghromatinelementen, die durchschnitten wurde, bei Euglena »eine deutliche Spindel mit Kern- platte«, und ebenfalls deuten Brocumann’s (l. c.) Beobachtungen an Oxyrrhis auf eine Kerntheilung mit längsstreifiger Differenzirung. Ich
habe dieselbe bei verschiedenen Formen in allen Details zu studiren ı |
Gelegenheit gehabt. Für die einfachen bläschenförmigen Kerne besteht
- Untersuchungen über einige Flagellaten und verwandte Organismen. 55
sie in der That in einer einfachen Durchschnürung des Nucleolus und Kernkörpers, so bei Bodo jaculans zum Beispiel (Fig. 140). Bemerkens- wertk ist dabei, dass die Theilung des Kernkörperchen meist schon völlig beendet ist, ehe an der Kernwand sich eine Einschnürung be- merklich macht. Bei Amoeba diffluens vertheilten sich die Ghromatin- körnchen in zwei Partien, die in die Hälften des sich theilenden Kernes eingelagert waren. Komplicirter war der Vorgang bei Gyathomonas. Die im »fertigen« Kern unregelmäßig zerstreuten Chromatinkörner nehmen bei Beginn der Kerntheilung eine zum Kernkörperchen radiale Lagerung an, so dass dasselbe strahlenförmig von denselben umgeben ist (Fig. 37 a). Darauf beginnt eine Längsstreckung und Einschnürung des Kernkörperchens, wobei die Ghromatinkörner den mittleren Theil desselben frei lassen. Der Vergleich mit den von den Polen eines Magnets ausstarrenden Eisenfeilspänen ist recht treffend (Fig. 38). Die Ein- schnürung wird tiefer, und, ungefähr wenn sie beendet ist, wird auch die Kernmembran eingeschnürt und die Kerntheilung in der gewöhn- lichen Weise vollendet. Zunächst ist die Lagerung der Chromatinkörn- chen noch jene eigenthümlich strahlenförmige, bald geht sie in die gewöhnliche unregelmäßige über. Bei Amoeba verrucosa scheint ein ' ähnlicher Modus obzuwalten.
Der Vorgang der Kerntheilung bei Ghromulina ist ein ziemlich ein- facher. Er fängt damit an, dass die Nucleoli verschwinden und statt ihrer zahlreiche feine Chromatinkörner auftreten (Fig. 24). Die Kern- rindenschicht streckt sich und schnürt sich dann biskuitförmig ein, die reihenweise parallel der Streckungsachse gelagerten Körner werden mit getheilt, und die jungen Kerne haben dann das Aussehen von Fig. 124 d. Allmählich verschwinden in ihnen wieder die Chromatinkörner und statt ihrer treten wieder mehrere größere, die Kernkörperchen auf.
Die hier parallel der Streckungsachse gelagerten Körnerreihen führen dann. gewissermaßen über zu dem bei Codosiga stattfindenden Theilungsmodus (Fig. 65—66). Hier verschwindet ebenfalls zuerst das Kernkörperchen; statt dessen werden aber die im fertigen Zustande nur ‚als Körnchen erscheinenden Ghromatinelemenie jetzt als Fadenstücke sichtbar ; sie nehmen eine ziemlich beträchtliche Dicke an; trotzdem ließ sich nie entscheiden, ob sie einem einzigen Faden oder verschiedenen Theilstücken entsprächen. Die weiteren Stadien drängen indess dem Beobachter die Überzeugung auf, dass es wirklich nur kleine Faden- ‚stücke sind. Bei beginnender Kernstreckung nehmen sie eine parallele Lagerung an und stellen dann ein Bündel von etwas geschlängelten dünnen Stäbchen dar. Die Anzahl derselben ist ziemlich beträchtlich.
In der Mitte wird sodann das Bündel eingeschnürt, auch die Kernwand
96 6. Fisch,
thut dasselbe und bald sind zwei von einander getrennte Bündelhälften gebildet. Nach äußerer vollendeter Kerntheilung sind die Fadenstücke zunächst noch kurze Zeit parallel neben einander gelagert; dann er- scheinen sie wieder wirr durch einander verschlungen, nehmen allmäh- lich an Deutlichkeit ab und erscheinen bald wieder nur als Körnchen. Daneben ist dann auch allmählich das Kernkörperchen herangewachsen, und die sekundären Kerne sind fertig. Dass in diesem Falle die fädigen Chromatinelemente persistiren, ist mir nicht zweifelhaft, wenn sie auch im fertigen Zustande des Nucleus nicht als solche sichtbar sind.
Von besonderem Interesse wäre es mir gewesen, das Verschwinden und Wiederentstehen des Nucleolus genauer zu verfolgen. Es war das indessen nicht möglich. Es tritt nämlich an uns die Frage heran, ob bei den einfachsten Kernen, wo eine Durchschnürung desselben stattfindet und den Formen, wie sie z. B. CGodosiga bietet, die Nucleoli als homologe Theile zu betrachten sind. Ich möchte das annehmen. Bekannilich fasst jetzt STRASBURGER (l. c. p. 104 ff.) die sich färbenden Plasmatheilchen im Kern, die man also gewöhnlich als Chromatinsubstanz bezeichnet, als Ernährungsplasma auf, und lässt den Kernfaden bestehen aus dem Nucleohyaloplasma (nutritives und formatives, letzteres gleich » Idio- plasma«), das sich nicht färbt, und den ihm eingelagerten, aus dem nutritiven Nucleohyaloplasma, so wie dem Ernährungsplasma gebildeten Mikrosomenscheiben, die sich allein färben. Es muss also in unseren Fällen neben den Ghromatinkörnern, vielleicht mit ihnen zu bestimmten Molekülkomplexen verbunden, noch das formative Nucleohyaloplasma vorhanden sein, wenn wir auf sie die STrAsBurGEr’sche Anschauung übertragen wollen. Wenn das Wesen der Kerntheilung in der Über- tragung einer gleichen Quantität und Qualität von Eigenschaften, einer gleichen Menge von Idioplasma auf die Tochterkerne beruht, so wird das bei den Flagellaten durch die geschilderten Vorgänge ebenfalls, wenn auch in weniger vollkommener Weise wie bei höheren Organismen er- reicht. Dass dabei im einen Falle das Ernährungs-(Kernkörperchen-) Plasma nicht aufgelöst, d. h. zur Ernährung der formativen Hyaloplasma- theilchen nicht verbraucht wird, während das bei anderen eintritt, ist an und für sich nicht unerklärlich. Wir brauchen bloß anzunehmen, dass im ersteren weniger Hyaloplasma vorhanden ist und zu seiner Vor- bereitung zur Theilung desshalb weniger Nährstoffe braucht, als in den letzteren, um sofort eine Vorstellung zu haben. Wie eine solche An- nahme allerdings mit der gleich hohen morphologischen Differenzirung des ganzen Organismus in beiden Fällen harmoniren soll, ist nicht zu sagen. Ein weiteres Eingehen auf diese schwierige Frage würde in- dess zu weit abführen und mag auf eine andere Gelegenheit verspart
| Untersuchungen über einige Flagellaten und verwandte Organismen, 97
werden. Ich wollte hier nur zeigen, wie sich das verschiedene Verhal- ten der Nucleoli mit ihrer homologen Bedeutung in Übereinstimmung bringen lässt. Im Übrigen verweise ich auf das Srrassurser’sche Werk selbst. Nach Zorr ! sollen die Kerne der Plasmodien der Pilzthiere aus einem einfachen, dunkeln amöboiden Körper bestehen, »der von einem schmalen, kreisrunden Hyaloplasmahof umgeben ist, der dadurch zu Stande kommt, dass die Körnchen des Plasmas sich stets in einiger Ent- fernung vom Kern lagern«. Ob hier nicht eine Verwechslung mit dem von der Kernmembran umgebenen Kernsaftraum vorliegt?
Das System der pulsirenden Vacuolen findet sich bei allen unter- suchten Formen. Meist ist nur eine Vacuole vorhanden, bei Codosiga deren zwei. Wie der Kern hat auch sie im Körper eine ganz bestimmte Lage; nur in den Amöben und Plasmodien von Protochytrium wird sie durch den ganzen Körper unregelmäßig verschoben. Namentlich schön habe ich bei der Theilung von Monas Guttula (Fig. 145) beobachten können, wie die neugebildete Vacuole des einen Theilstückes von dem | Ort ihrer Bildung aus durch das CGytoplasma hindurch gewissermaßen
auf ihren Posten wanderte. Dass die kontraktilen Vacuolen stets wie- der am selben Punkte nach der Kontraktion entstehen, ist schon so oft hervorgehoben (vgl. bei Kress), dass ich hier nicht darauf eingehen will. "Bei vielen Formen bildet sie sich immer nur als einfache Vacuole, bei Peranema und Codosiga dagegen fließt sie aus mehreren kleinen zu- sammen. Die Entleerung erfolgt nach außen oder nach der Gegend des Mundes oder Schlundes hin, dadurch, dass der Inhalt durch das um- | gebende Plasma getrieben wird. Bei Peranema ist dieser Vorgang genau beobachtet und weiter unten ausführlich beschrieben. Eine besondere Vacuolenwandung, habe ich, wie ich gestehen muss, nie mit der Deut- lichkeit gesehen, wie es so oft beschrieben wird. Dass eine feine Haut- schicht als solche ausgebildet sein wird, bezweifle ich indessen nicht im geringsten. Körnchen oder andere Inhaltsbestandtheile als Flüssigkeit, habe ich in den kontraktilen Vacuolen nie gesehen. Wo solches ange- geben wird, liegt wohl immer eine Verwechslung mit Nahrungsvacuolen ‚vor. Dass der Inhalt nicht reines Wasser ist, hat schon Kıess betont. Es geht auch wohl daraus hervor, dass die kontraktilen Vacuolen meist eine etwas verschiedene Lichtbrechung zu zeigen scheinen. Im Allge- meinen erscheinen sie heller als z. B. die Nahrungsvacuolen. Auch da- rin siimme ich mit Kress überein, dass Salzlösungen (0,5°/, Chlorna- ‚triumlösung z.B.) keine Verkleinerung oder Verlangsamung der Pulsation bewirken. Bei abgetödteten Individuen verschwinden die Vacuolen
EEE EEE
1 Die Pilzthiere. 4884.
58 6, Fisch,
meistens, indessen habe ich sie auch bei Gyathomonas (in Osmiumsäure) persistiren sehen. Wahrscheinlich wird durch die Reagentien nur eine plötzliche Kontraktion, keine Zerstörung derselben bewirkt. Die An- gaben von KünstLer über den Bau der kontraktilen Vacuole bei Chilo- monas sollen im speciellen Theil berücksichtigt werden.
Nach den Angaben von Kress und anderer Autoren soll bei der Theilung auch die kontraktile Vacuole sich theilen. Ich kann dem we- nigstens einen Fall gegenüber halten, wo ich mit Bestimmtheit gesehen habe, dass die alte Vacuole verschwand und zwei neue, je eine für jedes Theilstück , gebildet wurden ; dabei waren alle drei noch eine Zeit lang neben einander zu sehen. Es war dies bei Monas Guttula. Nach meinen Erfahrungen über Theilungsvorgänge bei anderen Flagellaten glaube ich annehmen zu könen, dass häufig neben der vorhandenen noch eine zweite gebildet wird, wie das auch mit der Cilie meist der Fall ist. Übrigens zeigen sich im Einzelnen viele Verschiedenheiten. — Über die physiologische Funktion dieses Organs vermag ich nichts Neues beizu- bringen; ich will auch durch keine Hypothese die Anzahl der schon vor-
handenen vermehren, am meisten möchte ich mich derjenigen zuneigen,
die die kontraktile Vacuole als Respirationsorgan auffasst.
Wie sich aus der Aufzählung der von mir untersuchten Formen er- giebt, ist nur eine von ihnen mit Ghromatophoren versehen, nämlich Chromulina Woroniniana. Meine Erfahrungen über CGhromatophoren gründen sich desshalb auch nur auf diese. Es ist hier das Chromatophor ausgebildet in Gestalt einer einzigen verschieden gestalteten ziemlich dicken Kugelschale, die von einer dünnen Cytoplasmaschicht überzogen der Hautschicht ziemlich dicht anliegt. Es ist gegen das Gytoplasma scharf abgesetzt, augenscheinlich aus dichterer Substanz gebildet als dieses; man erkennt es noch vollkommen deutlich in Gestalt und Lage an Individuen, die mit Alkohol entfärbt waren. Eine feinere Struktur habe ich bei der Kleinheit der Flagellate nicht wahrnehmen können und bedaure auch über die im Chromatophor eingelagerten kleinen Para- mylumkörner aus demselben Grunde nichts angeben zu können. Para- mylumkörner sind mir sonst nur noch bei Peranema unier den von mir beobachteten Flagellaten als größere Körper entgegen getreten, doch hier sind sie aus anderen Gründen zum eingehenden Studium nicht geeignet. Zu meinem Bedauern kann ich daher in die zwischen Krrss! und Schmitz ?2 bestehende Kontroverse nicht eingreifen. Vielleicht sind
! Kress, |. c. p. 39—43 und Bot. Zeitung 1884. Nr. 36. 2 Scumıtz, Beitrag zur Kenntnis der Chromatoph. in: Prinesaeıms Jahrbüchern, Bd. XV, p. 4—177 und Bot. Zeitung 4884, Nr. 51 und 52.
Untersuchungen über einige Flagellaten und verwandte Organismen. 59
dagegen folgende Beobachtungen geeignet, ein Streiflicht auf sie zu werfen.
Von Chilomonas ist schon lange bekannt (schon Scuneiper erkannte dies), dass im Cytoplasma eine große Menge großer Körner eingelagert sind, die aus Stärke bestehen. Einige andere Flagellaten zeigen Ähn- liches. Von den letzteren ist Ghlamydomonas hyalına (Polytoma Uvella) von Scauitz untersucht worden. Seine Angaben seien hier wörtlich angeführt, wegen des großen Interesses, das diese Frage bietet: »Als Resultat dieser Untersuchung aber muss ich zunächst für Ghlamydo- monas hyalina hervorheben, dass ich hier von einem geformten farb- losen Chromatophor, das als Stärkebildner fungiren könnte, selbst mit allen Hilfsmitteln der modernen histologischen Forschung nicht die ge- ringste Andeutung nachzuweisen vermochte. Ein Chromatophor fehlt meines Erachtens dieser Form gänzlich, ihre deutlich ausgebildeten (durch Jodlösung blau gefärbten) Stärkekörner werden frei im Proto- plasma der Zelle angelegt und ausgebildet.« Ein gleiches Resultat ergab sich ihm für die Paramylumkörner der farblosen Peranemeen.
Die Stärkekörner von Chilomonas nun verhalten sich anders. Ihre Struktur, auf die ich hier nicht eingehen will (s. im speciellen Theil), entspricht der beliebiger anderer Stärkekörner. Sie entstehen aber nicht frei im Gytoplasma, sondern stets an besonderen Plasmagebilden, die in Form und Struktur vollkommen denen gleichen , die zuerst durch: ScHimper ! als Stärkebildner bekannt geworden sind. An irgend einer der Stärkekornflächen,, meistens der dem Inneren des Körpers zuge- wandten, sitzt regelmäßig ein kleines Anaplast (farbloses Chromatophor), das sich mit Jod intensiv färbt, gegen das Cytoplasma durch scharfe Grenzlinie abhebt und meistens als flaches nur wenig vorgewölbtes Körperchen gestaltet ist (Fig. 53—55). Dass diese farblosen CGhromato- phoren mit den ihnen ansitzenden Stärkekörnern nicht etwa als Nahrung aufgenommene Gebilde sind, lässt sich durch einen einfachen Versuch erweisen. Lässt man stärkehaltige Ghilomonasindividuen aushungern, was auf verschiedene Weise geschehen kann, so verschwinden die
‚ Stärkekörner und die Ghromatophoren liegen in einer peripherischen
Schicht, die sich durch Jodfärbung leicht nachweisen lässt. An ihnen entstehen nun allmählich die Stärkekörner wieder, zunächst als kleine Höcker, die aber bald zur normalen Gestalt und Größe heranwachsen. — Was dieses Faktum um so interessanter macht, ist, dass die Chro-
e| matophoren in den gefärbten Chilomonasformen (bei Cryptomonas)
große peripherische Platten darstellen, in denen Assimilationsprodukte
! Untersuchungen über das Wachsthum der Stärkekörner. Bot. Zeitung 1880.
60 G. Fisch,
entstehen. Man sieht also, dass bei nächst verwandten Formen die Protoplastenausgestaltung eine sehr verschiedene sein kann. Es ist außerdem durch diese Beobachtung wahrscheinlich gemacht, dass noch in anderen Fällen gleiche Verhältnisse herrschen; namentlich bedauere ich die Chlamydomonas hyalina noch nicht angetroffen zu haben, um mit der Chilomonaserfahrung ausgerüstet die Beobachtungen von Schmitz wiederholen zu können. Ich hoffe bei anderer Gelegenheit bald auf diesen Gegenstand zurückzukommen.
Die Nahrungsaufnahme bei unseren Flagellaten gehi in der ver- schiedensten Weise vor sich. Während Ghromulina Woroniniana sicher sich holophytisch ernährt, nimmt Chilomonas nur flüssige Nahrung auf. Die übrigen dürften alle durch Aufnahme fester Nahrungskörper sich ernähren. In der einfachsten Weise geschieht dies bei Protochytrium durch Umfließen derselben. Bei Monas, Arhabdomonas, Bodo und CGodosiga durch sogenannte nahrungsaufnehmende Vacuolen, d.h. durch Ausstülpungen der Hautschicht, die sich öffnen und die Nahrungskörper in sich versenken , wie dies bei Monas Guttula zuerst von CIEnkowskI beobachtet ist. Welche Bedeutung bei Monas die Mundleiste hat ist zur Zeit noch unbekannt. Besondere Mundapparate kommen dann noch vor bei Peranema, Gyathomonas und Chilomonas. Die Details mögen weiter unten nachgesehen werden. — Die Ausscheidung der Exkremente wird ebenfalls auf sehr verschiedene Weise besorgt; auch hier würde eine detaillirte Ausführung an dieser Stelle zu weit führen, zumal dabei noch Differenzen je nach dem Entwicklungsstadium des betreffenden Indivi- duums hinzukommen. |
Augenflecke, so wie sonstige besondere Inhaltsbestandtheile kom- men bei unseren Flagellaten